Psychologie

Glaubenssätze erkennen und umprogrammieren: Du bist mehr, als du glaubst!

Wunderweib Redaktion

"Ich muss perfekt sein!" Wem kommt dieser Glaubenssatz bekannt vor? Machen wir daraus doch lieber ein: "Ich bin gut so wie ich bin". Glaubenssätze erkennen und umprogrammieren - so funktioniert es!

Video: ShowHeroes

Glaubenssätze sind in unserem Unterbewusstsein agierende Urteile über uns selbst und unsere Umwelt. Jeder Mensch hat Glaubenssätze, denn sie ordnen das, was uns im Leben passiert ist, in unser Bewertungsraster ein.
Glaubenssätze beeinflussen maßgeblich unser Verhalten - sowohl positiv als auch negativ.

Hand aufs Herz, wem schießt einer der folgenden Sätze in einer gewissen Regelmäßigkeit durch den Hinterkopf oder wer merkt beim Lesen der Sätze eine gewisse unbestimmte Resonanz in sich selbst?

  • „Ich muss perfekt sein!“
  • „Ich bin beziehungsunfähig!“
  • „Ich darf mir keine (negativen) Gefühle erlauben, um nicht handlungsunfähig zu werden!“
  • „Ich muss die Verantwortung übernehmen, damit Dinge nicht scheitern!“
  • „Ich bin nicht ok!“
  • „Ich muss es allen recht und bequem machen, um geliebt zu werden!“
  • „Ich bin es nicht wert geliebt zu werden!“
  • „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“
  • „Nichts zu tun ist vergeudete Lebenszeit!“
  • „Die Welt ist ein unsicherer Ort!“
  • „ Andere Menschen sind anstrengend!“
  • „Konflikte sind schlecht!“

Die Liste lässt sich beliebig erweitern, aber hier kann jeder einfach in sich hinein horchen, was sich da so an tief verankerten Überzeugungen aufspüren lässt.
 

Glaubenssätze sind das Gerüst unseres Lebens

Das Verrückte ist, unser Leben funktioniert gar nicht ohne Glaubenssätze. Denn jeder Glaubenssatz ist zunächst „nur“ eine relativ konstante Verallgemeinerung über uns und die Welt. Jeder Glaubenssatz ist ein Wahrnehmungsfilter, durch den wir unsere Welt sehen. Eine Interpretation dessen, was uns passiert ist und weiterhin passiert.
Und da wir mitten in dem stecken, was uns von Kindesbeinen bis heute umgibt, können wir gar nicht anders, als diese Gegebenheiten zu unserer Wahrheit zu machen und uns entsprechend innerhalb unseres Radius zu bewegen.
Glaubenssätze entstehen durch wahrnehmungspsychologische Prozesse wie Generalisierung, Verzerrung und Tilgung.
Einen Glaubenssatz erkennt man von außen fast besser, als der Urheber des Glaubenssatzes selbst, da er ihn ja für absolute Realität hält und auch zahlreiche Beweise gesammelt haben wird und anführen kann.

Wo kommen Glaubenssätze her?

Ihren Ursprung haben Glaubenssätze oft in der frühen Kindheit, können aber auch später noch entstehen und resultieren entweder aus einem einmaligen (eindrucksvollen) Erlebnis oder einer andauernden Erfahrung.

Positive und negative Glaubenssätze und ihr Einfluss auf unser Verhalten

Man kann das Leben positiv sehen - entsprechende Glaubenssätze helfen dabei! Foto: iStock

Wir unterscheiden durchaus nützliche von einschränkenden Glaubenssätzen. Mein persönlicher TOP Glaubenssatz ist zum Beispiel: „Ich finde IMMER einen Parkplatz!“

Was passiert, wenn man immer im Stadtchaos einen solchen Glaubenssatz im Hinterkopf verankert hat?

