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Sinnfluencerin Tara Wittwer im Interview: Darum sind Filme wie „Wunderschön“ so wichtig für uns Frauen!

Der deutsche Kinoerfolg „Wunderschön“ zeigt auf wunderbar ehrliche Weise die täglichen Herausforderungen des Frauseins. Im Interview mit Tara Wittwer sprechen wir über die wichtige Botschaft des Films, seine Bedeutung für Frauen und wie wir mit dem Druck perfekt zu sein, umgehen können.

Video: Warner Bros. Home Entertainment

Hast du dich schonmal so gefühlt, als wärst du nicht genug? Als wärst du nicht schön genug, nicht dünn genug, nicht sportlich genug, nicht jung genug, nicht weiblich genug, nicht sympathisch genug, nicht genug als Mutter, Ehefrau, Freundin oder einfach Frau?

So geht es jeden Tag unzähligen von Frauen. Denn täglich werden wir mit Anforderungen und Idealen an unsere Körper und unsere Wesen konfrontiert, deren Erfüllung schier unmöglich ist. Wir sind dem Druck ausgesetzt, ständig perfekt zu sein. Wir verbiegen uns, vergleichen uns, verändern uns, tun unser Bestes und sind doch nie genug. Warum? Unsere Gesellschaft hat ein Idealbild für Frauen geschaffen, das noch nie so detailliert war wie heute. Es ist ein Idealbild, das sich ständig ändert. Immer wieder werden neue Trends und neue Ideale geschaffen, nach denen wir streben sollen. Es werden neue „Gesetze“ aus dem Boden gestampft, die vorschreiben, wie wir uns als Frauen zu verhalten haben.

Also laufen wir immer weiter, immer schneller, stecken all unsere Energie in die letzten Meter, nur um festzustellen, dass wir die Ziellinie nie erreichen werden – wir laufen im Kreis. Es anderen recht zu machen, das werden wir nie schaffen. Versuchen wir es, werden wir für immer weiter laufen. Wieso also all unsere Kraft, Lebensenergie und Freude für eine Aufgabe verschwenden, die völlig unlösbar ist? Wären wir nicht viel glücklicher, zufriedener und freier, wenn uns egal wäre, wie wir aussehen, wenn uns egal wäre, was andere von uns halten? 

Erfolgsfilm "Wunderschön": Von diesem Film fühlen sich Frauen verstanden!

Mit genau dieser Botschaft setzt sich die einfühlsame Tragikkomödie „Wunderschön“, von Regisseurin und Darstellerin Karoline Herfurth, auseinander. Mal mit Witz und Humor, mal mit emotionalen Szenen, die direkt ins Herz gehen, spricht der Ensemblefilm die täglichen Herausforderungen des Frauseins an. Dabei wird deutlich: Die Anforderungen an Frauen können wir nie erfüllen.

Karoline Herfurth als junge Mutter weiß: Kind und Karriere schließt sich nicht aus! Foto: Warner Bros. Home Entertainment

Im Laufe des Filmes lernen wir unterschiedliche junge Mädchen und Frauen kennen, die sich an ganz verschiedenen Stellen ihres Lebens befinden - sei es der Teenie, der mit seinem Körperbild zu kämpfen hat und endlich sie selbst sein will, die junge Mutter (gespielt von Karoline Herfurth), welche sich den Berufseinstieg wieder hart erkämpfen muss und zudem von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen geplagt wird, das Model (gespielt von Emilia Schüle), welches selbst als vermeintliches Ideal, nie genug ist und an dem Kampf perfekt zu sein, fast zugrunde geht, die Ehefrau, die sich wieder lebendig fühlen will und ihre Sexualität neu entdeckt oder die feministische Lehrerin (Nora Tschirner), die sich partout nicht verlieben will.

Dabei kommen auch Themen wie veraltete Rollenbilder, toxische Körperbilder, Alltagssexismus, Misogynie, Catcalling oder der ständige Wettkampf unter Frauen zur Sprache. Damit spiegelt „Wunderschön“, mit einem fantastischen Cast aus Deutschlands Schauspielelite, auf wunderbar ehrliche und unverblümte Weise, die Realität von unzähligen Frauen wider. Der Druck perfekt zu sein und doch nie genug zu sein, ein Gefühl, das uns alle schonmal beschlichen hat.

