Lehrer mobbt Schüler: Was kann ich als Mutter tun?
Dein Kind wird von einem Lehrer gemobbt und du weißt nicht, was du tun sollst? Was hilft, was macht alles nur schlimmer? Familientherapeutin Marthe Kniep weiß Rat.
Manchmal nervt Schule einfach. Dann haben vor allem pubertierende Schüler keine Lust, sich aus dem Bett zu pellen, um sich an den Ort des Lernens zu bewegen. Doch es gibt auch junge Menschen, die nicht mehr zur Schule gehen wollen, weil ihnen dort ein Lehrer oder eine Lehrerin das Leben schwer macht.
Wann Lehrerverhalten in Mobbing übergeht
Von Mobbing sprechen wir, wenn ein Kind über einen längeren Zeitraum (meist mehrere Wochen) durch einen Lehrer schikaniert und beschimpft oder bloßgestellt wird, anhaltend und nicht immer zutreffend als pauschaler Störenfried in einer Gruppe verurteilt wird oder ungerechtfertigt schlechter beurteilt wird als andere. Auch seelische Grausamkeiten wie die Isolation eines Schülers aus der Gruppe, das Verbreiten falscher Tatsachen, das Ausführenlassen sinnloser Arbeiten oder die Androhung von Gewalt gehören dazu.
Mobbing in der Schule: Wann Eltern handeln sollten
Doch Eltern sollten ruhig schon für ihr Kind aktiv werden, bevor das Fehlverhalten des Lehrers der Definition nach nachweislich zu Mobbing geworden ist. Denn der Leidensdruck muss sich nicht erst bis aufs Unerträgliche steigern. Je früher Eltern der Schule mitteilen, wie schlecht es dem Kind mit bestimmten Situationen und Personen geht, desto eher kann nach einer Lösung gesucht werden.
Manche Eltern scheuen davor zurück, weil sie vielleicht befürchten, als überengagiert oder zu aufgeregt wahrgenommen zu werden. Doch letztlich ist es ja so: Ihr Kind leidet. Also müssen sie nach einer Lösung suchen. Und zwar unabhängig davon, wie andere das sehen. Die Eltern kennen das Kind schließlich am besten und beobachten es. Veränderungen in der Lebensfreude und Vitalität fallen oft zu Hause als erstes auf und sind erstzunehmende Hinweise, dass das Kind elterliche Unterstützung braucht.
Warnhinweise, dass das Kind an der Schule Probleme hat
Manche Kinder sprechen zu Hause an, was sie bedrückt. Andere „verschlüsseln“ es und entwickeln Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, werden aggressiv, verschlafen ständig oder verpassen auf dem Weg in die Schule mehrfach Bus oder Bahn, um die Ankunft in der Schule zu verzögern. Andere bekommen diffuse Symptome, werden antriebslos, verschlechtern sich erheblich in den Leistungen oder kiffen und trinken, um mit dem Druck vermeintlich besser umzugehen. Das geht bis zur Schulverweigerung. Eltern sollten bei solchen Anzeichen hellhörig werden und diese Verhaltensweisen nicht vorschnell der Pubertät oder anderen Entwicklungsschritten zuordnen. Denn es kann immer auch ein ernstes Problem dahinterstecken. Deshalb immer nachfragen: „Kann es sein, dass du gerade ein Problem hast, mit dem du allein nicht fertig wirst?“
Was kann ich tun, wenn mein Kind gemobbt wird?
1. Das Kind stärken
Manche Kinder haben einfach (noch) kein dickes Fell, mit dem sie einem rauen Schulalltag gelassen begegnen können. Und besonders Kinder, die noch nicht um ihre Stärken wissen und deren Selbstwertgefühl noch nicht ganz stabil ist, nehmen sich gemeine Sprüche oder forsche bis laute Ansprache und unsensibel formulierte Kritik sehr zu Herzen. Sie können noch kein Kontra geben und trauen sich nicht, aus der Situation auszubrechen.
Deshalb ist es wichtig dem Kind zu vermitteln, dass Sie als Eltern hinter ihm stehen, an es glauben – auch, was es erzählt – und dass sie es unterstützen, eine Lösung zu finden. Mitgefühl ist jetzt wichtig. Gern auch in Worten: „So wie du das erzählst, muss das ja schlimm für dich sein.“
Wichtig ist es, dem Kind nicht noch den eigenen Kummer oder Ärger über die Situation zum Problem werden zu lassen. Hier ist es besser, sich bei einer Freundin, dem Partner oder dem anderen Elternteil Luft zu machen.
