Als Mann in Elternzeit: Was hat sich in 25 Jahren geändert?
Als Mann in Elternzeit zu gehen, ist gar nicht so normal, wie es klingt. Wir haben nachgefragt, wie sich das für einen Vater anfühlt, der die Elternzeit übernommen hat: 1993 und 2018. Was hat sich in 25 Jahren getan?
Anfang 1993, etwa ein halbes Jahr nach meiner Geburt, ist mein Vater in Elternzeit gegangen. Drei Jahre lang blieb er zuhause und kümmerte sich um mich - während meine Mutter arbeitete und das Geld nachhause brachte. Diese Rollenverteilung ist heute noch immer ungewöhnlich. Vor 27 Jahren war sie das erstrecht.
Statistiken zeigen, dass in Deutschland zwar mittlerweile jeder dritte Mann in Elternzeit geht - aber im Schnitt nur für 3,1 Monate. Bei Frauen sind es hingegen 11,6 Monate. Dabei können rein rechtlich beide Erziehungsberechtigten, Mutter und Vater, in Elternzeit gehen. Aber fühlt sich das wirklich so normal an, wie es sein sollte? Wie weit ist die Gleichberechtigung fortgeschritten, wie hat sich die Rollenverteilung verändert - und vor allem: Wie reagiert die Gesellschaft, wenn man als Mann in Elternzeit geht?
Zum Vatertag haben wir nachgefragt. Wie war es, Anfang der 90er als Mann zuhause zu bleiben? Das weiß mein Vater, der vor 27 Jahren noch ein Pionier auf dem Gebiet männlicher Elternzeit war. Wie sieht es heute aus? Das beantwortet uns unser Chef Berno, der heute Vater einer Tochter ist und bald wieder in Elternzeit geht.
Ein Mann in Elternzeit - 1993
Hallo Papa! Sag mal, warum bist du eigentlich damals in Elternzeit gegangen?
„Das war damals eine ganz sachliche Geschichte. Einfach weil deine Mutter mehr verdient hat als ich. Deswegen bin ich in Elternzeit gegangen. Das war für mich keine Überlegung soziologischer Art sondern ganz praktische Erwägung."
Wie hat dein Chef reagiert? Hatte die Elternzeit berufliche Konsequenzen?
„Das Gute war, dass bei mir die berufliche Richtung ohnehin gerade erst anfing. Es gab also keine alteingesessenen Floskeln wie, ‚jetzt machst du keine Karriere mehr'. Ich war eh noch am Anfang. Also bin ich einfach zu meiner Chefin, das war eine Frau, gegangen und habe gesagt, so, das war’s dann jetzt.
Das war für mich wahrscheinlich erleichternd, die fand das glaube ich ganz gut. Die fand das okay, die Kollegen sowieso. Die fanden das aber schon ein bisschen merkwürdig."
Woran hast du das gemerkt?
„Sie haben es nicht einfach hingenommen sondern sehr viel nachgefragt – wie du es jetzt ja auch tust. Es war halt exotisch. Das machte zu dem Zeitpunkt keiner. Ich kenne auch nach wie vor keinen Mann, der in dem Umfang von vornherein in Elternzeit gegangen ist. Man kann ja heutzutage für zwei oder drei Monate die Väter mit ins Boot holen mit der Elternzeit. Dass nur Väter die Elternzeit machen ist damals wie heute glaube ich auch noch selten."
War die Wiedereingliederung in den Job schwierig?
„Das war kein Problem. Der öffentliche Dienst ist da sehr flexibel, das klappt wirklich gut.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich dann auch nicht traurig war, wieder zu arbeiten. Irgendwann ist das Thema Säuglingshaut, was Kinder essen, den Haushalt schmeißen…nicht mehr so spannend. Nach hunderten Malen Wäsche waschen und falten freut man sich, auch mal wieder über etwas ganz Anderes nachzudenken.“
Haushalt, Wickeln, Kind bespaßen: Wie war denn generell die erste Zeit mit mir alleine?
„Ich fand das super. Ich dachte ja wirklich, jetzt fängt ein neues Leben an, ich werde jetzt Hausmann mit allem drum und dran. Erstmal habe ich das genossen.
Dann tauchten die ersten Fragezeichen im Alltag auf. Was ist eigentlich, wenn ich mit meiner Tochter unterwegs bin und wir müssen zur Toilette? Auf welche Toilette geht man dann? Damals gab es noch keine Herrentoiletten mit Wickeltisch. Da stellte sich wirklich die Frage: Was mache ich denn jetzt bloß? Ich kann ja nicht auf eine Damentoilette gehen, da kriege ich Ärger. Dich mit aufs Herrenklo zu nehmen, ist aber auch nicht so lustig. “
Was hast du denn dann gemacht?
„Ich habe ein Behindertenklo mit Wickeltisch gefunden. Das hat mich gerettet.“
Wie haben die Menschen in deinem Umfeld darauf reagiert, dass du als Mann die Elternzeit übernommen hast?
„Wenn man - das war wirklich nervig – mit seiner Tochter auf den Spielplatz geht, was wir ja oft gemacht haben, da war man als Mann…sehr alleine. Da gab es Massen an Frauen, die sich kannten und ihre Kaffeekannen dabei hatten - die haben dann immer komisch geguckt, wenn ein Mann alleine da herumlief. Eher misstrauisch, nach dem Motto, ‚nicht dass der meinem Kind was tut'.
Ups. Jetzt danke ich dir erstrecht für unsere unzähligen Spielplatzbesuche und deine Geduld. Hattest du da Probleme?