Emilia Schüle porträtiert ein Model, dass mit unrealistischen Anforderungen zu kämpfen hat. Foto: Warner Bros. Home Entertainment

Karoline Herfurths Kinoerfolg regt zum Nach- und Umdenken an. Es ist ein Film, in dem sich jede Frau wiederfinden und unendlich verstanden fühlen kann. Er zeigt Frauen, die viel zu lange gegen sich selbst gekämpft haben, doch endlich für sich selbst einstehen, Frauen, die wissen, Mutter sein heißt nicht, den Rest von mir aufzugeben, Frauen, die sich neu kennenlernen und ihre Sexualität auch im Alter wiederentdecken und Frauen, die mit größter Erleichterung erkennen: Sie sind mehr als nur ihr Äußeres – so viel mehr.

Foto: Warner Bros. Home Entertainment

"Wunderschön" bequem vom Sofa aus genießen

Nachdem „Wunderschön“ über 1,5 Millionen Kinobesucher anziehen konnte, ist der Herzensfilm ab dem 4. August fürs Heimkino als DVD, Blu-Ray oder digital zum Streamen erhältlich! Meine Empfehlung ist eindeutig: Diesen Film sollte jeder gesehen haben - nicht nur Frauen!

Tara Wittwer im #wunderbarECHT-Interview: Über Selbstreflektion, Selbstakzeptanz und toxische Denkmuster

Gemeinsam mit Autorin, Kulturwissenschaftlerin und Sinnfluencerin Tara Wittwer, sprechen wir im Interview über die emotionalsten Szenen im Film und fragen uns, wer auf diese unsinnige Idee kam, dass unser Körper richtig oder falsch sein kann.

Auf Instagram ist Tara ihren 170.000 Followern als @wastarasagt bekannt. Hier klärt sie über toxische Selbstbilder auf und setzt sich für ein gesundes Körperbild ein. Sexismus, eingestaubte Rollenbilder, Misogynie? Dem macht Tara stets mit genau der richtigen Menge Humor den Gar aus.

Uns erklärt sie, wieso Selbstreflektion so wichtig ist, um uns selbst zu akzeptieren, wieso Selbstliebe nun mal nicht einfach von heute auf morgen kommt und wie wir am besten mit Situationen umgehen, in denen uns entweder gesagt wird, wir sollen doch bitte mal leiser sein oder uns laut auf der Straße hinterhergerufen wird, wie „geil“ wir doch wären.

Wunderweib: Über welche Repräsentation im Film hast du dich am meisten gefreut? Welche Szene hat dich besonders getroffen oder berührt?

Tara Wittwer: Ich fand das alles zusammen sehr abgerundet. Mich hat das natürlich auch getroffen, wo sie dem Model-Druck verfallen ist, in der Öffentlichkeit steht und sich immer weiter runter hungern musste. Aber ich fand auch die Mutterrolle von Karoline Herfurth selber sehr gut und realistisch dargestellt. Deswegen kann ich gar nicht sagen, eine Szene oder eine Person hat mich besonders berührt.

Was für Tara wirklich wichtiger ist als "geile Oberschenkel"

Dank dem heutigen Idealbild und den Ansprüchen an Frauen stehen wir ja eigentlich quasi ständig im Kampf mit uns selbst, aber auch mit anderen Frauen und vergleichen uns konstant. Sei es im Film mit wildfremden Influencern, Models in Werbekampagnen und Zeitschriften, der jüngeren Arbeitskollegin des Mannes oder der Joggerin im Park, die einfach gerade ein bisschen fitter als man selbst ist. Wie stoppen wir diesen ständigen Drang, uns zu vergleichen und erkennen, dass wir gar keine Konkurrentinnen sind, sondern uns gegenseitig feiern sollten?

Nur weil Therapeuten sagen „Liebt euch alle selbst und auch die von gegenüber“... das klappt ja nicht, das haben wir ja gesehen. Aber das ist auch ganz normal, weil wir einfach in patriarchalen Strukturen aufgewachsen sind und unsere gesamte Popkultur uns eingetrichtert hat, dass wir untereinander als Frau immer komplizierte, komische Beziehungen zueinander haben - was ja einfach nicht der Wahrheit entspricht. Deswegen haben wir auch oft und früh schon eingepflanzt bekommen oder sind darauf sozialisiert worden: Andere Frauen sind ein Problem. Um davon wegzukommen, muss halt ein bisschen mehr passieren, als einfach mal lustige, witzige, rosa Quotes auf Instagram zu lesen. Man muss sich auch wirklich damit beschäftigen. Warum denke ich so? Warum fühle ich mich so? Es fängt ja auch immer bei einem selber an und nicht bei der fitten Joggerin im Park. Die hat ja überhaupt nichts gemacht, außer fit sein.