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2. So objektiv wie möglich bleiben
So sehr man sein Kind liebt, ist es nicht immer ein Engel. Vielleicht hat es sich wirklich auch mal unmöglich benommen und der Lehrer seine Fassung verloren. Oder das Kind muss sich in seinen sozialen Kompetenzen tatsächlich noch erheblich weiterentwickeln. Wenn ein Kind in der Schule auf neue Verhaltensweisen und andere Menschen trifft, ist das schließlich nicht für alle Kinder gleich einfach zu lösen und Konflikte sind vorprogrammiert.
Deshalb sollte man als Eltern zumindest hinhören, was die Lehrer berichten und erwägen, dass auch das Kind einen Teil zur Eskalation beigetragen haben könnte. Dann ist es trotzdem in erster Linie dem Lehrer anzulasten, wenn er nicht souverän reagiert, sondern seinerseits die Grenzen des Angemessenen überschreitet. Dennoch ist manchmal auch ein erstes Wörtchen mit dem eigenen Filius nötig. Diesen Teil vermissen heute viele Lehrer bei Eltern.
3. Kontakt zum Vertrauenslehrer herstellen
Manchmal möchten Kinder (gerade Jugendliche) nicht mit ihren Eltern über die Vorfälle reden. Für sie kann der Vertrauenslehrer ein wichtiger Ansprechpartner sein. Der Hinweis an das Kind, dass es für einen als Eltern okay ist, wenn das Kind sich einer neutralen Person anvertraut, kann die Bereitschaft des Kindes dafür stärken. Der Vertrauenslehrer hat Schweigepflicht, kennt meist die betroffenen Lehrer und typische Schulsituationen und kann daher besonders passende Tipps geben. Er kann auch vermitteln, wenn es dem Schüler Recht ist.
4. Elternrat ansprechen
Jede Schule hat einen Elternrat. Dessen Aufgabe ist unter anderem, bei Problemen dieser Art zu vermitteln, bevor die Schulleitung einbezogen wird. Im Elternrat sitzen nicht selten Eltern, die die Schule und ihre Lehrer schon länger kennen und wissen, mit wem es öfter mal schwierig ist. Den Elternrat kann man im Vertrauen ansprechen und um dessen Einschätzung bitten. Diese Orientierung ist oft ganz hilfreich.
5. Um Termin mit Klassenleitung bitten
Dann kann (auch gern mit einem Mitglied des Elternrates) ein Gespräch mit der Klassenleitung und den Eltern des gemobbten Kindes vereinbart werden, in dem die Vorfälle geschildert werden und sich jeder dazu äußern kann. Die Einbeziehung des „mobbenden Lehrers“ wird normalerweise die Klassenleitung übernehmen. Auch er bzw. sie muss seine Sichtweise schildern dürfen.
Eine hilfreiche Grundlage ist eine Liste der Vorfälle mit Datum und möglichen Zeugen zu erstellen und auszuhändigen. Je nach Alter des Kindes ist es sinnvoll, das Kind zumindest an einem Teil des Gespräches zu beteiligen. Denken Sie daran, ein Protokoll dieser Sitzung anzufertigen, dass hinterher alle bekommen und dessen Inhalt alle zustimmen müssen. Hier gilt das Motto: Wer schreibt, der bleibt. Denn wenn es möglicherweise ein juristisches Thema wird, haben Sie etwas Konkretes in der Hand.
6. Schulleitung einbeziehen
Konnten keine zufriedenen Lösungen oder konkreten Schritte erarbeitet werden, die zu einer Verbesserung der Situation führen sollen, muss die Schulleitung einbezogen werden. Auch dann, wenn sich alles zu lange hinzieht. Nicht ungewöhnlich und gewissermaßen verständlich ist es, wenn ein Schulleiter zunächst beruhigend oder beschwichtigend auf die Eltern einwirken möchte. Machen Sie weiter klar, dass es sich hier um keine Bagatelle handelt und versuchen Sie, der Schulleitung bis zum Ende des Gespräches konkrete Ideen zu entwickeln, wie die Situation entschärft werden kann. Schule ist eine Behörde und die Mühlen mahlen oft langsam. In diesem Moment keine unnötigen Wochen ohne Veränderung hinzunehmen ist wichtig für das Kind. Es muss merken, dass etwas passiert, damit es noch weiter durchhält.
