Beziehungsunfähig?

Unbewusste Bindungsangst: Wie sie dich in der Liebe blockiert

Wie unbewusste Bindungsangst uns beziehungsunfähig macht, wie wir sie erkennen und wie wir uns von ihr lösen, verrät Persönlichkeits-Coach Nicholas Pesch.

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Zwei Jahre Elend - eine unglückliche Beziehung. Eine Freundin von mir war einmal mit einem Mann zusammen, der war Meister darin, sie zu verletzen - bis aufs Blut.

Wann immer sie dachte: „Ja, endlich lässt er die Nähe zu mir zu, unsere Liebe hat doch eine Chance!“, da rammte er ihr wieder ein emotionales Messer ins Herz und machte all ihre Hoffnungen auf eine verlässliche Beziehung zunichte.

Trotzdem konnte sie lange nicht von ihm lassen. Über zwei Jahre waren die beiden in einem wechselseitigen Kreislauf aus extremer Nähe und heftigen Verletzungen zur Schaffung von Distanz gefangen. Wann immer die Nähe zwischen ihnen für ihn unaushaltbar war, stieß er sie von sich. 

Sie dachte lange, nur er sei schuld an diesem Elend. Sie dachte, er wäre irgendwie angeknackst, von früheren Beziehungen traumatisiert, und sie müsste das eben ausbaden.

Es hat sie Jahre gekostet, zu verstehen, dass die Schuld für diese sehr schwierige Beziehung nicht nur bei ihm lag. Es waren Aussagen von verschiedenen Beziehungsexperten, die sie auf das Phänomen der unbewussten Bindungsangst aufmerksam machten. 

? Unbewusste Bindungsangst ist die starke Angst vor emotionaler Nähe zu einem anderen Menschen, die sehr viele Menschen in sich tragen – wie die Bezeichnung schon sagt: ohne sich dessen bewusst zu sein. Und genau diese Angst trug auch sie in sich, nach einigen sehr schmerzhaften Erfahrungen in vorherigen Beziehungen.

Habe ich Bindungsangst?

Wie tiefe Bindungsangst entstehen kann, erklärt hier der Persönlichkeits-Coach Nicolas Pesch - vielleicht findest du dich in seiner Beschreibung wieder? 

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„Mit der Nähe ist das eine ganz, ganz kniffelige Sache. Fast alle Menschen sehnen sich nach Nähe. Und fast alle Menschen, die ich kenne, haben irgendwo auch Schwierigkeiten mit der Nähe. Wirkliche Nähe setzt voraus, dass du dich soweit öffnest, dass du verletzlich wirst. Und vor dieser Verletzbarkeit haben die allermeisten Menschen sehr viel Angst.

Und alle Menschen, die mit großer Nähe, großer Öffnung und dann einer Verletzung in diesem Moment der Öffnung unangenehme, schwierige, mitunter so schmerzhafte Erfahrungen gemacht haben, dass es traumatisch war, müssen erst wieder lernen, intim zu werden.“

Nicholas Pesch ist ein erfahrener Persönlichkeits-Coach und Autor des Buches „Ich bin alles, nur nicht busy – 49 Impulse für bewusstes Leben und Arbeiten“.
Nicholas Pesch ist ein erfahrener Persönlichkeits-Coach und Autor des Buches „Ich bin alles, nur nicht busy – 49 Impulse für bewusstes Leben und Arbeiten“. Foto: privat

Mit intim ist in diesem Fall nicht Sex gemeint, der manches Mal mit echter emotionaler Nähe verwechselt wird. 

Nicholas Pesch erklärt: „Auch wer regelmäßig miteinander Sex hat, ist keineswegs intim. Intimität setzt voraus, dass wir in der Lage sind, uns so weit zu öffnen, so weit auf den anderen einzulassen, dass wirkliche Nähe, echter Kontakt, echter Austausch entstehen kann.

Wie wirkt die unbewusste Bindungsangst?

  • Um zu verhindern, dass sie in einer emotional intensiven Beziehung verletzt werden können, suchen sich Menschen mit Bindungsangst oft unbewusst einen Partner, der ganz sicher keine allzu große Nähe zu ihnen aufbauen wird.
     
  • Menschen mit Bindungsangst haben eine Art inneren Sensor für andere Menschen mit Bindungsangst und fühlen sich von diesen besonders angezogen

Eine Affäre mit einem verheirateten Mann oder einer verheirateten Frau etwa kann ein Beispiel für eine Verbindung mit Bindungsangst sein, denn die Wahrscheinlichkeit, dass daraus eine echte Beziehung mit tiefer emotionaler Nähe entsteht, ist nicht sehr groß.

Was bei unbewusster Bindungsangst hilft

Der Weg heraus aus der unbewussten Bindungsangst ist kein leichter. Selbst wer erkennt, dass er insgeheim große Angst vor echter Nähe zu einem anderen Menschen hat und deswegen unfähig ist, eine enge Liebesbeziehung einzugehen, kann diese Angst nicht einfach abschalten. Besonders wenn heftige Verletzungen in früheren Beziehungen der Auslöser für die Bindungsangst sind, braucht es mehr als die Erkenntnis dazu, um sich von der Angst zu lösen

? Ein Weg ist eine neue Beziehung zu einem Partner ohne Bindungsangst. Wenn dieser dem bindungsängstlichen Partner über lange Zeit mit geduldiger und entspannter Liebe begegnet, kann es so gelingen, die Ängste vor Verletzung durch den Beziehungspartner aufzulösen.

? Ein anderer Weg sind vertrauensvolle Gespräche mit einem Psychotherapeuten oder einem erfahrenen Beziehungs-Coach. Solche neutralen Gesprächspartner können einem oft sehr gut dabei helfen, Irrungen und Wirrungen des Liebeslebens zu sortieren, alte Verletzungen offenzulegen und herauszufinden, was es in Zukunft braucht, um sich erneut ohne Angst zu lieben zu trauen.

Mehr Impulse von Nicholas Pesch für ein entspanntes und glückliches Leben gibt es in diesem Buch zu lesen.
Mehr Impulse von Nicholas Pesch für ein entspanntes und glückliches Leben gibt es in diesem Buch zu lesen: „Ich bin alles, nur nicht busy – 49 Impulse für bewusstes Leben und Arbeiten“. Foto: Herder