„Da muss man selbst auch einfach mal reflektieren. Das kann einem hier und da mal weh tun, weil sich selbst einzugestehen, dass man falsch liegt, ist immer doof, aber wichtig, um zu wachsen.“
Tara Wittwer

Im Film gibt es ja eine ganz besondere Szene, in der sich die außergewöhnliche Freundschaft zwischen dem Model und dem kleinen Nachbarsmädchen verfestigt. Das Model hat stark mit ihrem Körperbild und den Anforderungen an ihr Aussehen zu kämpfen. Selbst ein Model, das in unserer Gesellschaft als Ideal gilt, ist immer noch nicht genug. Sie ist nicht dünn genug, sie lacht nicht genug, sie ist nicht "unique" genug. In der Szene erklärt das Model dem Mädchen, sie bekäme keine Jobs mehr, weil sie nicht richtig aussehe. Daraufhin fragt das Mädchen sie, wie man denn richtig aussehe. Danach folgt diese bewusste Stille und man merkt einfach, diese Frage wird mit so vielen Frauen resonieren. Man hält selbst inne und fragt sich: Gibt es darauf eine Antwort? Ich glaube, da gibt es keine richtige Antwort. Was würdest du diesem kleinen Mädchen, das für so viele junge Mädchen und Frauen steht, antworten? Oder was würdest du ihm mitgeben?

Genau, dass es eben keine richtige Antwort gibt. Man sieht überhaupt nicht irgendwie richtig oder falsch aus. Es gibt ja so viele verschiedene Körperformen, Hautfarben, usw.. Da ist es ja einfach völliger Schwachsinn, dass jetzt jemand mit der und der Körperform richtiger ist. Also, ich weiß gar nicht, wer auf diese Idee kam, überhaupt mal zu sagen, etwas könnte falsch aussehen. Das geht einfach nicht. Richtig oder falsch, das sind Klassifizierungen, die ja zum Körper, meiner Meinung nach, gar nicht gehören sollten. Außer du bist jetzt vielleicht Hautarzt und sagst "Okay, da sieht das Muttermal jetzt etwas falsch aus".

Eine unvergleichliche Freundschaft, die Hoffnung macht. Foto: Warner Bros. Home Entertainment

Wir hatten es gerade schon angesprochen: Das Thema Selbstliebe. Von einer Seite kommt der Druck dieser Selbstoptimierung und von der anderen Seite der Druck, sich doch einfach selbst zu lieben. Selbstliebe ist selbstverständlich eine wunderbare Sache, aber der Weg dahin ist oft schwer. Wie findest du den Ausgleich vom ständigen "Sei perfekt, sei anders" und dem "lieb dich doch einfach selbst"?

Tatsächlich muss ich sagen, dass ich diese Gedanken eher weniger habe, weil ich den Druck von der Gesellschaft gar nicht so an mich heran lasse. Das war mir schon immer relativ egal. Es ist halt einfach wichtig, wie ich mich fühle. Das hört sich immer so abgedroschen an, aber es ist einfach so. Wenn ich schön aussehe nach Norm, mich aber scheiße finde… Naja, wem bringt denn das was? Ich meine, ich liege ja mit mir abends im Bett, mit meinen Gedanken und ob dann irgendein Jochen mich heute beim Team-Meeting geil fand - ja, davon kann ich mir dann auch nichts kaufen... Außer vielleicht das nächste Pudding-Teilchen, was er mir ausgibt. Wirklich glücklich macht mich das jetzt aber auch nicht.

In einer Szene lässt Nora Tschirners Charakter, die Kunstlehrerin, ihre Schüler ein Bild von sich malen, auf dem sie farblich markieren sollen, was sie an sich mögen und was nicht. Jedes Kind malt nur etwas, das mit seinem Äußeren zu tun hat. Daraufhin sollen sie den Fokus auf etwas richten, was nicht mit ihrem Äußeren zu tun hat. Schließlich sei es nicht das, was uns ausmache. Hast du vielleicht noch weitere Übungen oder Tipps, wie man sein Selbstbild und Selbstwert nicht von seinem Äußeren bestimmen lässt? Wie bist du dahin gekommen, dass es dich nicht interessiert, was die Gesellschaft dir aufdrücken will?