7. Klassenwechsel oder Schulwechsel erwägen
Oft hilft ein Klassenwechsel, durch den ein Schüler dem leidigen Lehrer entkommt. Doch es kann sein, dass das Kind bereits so mitgenommen ist, dass ein Schulwechseln sinnvoller ist, um das Alte hinter sich lassen zu können. Dies trifft vor allem dann zu, wenn das Kind durch die beschämenden Situationen eine Stellung in der Schule zugeschrieben bekommen hat, die ihm bei einem Verbleib weiter anhaften würde. Was immer auch durch die Erwachsenen erwägt wird: Was auch zählt, ist, was dem Kind die liebste der denkbaren Lösungen wäre.
Leider ist ein Schulwechsel oft mit dem Verlust netter Mitschüler verbunden. Das ist ungerecht, weil die Kinder oft nichts dafürkönnen, wenn ein Lehrer sie fertig macht. Doch die Idee, einen Lehrer aus der Klasse oder gar aus der Schule herauszukriegen gleicht oft dem Kampf gegen die Windmühlen.
Hier formulieren wir es mal etwas drastischer: So lange ein Beamter nicht schlägt oder klaut, ist es schwer, ihn loszuwerden. Der Lehrermangel macht es nicht besser und führt leider manchmal dazu, dass auch Personen auf unsere Kinder losgelassen werden, die charakterlich für den Lehrerberuf ungeeignet sind.
Kennst du dein Kind? (Artikel geht unter dem Video weiter):
8. Handeln, handeln, handeln!
Sich mit unterschiedlichen Schulformen zu befassen, mit dem Kind in Frage kommende Schulen anzuschauen und genau zu hinterfragen, was zu meinem Kind passen könnte, ist jetzt entscheidend. So merkt Ihr Kind, dass aktiv an einer Lösung gearbeitet wird und es kann sich selber einbringen. Viele Schulen bieten Schnuppertage an, damit das Kind sich einen Eindruck von der Schule und Klasse machen kann, in die es möglicherweise wechseln könnte. Normalerweise sind Wechsel auch zu jeder Zeit im Schuljahr möglich und Freistellungen für die Schnuppertage vom laufenden Unterricht nach schriftlicher Beantragung kein Problem. Je schneller sich die Situation ändert, desto besser.
Die ganze Familie muss überlegen und in sich hineinhören, welche Veränderungen nötig und gleichzeitig zu verkraften sind. Oft geht es um längere Schulwege oder höhere Kosten. Das Gespräch darüber ist entscheidend und die Einbeziehung des Kindes wichtig, damit es sich nicht länger fremdbestimmt oder ausgeliefert fühlt.
Denn zum Glück gibt es auch viele super engagierte und fähige Lehrer. Und manches Problem kann mit einer engagierten Lehrerschaft und Kooperation mit der betroffenen Familie auch vor Ort gelöst werden. Dennoch: Haben Sie selber als Eltern das Gefühl, dass die Schule nicht angemessen reagiert und der betreffende Lehrer wirklich so schlimm ist, dann fackeln Sie nicht lange und holen Sie Ihr Kind da raus. Brauchen Sie dazu Rückenstärkung, bereiten Sie Ihre Schritte in einer Familienberatung gut vor. Mit Hilfe geht vieles leichter und unnötig verbrannte Erde braucht jetzt auch niemand. Das Kind soll würdevoll aus der Situation rausgehen dürfen, denn es kann nichts für diesen Lehrer!
Und eins noch zum Schluss: Besser Sie werden als Mamazilla abgestempelt, als wenn Sie und Ihr Kind unter der Schulsituation leiden. Die Leute reden sowieso. Doch wenn Sie gerade betroffen sind, ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, nur auf die Menschen zu hören, die Sie stärken und Ihr Kind mit liebevollen Augen sehen. Alle andern sind Krafträuber. Und die helfen nie, erst recht nicht, wenn ihr Kind von einem Lehrer gemobbt wird, also einem Menschen der für ihr Kind erstmal scheinbar am längeren Hebel sitzt.