"Pinky Gloves": Fragwürdige Perioden-Handschuhe ernten Mega-Shitstorm - zu Recht!
Brauchen Frauen wirklich einen pinken Handschuh von "Pinky", um ihre Periodenprodukte zu entfernen? Warum der #pinkygate-Shitstorm gerechtfertigt ist.
"Wir wollen das Leben der Frauen einfacher machen." - 2 junge Gründer stellen am Montagabend in der Start up-Show "Die Höhle der Löwen" einen pinken Handschuh vor, der Frauen das diskrete und hygienische Entfernen und Entsorgen ihrer Menstuationsprodukte erleichtern soll - und lösen damit einen riesigen Shit-Storm aus. Zu recht, denn die "pinky gloves" tun alles andere, als vermeintliche "Frauenprobleme zu lösen".
"Die Höhle der Löwen" gehört zu den beliebtesten TV-Shows im deutschen Fernsehen und doch sorgt sie gerade für blankes Entsetzen. Grund dafür sind die zwei Ex-Bundeswehrsoldaten André Ritterswürden (32) und Eugen Raimkulow (32), die in der Show am vergangenen Montagabend ihr Produkt "Pinky" vorstellten - ein pinker Einweg-Hygienehandschuh, mit dem man Tampons hygienisch, diskret, geruchsneutral entfernen sowie entsorgen kann.
In ihrem Pitch betiteln sich die zwei Freunde als "echte Frauenversteher", die erkannt hätten, dass Frauen oft in unangenehme Situationen geraten, um Menstruationsprodukte vernünftig und hygienisch zu entsorgen. Schließlich "ist nicht immer ein Mülleimer vorhanden, von Wasser und Seife ganz zu schweigen", erklärte Ritterswürden den Investoren. Weiterhin machten sie auf den Geruch in Mülleimern aufmerksam, der mit der Zeit entstehen kann. Die "Pinky"-Handschuhe würden Tampons geruchsneutral und blickdicht verpacken, sodass diese unentdeckt im Mülleimer verschwinden können.
Argumente, die Investor Ralf Dümmel überzeugen und dazu bringen in "Pinky" zu investieren. Doch wo Begeisterung seitens der Investoren herrscht, macht sich Entsetzen und Unverständnis im Netz breit.
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"Pinky Gloves" Shit-Storm: Entsetzte Reaktion im Netz
Seit der Ausstrahlung am Montagabend läuft das Netz auf Hochtouren. Sei es auf der Instagram-Seite von "Pinky" oder "Die Höhle der Löwen", kein Beitrag ist sicher vor entsetzten Kommentaren von Menstruierenden sowie Nicht-Menstruierenden, die die Junggründer darauf aufmerksam machen, dass sie ein Produkt für ein Problem erfunden haben, das überhaupt nicht bestehen würde. "Komisch, wie kann ein Problem gelöst werden, das gar nicht vorhanden ist?", heißt es unter einem aktuellen Post auf dem "Die Höhle der Löwen" Instagram-Account, während ein anderes Kommentar auf die Stigmatisierung der Periode aufmerksam macht: "Umweltschädliche Einmalprodukte, um die Menstruation weiter zu verschleiern und zu stigmatisieren? Nein danke".
Auch die beiden Gründerinnen des Unternehmens "ooia", das nachhaltige Periodenunterwäsche herstellt, äußerten sich äußerst kritisch auf ihrem Instagram-Kanal. Beide freuen sich zwar darüber, dass ein so stark tabuisiertes Thema wie die Periode zur Prime-Time im deutschen TV besprochen wird, sind aber mehr als enttäuscht von dem Produkt und den Gründern. "Sie suggerieren, sie würden ein Problem von Frauen lösen, was die wenigsten von uns jemals als Problem empfunden haben". Dies würde nur weiterhin dazu beitragen, dass die Periode ein Tabu-Thema bleibt.
Zwar betonen André Ritterswürden und Eugen Raimkulow in der Vox-Show, dass sie sich bei der Entwicklung des Produkts stark mit Frauen auseinander gesetzt haben, dennoch kommt das Führungsteam ganz ohne Frauen aus, was im Netz ebenfalls auf große Kritik stößt. Ob die beiden Herren sich tatsächlich noch als Frauenversteher betiteln sollten, ist nach der riesigen Kritk mehr als fraglich. In einem auf den Shit-Storm folgenden Statement auf Instagram geben die beiden Gründer jetzt sogar Folgendes zu: "Wir haben uns nicht ausreichend und richtig mit dem Thema auseinander gesetzt".
Neben dem offesichtlich nicht vorhandenen Kenntnisstand über die Bedürfnisse von Frauen und dem Ablauf einer Periode, wird ebenfalls die Umweltschädlichkeit der Einmal-Handschuhe kritisiert. Zwar werden die Handschuhe selbst aus einem recyclingfähigen Material hergestellt, müssen in Kombination mit einem benutzten Tampon aber im Restmüll entsorgt werden. Dazu kommt, dass jeder Handschuh einzeln verpackt ist, was das Produkt buchstäblich zu reinem Müll macht. Auch der Preis ist ein echter Schock - die pinken Einweg-Handschuhe werden in 12er-Packungen verkauft und kosten ein zigfaches von herkömmlichen Einweg-Handschuhen, die letztlich genauso gut verwendet werden könnten.
