Wolfgang Schäuble: Um 22.04 Uhr hörte er 2 Schüsse – dann spürte er seine Beine nicht mehr
Wolfgang Schäuble (†) wurde am 12. Oktober 1990 Opfer eines Attentats. Das war der Moment, der alles veränderte...
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Wolfgang Schäuble: Seine überraschten Leibwächter reagierten zu spät...
Es war der 12. Oktober 1990. Aus dem Gasthaus Brauerei Bruder in Oppenau (Baden-Württemberg) dröhnte am Abend Jubel und Applaus. CDU-Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble (damals 48) war zu einem Wahlkampftermin in seinem Heimatwahlkreis angetreten und hatte vor rund 300 Zuhörern anderthalb Stunden lang eine Rede gehalten. Schließlich wollte sich der inoffizelle „Kronprinz“ von Bundeskanzler Helmut Kohl wieder auf den Weg machen. Von etlichen Menschen umringt ging der Innenminister Richtung Ausgang. Und niemand ahnte, was ein Mittdreißiger in einer schwarzen Lederjacke im Schilde führte. Der Mann drängte sich in Schäubles Nähe, dann ging alles blitzschnell. Die überraschten Leibwächter reagierten zu spät. Um 22.04 Uhr hörte der Politiker zwei Schüsse, dann spürte er seine Beine nicht mehr.
„Ich dachte, da sind Luftballons geplatzt“, so ein Reporter, der direkt neben Wolfgang Schäuble stand. Der Angreifer hatte von hinten gezielt und aus einem halben Meter Entfernung mit einem Revolver Smith & Wesson, Kaliber 38, zweimal abgedrückt. Besonders heimtückisch: Die Waffe war mit spezieller Munition geladen, die sonst Jäger für den Fangschuss benutzten, sie riss extra große Wunden. Der Minister wurde in Kiefer und Rückenmark getroffen und brach zusammen – genau unter einem Plakat, das seinen Besuch angekündigt hatte.
Der Täter wurde niedergerungen und festgenommen, doch dabei schoss er noch ein drittes Mal und verletzte einen Personenschützer an Hand und Bauch.
Wolfgang Schäuble: "Warum habt Ihr mich nicht sterben lassen?"
Wolfgang Schäuble wurde sofort in die Universitätsklinik Freiburg geflogen. Mehrere Tage kämpften Ärzte um das Leben des vierfachen Vaters. Eine Kugel hatte sein Rückenmark verletzt. „Als er aufwachte, wusste er schon, dass er gelähmt ist“, verriet seine Ehefrau Ingeborg später. „Da hat er gesagt: ,Warum habt Ihr mich nicht sterben lassen?‘ “
Zuvor war der promovierte Jurist sehr sportlich gewesen, spielte gern Tennis. Nun würde er nie wieder gehen können, auf den Rollstuhl angewiesen sein.
Ironie des Schicksals: Wolfgang Schäuble kannte den Attentäter namentlich. Dieter Kaufmann (damals 36) war lange drogenabhängig und nach mehreren Selbstmordversuchen bereits in psychiatrischer Behandlung gewesen. Weil er Schulden hatte, verkaufte er Drogen. In Spanien wurde er 1982 wegen des Besitzes von 20 Kilogramm Haschisch festgenommen. Schäuble setzte sich dafür sein, dass Kaufmann seine Strafe in der Bundesrepublik verbüßen konnte. Hier saß er bis 1988 im Gefängnis.
Nach seiner Entlassung war Dieter Kaufmann der Überzeugung, der Staat würde über Radio und Fernsehen direkt in die Gehirne der Bürger eingreifen, man würde „elektrischen Wellen“ und „Lauttechnik“ einsetzen, um die Menschen zu foltern. Vorsätzlich fügten geheime Beauftragte den Bürgern „elektrolytisch erhebliche Schmerzen“ zu, unter anderem „im Zwölffingerdarm und im Kopf“. Die Schuld daran gab er in erster Linie Schäuble.
Die Tatwaffe und die Patronen hatte Kaufmann aus dem Waffenschrank seines Vaters entwendet. Der Attentäter wurde zwar angeklagt, aber wegen erwiesener Schuldunfähigkeit auf unbegrenzte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen. 2004 kam er frei, blieb aber dauerhaft in Behandlung. Er starb 2019.
Wolfgang Schäuble: Mit eiserner Disziplin kämpfte er sich ins Leben zurück
Wolfgang Schäuble setzte seine Karriere nach nur sechs Wochen fort. Den Abschied aus der Politik, zu dem ihm seine Familie geraten hatte, lehnte er ab. Gelähmt im Rollstuhl zu sitzen, habe ihm aber anfangs schwer zugesetzt, gestand er. Doch mit eiserner Disziplin kämpfte er sich ins Leben zurück.
Mit 81 Jahren ist Wolfgang Schäuble verstorben. In der Geschichte der Bundesrepublik war er der am längsten amtierende Bundestagsabgeordnete – 1972 fing er an, vor 50 Jahren. Und von Aufhören war für ihn nie die Rede. „Ich bin Parlamentarier mit Leib und Seele“, sagt er einmal.
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Artikelbild & Social Media: IMAGO / Reiner Zensen