Du musst glaube ich auch die richtigen Leute um dich herum haben. Wenn du keine gute Freundin oder kein guter Freund bist, bringt es ja einfach gar nichts zu sagen "Okay, aber dafür habe ich geile Haare."! Aber du hast deine beste Freundin gerade verraten, weiß ich jetzt nicht, ob das so toll ist... Es kommt viel darauf an, mit wem du dich umgibst. Wer gibt dir auch regelmäßig Feedback, wo merkst du, dass du ein guter Mensch bist? Und guter Mensch heißt für mich auch nur, dass du deine eigenen moralischen Standards und Ethiken erfüllst. Das sind so Sachen, die für mich relevanter sind, als jetzt besonders geile Oberschenkel.

Zwischen Lustobjekt und hysterischer Dramaqueen: So reagiert man am besten auf Catcalling und Co.

Auch Catcalling wird im Film thematisiert und in der speziellen Szene reagiert der Charakter mit Ironie und Sarkasmus. Sie spricht voller Ironie davon, was für ein riesiges Kompliment es doch wäre, dass ihr hinterher gepfiffen wurde. Wieso ist es eben kein Kompliment, sondern die reinste Übergriffigkeit? Und wie reagiert man am besten in so einer Situation?

Na ja, es ist halt einfach auch sexuelle Belästigung. Das ist ja so! Ich weiß jetzt gar nicht genau, ob es sogar schon gegen das Gesetz und illegal ist, oder nicht? Aber wie gesagt, wir werden ja in solche Strukturen reingeboren und auch so sozialisiert, dass wir denken, dass das ein Kompliment ist. Deswegen kann man da, glaube ich, niemanden für blamen. Aber man muss sich halt immer wieder vor Augen führen, dass es das eben nicht ist.

Wenn mir das jetzt auf der Straße passiert, wie gehe ich damit um? Spreche ich die Person darauf an? Reagiere ich mit Humor wie im Film? Oder bleibe ich ernst, sachlich oder ignoriere es vielleicht sogar?

Ich würde gar nicht reagieren. Im Moment ist es ja auf TikTok ein Trend zurück zu bellen. Es kommt aber auch immer darauf an, wie sehr man Angst vor einer Konfrontation hat. Ich bin zum Beispiel relativ groß. Ich bin 1.80m, mir ist das scheißegal. Und ich bin auch immer gut aggressiv, wenn es um so was geht. Da habe ich keine Scheu. Aber natürlich empfehle ich das keiner Frau, gegen, wer auch immer da ist, anzugehen. Jede Situation ist ja auch komplett einzigartig. Wie viele Männer sind da? Welche Physik haben sie? Da würde ich natürlich nicht immer mit Aggression oder mit Belehrungen reagieren. Manche suchen diese Situation, um Gewalt oder ihren Hass an Frauen ausführen zu können. Und dann begeben sich Frauen vielleicht in aller letzter Instanz noch in Gefahr. Man muss die Situation immer selbst abschätzen.

Im Film müssen sich Frauen ja auch immer wieder Sätze anhören wie "Reg dich doch nicht wieder so auf" oder "Übertreib doch nicht immer so!". Das kennen wir auch aus der Realität. "Sei nicht so laut", "Du bist schon wieder so hysterisch!" oder "Jetzt kommt die Dramaqueen raus." - alles schon mal gehört. Man versucht uns als hysterisch abzutun, wenn wir es wagen unsere Meinung laut kundzutun, wenn man nicht hören will, was wir zu sagen haben, wenn wir Probleme ansprechen und Kritik üben. Diese Sätze können von Partnern, Kollegen, vom Chef oder von Freunden kommen, aber auch von anderen Frauen! Wie reagiert man am besten darauf oder was kann man darauf erwidern?

Na ja, Männer sind ja auch immer so hysterisch und emotional, wenn es um Fußball geht. Also, warum schreien die so? Warum weinen die denn jetzt? Weil irgendwer gewonnen hat? Hä?! Also, naja... Ich habe ja jetzt sogar ein Buch geschrieben, das „Drama Queen“ heißt! Das ist nämlich absoluter Schwachsinn und eben auch Gaslighting. "Guck mal, wie emotional und hysterisch du bist..". Nein, bin ich nicht. Ich habe eine Meinung. Ich weiß, es ist sehr kompliziert für dich, aber ist jetzt so!