Man fährt ohne Hektik und voller Zuversicht los und hat dadurch die Fahrten in die Stadt in unkomplizierter und entspannter Erinnerung. Man findet aller Wahrscheinlichkeit nach natürlich nicht immer einen Parkplatz direkt vor der Tür, aber der Fokus ist auf die „Erfolgsfahrten“ gerichtet und man gerät nie in Stress, wenn eine Fahrt in die Stadt ansteht.
Da der Glaubenssatz fest verankert ist, verhält man sich oft unbewusst ihm entsprechend, indem man zum Beispiel nicht schon einen Kilometer vor dem Ziel nach einem Parkplatz sucht, sondern bis vor die Tür fährt. Beides wiederum wird dann eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Jetzt mag man einwenden, dass das mit dem Parkplatz ist eine Kleinigkeit sei? Unbedeutend sozusagen! Durchaus - aber es verdeutlicht die Macht von Glaubenssätzen. Schauen wir uns einen weiteren positiv stärkenden Glaubenssatz an:

„Das Leben ist freundlich. Sollten mal Probleme und Veränderungen auftauchen, werde ich damit schon zurechtkommen und passende Lösungen finden!“

Hier geht es schon tiefer und beginnt eine durchaus wegweisende und in diesem Fall positive Dimension zu bekommen.
Mit einem Glaubenssatz wie diesem hat man Zuversicht und Vertrauen. Man lebt nach der Maxime, dass Probleme dazu gehören, aber keine Dramen sind. Dieser Glaubenssatz im Hinterkopf richtet den Fokus auf all die Male, wo man tatsächlich Lösungen gefunden hat. Da nicht davon ausgegangen wird, dass es zu einem Scheitern kommen könnte, stürzt man sich jedes Mal positiv motiviert wieder in ein neues „Problem-Lösungs-Abenteuer“.

Die Umkehr eines positiven Glaubenssatzes: Jemand der hingegen glaubt, dass es für Probleme meistens keine Lösung gibt, wird viel schneller aufgeben und so auch häufiger die Erfahrung machen, dass sich tatsächlich keine Lösung findet.

Die Auswirkungen von Glaubenssätzen

Auf das Wesentliche reduziert basieren viele psychologische Probleme auf unbewussten Glaubenssätzen. Ein kleines Beispiel aus dem Familiencoaching:

Der häufig zu findende Glaubenssatz: „Um geliebt / geachtet / beachtet / anerkannt zu werden, muss ich Leistung abliefern / perfekt sein!“ treibt uns an ständig über unsere Grenzen zu gehen. Erschöpfung wird nicht akzeptiert und gewürdigt. 

Man macht seinen Selbstwert an der Bestätigung durch Andere fest, die man versucht durch übermäßiges Engagement und stets hohe Leistung zu einem positiven Feedback zu motivieren. Bleibt das Feedback aber aus, gibt man noch mehr Gas und reibt sich auf, um das vermeintliche Ziel zu erreichen. Bekommt man das Feedback, hat man so ein Hochgefühl, dass man mehr davon will und weiter Vollgas gibt, um eine positive Rückmeldung zu bekommen.

Dieses System führt irgendwann in eine große Leere und Erschöpfung. Der Schutz der eigenen Bedürfnisse nach Ruhe und Selbstbestimmung wird oft bis weit über die persönlichen Grenzen hinweg vernachlässigt. Man kommt nicht auf die Idee einfach für sein SEIN geliebt zu werden, sondern man verknüpft Liebe immer mit dem Erbringen von Leistung.

Das Loslassen von einschränkenden Glaubenssätzen

Der erste Schritt ist, dass man einen einschränkenden Glaubenssatz identifiziert.
Hier helfe ich als Coach zum Beispiel, indem ich spiegele, was ich wahrnehme, nachfrage und so unterstütze, dass Menschen aussprechen können, was sie eigentlich antreibt.