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Besucht man die Webseite von "Pinky" stößt man direkt auf einen Slogan, bei dem man sich nur Fragen kann: Wie viele Fehler kann man eigentlich in einem Satz einbauen? Die beiden Gründer stellen ihr Unternehmen wie folgt vor: "2 Männer und ein Frauenproblem". Nicht, dass es nicht toll ist, dass sich Männer tatsächlich mal mit der Periode auseinandersetzen, doch die Art und Weise lässt doch mehr als zu wünschen übrig. Die Periode wird von den zwei selbsternannten Frauenverstehern als "Frauenproblem" deklariert. Allein durch dieses Wort wird deutlich, dass die beiden leider gar keine Ahnung von der Periode haben. Denn nicht nur Frauen bekommen ihre Regel. Mit dem offensichtlichen Gendern des Produktes werden somit sämtliche Personen ausgeschlossen, die sich nicht als Frau identifizieren, aber dennoch menstruieren.
Zudem wird von Nicht-Menstruierenden von einem Problem gesprochen, das tatsächlich Menstruierende gar nicht haben. Die einzigen, die tatsächlich ein Problem mit der Entsorgung von Menstruationsprodukten haben, scheinen die beiden Herren selbst zu sein. Sie machen darauf aufmerksam, dass benutzte Tampons in Mülleimern für unangenehme Gerüche sorgen und dass sie in Toiletten nicht richtig weggespült werden. Sie sagen, sie wollen "Frauen das unangenehme Gefühl nehmen", doch was sie meinen ist: Eure Periode ist zu sichtbar. Wir wollen euer Periodenblut nicht sehen. Das ist uns unangenehm. Es stinkt. Es ist eklig. Das ist euer Problem. Macht was dagegen. Kauft unser Produkt.
Letztlich liefert "Pinky" nicht die Lösung für unsere "Frauenprobleme", es ist die Lösung für das unangenehme Gefühl, das Männer verspüren, wenn sie mit unserer Periode konfrontiert werden. Und nur dafür wurde letztlich ein Produkt entwickelt, das sie uns nun verkaufen wollen, indem Trigger-Wörter wie "diskret" und "unangenehm" suggerieren, dass wir uns für unsere Periode schämen sollten und sie defnitiv geheimgehalten werden sollte. Und genau darin liegt das wirkliche Problem, das wir Menstruierende mit der Periode haben.
Mädchen auf Schulhöfen fragen sich im Flüsterton, ob jemand einen Tampon dabei hat, damit bloß niemand etwas davon mitbekommt. Jahre später verhalten wir uns immer noch so. In der Uni-Mensa fällt uns unsere Tasche aus der Hand, der Inhalt erstreckt sich auf dem Fußboden, sämtliche Tampons rollen kreuz und quer und wir versuchen sie panisch einzusammeln. Im Büro kramen wir still und heimlich in unserer Handtasche herum, umschließen den Tampon in einer festen Faust, sodass niemand einen Blick darauf erhaschen kann und machen uns auf den Weg auf die Toilette.
Doch wieso schämen wir uns oft noch so sehr für etwas, was ein ganz natürlicher biologischer Prozess ist, den sich niemand ausgesucht hat? Weil die Periode seit Jahrhunderten stigmatisiert und tabuisiert wird, weil sie als etwas Ekliges, Unreines und Unnormales deklariert wird, über das man nicht spricht, weil Periodenblut in Werbespots mit blauer Flüssigkeit dargestellt wird, weil die Aufklärung und die Bereitschaft zuzuhören fehlt, weil Produkte wie Perioden-Handschuhe von "Pinky" einen Weg auf den Markt finden.
Die "pinky gloves" tragen keineswegs dazu bei, das Leben von Frauen einfacher zu machen. Stattdessen trägt es lediglich weiterhin dazu bei, dass die Periode tabuisiert wird und Menstruierende noch mehr Geld ausgeben müssen. Es reicht ja schließlich noch nicht, dass wir bereits extrem hohe Kosten für Menstruationsprodukte tragen müssen, stattdessen sollen wir jetzt auch noch extra Geld ausgeben, um diese überteuerten, aber notwendigen Produkte zu verstecken.
Die einfachste Lösung, um den Perioden-Alltag von Menstruierenen zu vereinfachen, wäre es, auf öffentlichen Toiletten, Festivals und auch in der eigenen Wohnung Toiletten-Eimer, Hygienebeutel und Handseife bereitzustellen. Und wenn wir schon dabei sind, dann bitte doch auch gleich kostenfreie Tampons, Binden und Co. Aber nein, damit lässt sich schließlich kein Geld machen.
Fakt ist: Wir brauchen keine pinken Perioden-Handschuhe, die nur für Frauen vermarktet werden und Transgender oder intergeschlechtliche Personen ausschließen. Wir brauchen kein zusätzliches Produkt, das unsere Periode versteckt, verschleiert und unsichtbar macht.
Was wir wirklich brauchen ist Aufklärung, Nicht-Menstruierende, die zuhören und uns nicht um unserer Geld bringen wollen. Was wir wirklich brauchen ist eine Veränderung in der Denkweise. Eine Enttabuisierung der Periode. Wir bluten - kommt drüber hinweg!
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