Wer Taras neues Buch "Drama Queen", das am 11. Oktober erscheint, vorbestellen möchte, kann dies hier tun:

Tara Wittwer über die Bedeutung von "Wunderschön" für unsere Gesellschaft

"Wunderschön" ist ein Film, in dem sich jede Frau offen und ehrlich repräsentiert fühlen und wiederfinden kann. Du hast erst letztens in deiner Story darüber gesprochen, wie wichtig dir Filme und Serien sind. Als Kulturwissenschaftlerin weißt du auch von ihrer Bedeutung in unserer Gesellschaft. Aus dieser Sicht: Wieso sind Filme wie "Wunderschön" gerade so wichtig für unsere Gesellschaft? Und können sie wirklich ein Umdenken auslösen?

Ein einzelner Film wohl nicht, aber viele Filme. Viele Filme machen viel Umdenken aus. Es kommt aber natürlich auch darauf an, wie jung man ist! Ich denke schon, dass, wenn ein elfjähriges, zwölfjähriges Mädchen den Film guckt, dann kann das schon nachhaltig prägen. Was ich natürlich hoffe. Dadurch merkt man: Was ist wichtig? Worauf kommt es wirklich an? Bin ich vielleicht falsch sozialisiert? Haben die auf dem Schulhof gar nicht recht? Wir formen ja unser gesamtes kommunikatives Gedächtnis unter anderem durch Popkultur. Und da spielen so einschneidende Szenen natürlich eine große Rolle.

Ich fand es auch total super, dass in der Storyline mit dem etwas dickerem Mädchen, das sich verliebt, ihr Aussehen in der Liebesbeziehung kein einziges Mal angesprochen wurde. Oftmals ist für dicke Protagonistinnen in Filmen das Dicksein immer Thema. Meist wird es sogar zum Problem, erst recht, wenn es um eine Liebesgeschichte geht. In "Wunderschön" wurde dieses Thema nie von Seiten des Freundes angesprochen. Ich habe eigentlich immer damit gerechnet, dass jetzt noch Szenen folgen, in der seine Freunde ihm Kommentare zur Figur seiner Freundin reindrücken und ihn fragen, warum er ausgerechnet mit ihr zusammen sein will, woraufhin er sich schämt, Schluss macht und am Ende doch wieder zu Sinnen kommt. So kennt man es aus unzähligen Filmen. Ich fand es super wichtig, dass das nicht passiert ist. Das hat einfach wieder eine ganz andere Repräsentation und Realität gezeigt. Eine, wie es eigentlich sein sollte.

Ja, darüber habe ich mich auch gefreut und ich hoffe, dass das auch in der Gesellschaft und in echtem Leben so angenommen wird. Dieses ganze Shamen, was verschiedene Körper angeht, ist echt so deplatziert und auch, wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass Teenager eine besonders niedrige Hemmschwelle haben, was Gemeinheiten angeht - ich war ja selbst mal eine Teenagerin und auch die Kommentare, die ich bei TikTok und Co vor allem von jüngeren Menschen lesen muss - hoffe ich, dass nach und nach in der Gesellschaft ankommt, dass man nicht „irgendwie aussehen muss“ um geliebt werden zu können, sondern ganz, ganz andere Dinge in zwischenmenschlichen Beziehungen zählen. 

Jungschauspielerin Dilara Aylin Ziem als Teenagerin Leyla. Foto: Warner Bros. Home Entertainment

Auf Instagram sorgt Tara mit Formaten wie "TikToxic" für Aufklärung im Netz

Du hast auf deinem Instagram Kanal ja auch das Format "TikToxic", in dem du auf toxische, frauenfeindliche Inhalte eingehst, sie kommentierst und auf sie reagierst - von Männern und Frauen wohlbemerkt. Social Media gehört ja mittlerweile zu unserer Kultur und prägt unsere Gesellschaft und unser Denken. Wir werden dort tagtäglich mit den Idealen und Anforderungen an uns auseinandergesetzt und mit toxischen Inhalten überschwemmt. Du setzt dich dem deinen Follower*innen zuliebe bewusst aus. Wie schaffst du es bei diesem ganzen Content nicht durchzudrehen?