Einmal gefunden, muss man die Dimension des Satzes erfassen. Nicht nur kognitiv sondern auch emotional. Hier zeigt sich oft, warum ein Glaubenssatz sich einmal etabliert hat, wie lange er schon wirkt und welche Auswirkungen er auf das Verhalten hat.
Ein entscheidender Moment ist der, den Glaubenssatz für das zu würdigen, was er bislang positives im Leben geschaffen hat. „Ich darf mir keine negativen Gefühle erlauben, um nicht handlungsunfähig zu werden!“ , hat dem Betroffenen zum Beispiel in verschiedenen Krisensituationen geholfen, den Kopf über Wasser zu halten und nicht unterzugehen. Vielleicht hat er damit sogar andere Menschen gerettet. Allerdings hat er aber auch einen Teil von sich negiert, was zu unterschiedlichen Problemen führen kann.

Der nächste Schritt ist, dass ich als Coach einen Rahmen schaffe, in dem der Klient dahinter kommt, dass die Wirklichkeit seines Glaubenssatzes konstruiert ist. Alles was der Mensch konstruieren kann, kann er auch wieder auflösen und abbauen. 
Verstärken kann man dieses „erste leise Zweifeln“ noch, indem man sich mit dem Klienten auf die Suche nach anderen alten Glaubenssätzen macht, die längst der Absurdität Preis gegeben sind. Das können durchaus humorvolle Rückblicke sein.

Eine Klientin hat mir erzählt, dass sie als Kind die Zahnfee für die totale Wirklichkeit gehalten hat und dann den Moment beschrieben, als ihr klar wurde, dass es die Zahnfee gar nicht gibt.
Entscheidend ist hier, den Moment bewusst zu machen, in dem ein fester Glaube in sich zusammenfällt – egal wie absurd er im Nachhinein ist. Die Klientin soll nur spüren, dass es in ihrem Leben schon viele Momente gab, in denen sich eine feste Überzeugung - ein Glaube - als falsch, überflüssig oder nicht mehr zeitgemäß herausgestellt hat. Dadurch wird nämlich die grundsätzlich wichtige Überzeugung kreiert, dass Dinge die einst als unumstößlich wahrgenommen wurden, sich jederzeit im Leben verändern können.

Glaubenssätze umprogrammieren - das geht

So wird aus der Sicherheit eine gewisse Offenheit, dass die Welt auch anders sein könnte. Wir können dann eine Zukunft ohne diesen Glaubenssatz konstruieren und der Klient ist gefordert, sich ganz genau in eine mögliche neue Realität hinein zu fühlen. Oft beobachte ich dann wie plötzlich ein Lächeln um die Mundwinkel zuckt, ein glücklicher Seufzer zu hören ist oder eine entkrampftere Körperhaltung eingenommen wird. 


Abschließend versucht man im Coaching einen neuen Glaubenssatz zu formulieren, der dem Klienten einen Anker bietet, um sein künftiges Verhalten durch einen neuen Filter zu sehen. Der Arbeit mit einschränkenden Glaubenssätzen muss Zeit und Raum gegeben werden, aber sie macht uns frei unsere Wirklichkeit neu zu gestalten, um nicht durch ein unsichtbares Gummiband immer wieder zurück gezogen zu werden, wenn man eine neue Richtung einschlagen möchte oder seinen bisherigen Bewegungsradius vergrößern möchte.

Susanne Henkel schreibt als Gastautorin auf Wunderweib.de. Foto: Stefano Tinti / iStock

Dieser Text ist ein Gastbeitrag von Susanne Henkel. 

Susanne ist systemischer Coach in ihrer Coachingpraxis Talk about! Coaching und Mitbegründerin der ersten systemischen Online-Coaching Akademie FAMILIENBANDE.
Die FAMILIENBANDE ist eine Coaching Community für Menschen die sich für Themen wie: Coaching, Selbstliebe, zwischenmenschliche Kommunikation und die Bewältigung von Lebenskrisen interessieren.
Susanne und die FAMILIENBANDE gibt es auch als Coaching-Podcast. Die Infos findest Du auf der Homepage der FAMILIENBANDE und natürlich auch auf Facebook.
Mehr Artikel von ihr gibt es auf ihrem Blog. 

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