„Es war, glaube ich, einfach nur ungewöhnlich. Aber wirkliche Probleme, nee. Dass Elternzeit auch von Vätern genommen werden kann, ist auch heute noch nicht angekommen, glaube ich. Damals gehörte ich sicherlich mit zu den ersten, die das gemacht haben. Aber Fremdkörper sind Männer in Elternzeit heute noch, was man so hört."
Danke, Papa. Für das Interview, die Elternzeit, 500 Stunden Vorlesen (mindestens), Eispausen am Autodach, Fahrradtouren, das Beschützen vor Schwänen, Tauchen lernen und das Saubermachen, wenn ich meinte, in Rindenmulch auf besagtem Spielplatz baden zu müssen. Du hast einen tollen Job gemacht!
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25 Jahre später: Ein Vater in Elternzeit 2018
Wie lange warst du in Elternzeit? Wie haben du und deine Frau sich darauf geeinigt, wer wie lange zuhause bleiben wird?
„In Summe habe ich beim ersten Kind zwei Monate Elternzeit genommen. Also die zwei Monate in denen man auch Elterngeld bekommt. Ich habe den ersten Monat direkt zur Geburt genutzt, den zweiten Monat habe ich dann 13 Monate später genommen. Meine Frau befand sich zu der Zeit in den letzten Zügen ihrer Ausbildung, aus wirtschaftlicher Sicht war es für uns daher klar, dass ich weiterarbeiten würde und sie ihre Ausbildung für die Zeit pausiert. Wir haben den ersten Monat genutzt, um uns auf das neue Leben einstellen zu können und der Herausforderung gemeinsam begegnen zu können. Dafür war ein Monat eine gute Zeitspanne. Meinen zweiten Monat der Elternzeit haben wir so genutzt, dass meine Frau ihre Abschlussprüfungen ablegen konnte."
Wie hat dein Chef reagiert, als du gesagt hast, dass du in Elternzeit gehen wirst?
„Meine Chefs haben allesamt sehr positiv reagiert, dadurch konnte ich direkt mit einem guten Gefühl starten und alles Weitere mit ihnen ganz offen besprechen. Also im Prinzip so reagiert, wie man es in der heutigen Zeit erwarten würde – ist aber eben auch nicht immer und überall so klar. Daher habe ich das schon als besonders wahrgenommen. Sie haben sich in erster Linie für mich und mein privates Leben gefreut. Passenderweise war meine Vorgesetzte in derselben Situation wie ich. Das hatte zur Folge, dass wir uns gemeinsam und im Sinne von anstehenden Projekten abgestimmt haben. Für die Zeit selber war das sehr wichtig, so konnte ich wohl mit einem noch besseren Gefühl in den jeweiligen Monat starten. Es war allerdings nicht ganz einfach, da der zweite Monat bereits vor Geburt für den Bezug des Elterngeldes festgelegt sein muss. Wir haben allerdings einen Weg gefunden, wie wir das im Nachhinein nach Projektlage festlegen konnten."
War die Wiedereingliederung in den Job schwierig?
„Am Ende war ich jeweils ‚nur' einen Monat weg, das fühlte sich eher nach einem längeren Urlaub an. Deswegen war es mehr ein Gefühl des Zurückkommens nach etwas längerer Zeit, als Wiedereingliederung. Am Ende hatten sich einzelne Themen einfach nur etwas weiterentwickelt. Ich konnte alles mit meinen Vertretern innerhalb von wenigen Tagen aufsetzen und auch wieder reinkommen. Das ist wohl ein Vorteil, wenn man seine Monate splittet."
Wie haben die Menschen in deinem Umfeld darauf reagiert, dass du als Mann auch Elternzeit nimmst?
„Die Reaktionen waren durchweg positiv und verständnisvoll, in meinem Umkreis wurde das nicht als eine Besonderheit angesehen. Aber es gibt natürlich Unterschiede, so hatte ich auch Diskussionen wie ‚wer so lange wegbleiben kann, ist nicht wichtig genug im Unternehmen'. Das trifft zum Glück nicht mehr auf die heutige Arbeitswelt und auf moderne Unternehmen zu. Es ist inzwischen vielmehr so, als dass sich alle gegenseitig jederzeit vertreten können, es also kein Insel-Wissen oder Silos innerhalb von Unternehmen und Teams gibt. Mir ist bewusst, dass dieser Ansatz nicht überall so ist und gelebt wird. Es macht Elternzeit aber umso einfacher und daher ist die Reaktion im Unternehmen auch so entspannt bzw. passend."
Wie war der erste Tag alleine mit deinem Kind?
„Alle Tage sind sehr besonders. Die ersten Tage alleine mit meiner Tochter waren dann noch intensiver. Es war durchaus anstrengend und natürlich komplett anders zum Joballtag. Was ich für mich als sehr besonders empfand, ist die alleinige Bindung, die man damit eingeht. Es ist für den Anfang wichtig und toll als Eltern Entscheidungen und Dinge gemeinsam zu machen, um in die neue Aufgabe rein und zusammen zu wachsen. Die Tage alleine mit der Tochter übernimmt man diese Aufgabe wieder alleine, das merkt man direkt am ersten Tag. Auch dadurch war die gemeinsame Zeit noch intensiver."
Gab es als Vater einer Tochter Herausforderungen im Alltag?
„Im ersten Schritt ist alleine einen Alltag zu finden schon auch eine Herausforderung, das gilt sicherlich für die allererste Zeit. Im zweiten Monat, also nach dem ersten Jahr, gab und gibt es immer noch neue Herausforderungen, aber keine die man sich nicht gerne stellen würde oder die speziell aus Vater-Tochter-Beziehung ergeben."
Vielen Dank, Berno, für das offene Gespräch!
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