Also ich finde diesen Content gar nicht so schlimm, muss ich sagen, weil ich das edukativ nutzen kann. Der Content ist nicht schlimm, sondern die Art und Weise, dass so viele Leute bei diesem Content zustimmen. Das ist viel schlimmer, dass man wirklich sieht "Boah, wie denken eigentlich noch viele jüngere Leute? Entwickeln wir uns zurück?“. Aber auch da, habe zumindest ich das Gefühl, geht es, wenn man Teenager ist, noch ein bisschen öfter darum: "Wie kann man jemandem gefallen?". Das sind ja alles diese ersten Male: Der erste Kuss, das erste Mal, was auch immer. Und da hat man dann, glaube ich, noch eher die Mentalität, wie kann ich ihm oder ihr gefallen. Man findet sich selbst, man entdeckt sich selber und da glaube ich schon, dass man dann eher zu so einem Pick-me-Girl werden kann und gegen seine eigenen Reihen schießt. Das soll man dann auch noch mal anders bewerten, als wenn das jetzt zum Beispiel eine 30-jährige erwachsene Frau tut. Ich denke, das sind auch noch mal verschiedene Sachen. Aber generell sollte man natürlich schon in der Jugend anfangen, den Leuten klarzumachen: "Es ist nicht cool, eine andere Frau zu shamen, weil sie so und so viele Leute geküsst hat, gedatet hat oder im Bett hatte!". Das ist natürlich relevant, dass man schon früh ansetzt und sagt "Hey, das geht dich auch nichts an!".

Was wäre dafür nötig, damit das passiert? Sollte vielleicht auch in der Schule darüber aufgeklärt werden?

Ich bin früher mal tatsächlich ein Jahr lang durch Schulen gegangen und habe so über Instagram und YouTube aufgeklärt, aber nur über die Mechanik dahinter. Viel wichtiger finde ich aber die gesellschaftlichen Sachen dahinter. Aber da passiert noch nicht so viel, habe ich das Gefühl. Schulen buchen das nicht so gerne, wollen dafür auch nicht viel Geld ausgeben. Dabei ist das das Wichtigste, was so passieren kann, dass man wirklich Kinder und Jugendliche darüber aufklärt, wie man miteinander umgeht, auch online. Denn viele Lehrer und Lehrerinnen in Deutschland, natürlich nicht alle, aber vor allem auch die älteren, kennen das Internet nicht so sehr und sagen dann "Handy weg!" Ja, nee, das Internet und die sozialen Netzwerke sind einfach nicht mehr vom echten Leben wegzudenken und ein absolut fester Bestandteil unseres Lebens. Das ist dasselbe Leben, was wir haben, dieselben Leute - die sind halt online und offline. Es ist einfach völlig desillusioniert zu sagen, wenn man das Handy ausmacht, dann hat er kein Problem mehr. Alle anderen haben ihr Handy nämlich noch an und wissen halt trotzdem alles über dich auf dem Schulhof im echten Leben.

Wenn du jetzt eine Sache sofort verändern könntest, um Frauen den Kampf mit sich selbst zu nehmen oder die täglichen Herausforderungen zu erleichtern, was würdest du als allererstes verändern?

Selbstakzeptanz wirklich zu leben und nicht einfach nur zu predigen. Das finde ich so am wichtigsten, denn Selbstakzeptanz heißt übrigens auch nicht Selbstliebe, also dass man sich ganz herzlich selber liebt. "Ohh, ich liebe mich so!"… und wenn man es dann nicht schafft, dann fühlt man sich ja schon wieder so, als ob man versagt hat. Und dann sagt man "Boah, ich kann mich noch nicht mal selbst lieben. Was kann ich eigentlich?" Nee! Lieber einfach sagen: "Hass dich wenigstens nicht, du tust dein Bestes, immer.“.

Vielen lieben Dank Tara für das wunderbarECHTE und ehrliche Gespräch. Wir wünschen dir viel Erfolg mit deinem neuen Buch!

Wer sich einen genauso ehrlichen Film anschauen will, der schaut ab dem 04.08. "Wunderschön" auf DVD und Blu-ray oder streamt ihn vom Sofa aus!

Artikelbild und Social Media: Warner Bros. Home Entertainment