Nach der Geburt: Was viele Mütter heimlich denken, aber niemals sagen würden
Geheime Gedanken von Müttern nach der Geburt – eine Mutter verrät, was Mütter in der ersten Zeit mit Baby nicht zu sagen wagen – und wo es Hilfe gibt.
Autorin: Familientherapeutin Marthe Kniep
10 geheime Gedanken frisch gebackener Mütter
Die Geburt eines Kindes ist immer wieder ein Wunder. Unfassbar, was dabei in einer Frau vorgeht. Sie darf dadurch auf viele schöne Momente hoffen, die nur Mutterschaft möglich macht.
Doch es gibt auch diese Momente, in denen Zweifel aufkommen. Weil man vielleicht nicht gleich verrückt vor Glück ist, sondern vor allem überfordert. Weil der eigene und fremde Erwartungsdruck schwer wiegt und man Schiss kriegt, ob das alles richtig war und gut gehen wird.
Und als ob das nicht schon genug ist, schämen Mütter sich noch für diese Gedanken. Als scheint es einen Glückszwang zu geben: Du hast glücklich und dankbar zu sein! Sonst bist Du keine gute Mutter.
Dabei sind solche Gefühle ganz normal. Aus eigener Erfahrung und vielen Gesprächen in der therapeutischen Praxis weiß ich, dass viele Mütter irgendwann mal solche Gedanken haben, für die sie sich schämen. Doch selbst unter guten Freundinnen halten viele damit hinterm Berg. Schade eigentlich, weil es so entlasten könnte, wenn hier mehr Offenheit möglich wäre.
Die heimlichen Mütter-Gedanken
Damit Sie nicht länger das Gefühl haben, die Einzige zu sein, die zweifelt oder hadert, bekommen Sie hier einen kleinen Überblick über häufige heimliche Mütter-Gedanken.
»Oh Gott! Es gibt kein Zurück mehr«
Es gibt in den ersten Tagen nach der Geburt einen sonderbaren Moment bei vielen Müttern, in dem ihnen plötzlich ganz deutlich aufgeht: Das ist jetzt meins. Das kleine Bündel, das da vor mir liegt und das ich nicht verstehe. Und ich muss mich kümmern. 20 Jahre und länger. Kein Weg zurück.
Verbunden mit dem unvermeidlichen hormonellen Durcheinander melden sich dann plötzlich Gefühle, die wir nicht haben wollen: Zweifel, Reue, Angst vor Selbstaufgabe, Zukunftsängste. Und zwar auch bei Müttern, die sich sehnlichst dieses Kind gewünscht haben. Diesen Realitätsschock muss man erst mal ankommen lassen. Mutter werden ist deshalb ein Prozess, der nicht am Tag der Geburt beendet ist. Nein. Es fängt jetzt erst richtig an.
»Es war ein Fehler, das Kind zu kriegen«
Manche Wöchnerin befindet sich an einem Punkt in ihrem Leben, wo alles Kopf steht, alles schwierig und ungewiss scheint. Und dann ein Kind großziehen? Vielleicht noch allein? Es kommen Gedanken an die frühe Schwangerschaft auf: Da hätte man es noch abwenden können. Doch bei vielen war der Konflikt zu groß, um sich einen Abbruch zu erlauben. Oder der Partner dagegen gewesen und man hatte Angst, ihn zu verlieren.
Sich in so einem Moment liebevoll dem Kind zuzuwenden kann sehr schwer sein und tiefe Krisen verursachen. Doch jetzt ist das Baby da und braucht genau diese Zuwendung. Wer hier Hilfe im Gespräch mit professionellen Beratern sucht, kann Wege finden, um die Situation zu bewältigen (Tipps unten). Da muss niemand allein durch.
»Hoffentlich ist mein Mann/fester Partner der Vater«
Wir sind nicht alle Heilige und nicht jedes Kind ist das Produkt treuer Ehepartner. Deshalb gibt es mehr „Kuckuckskinder“ als viele denken. So kommt es immer wieder zu Situationen, in denen große Erleichterung eintritt, wenn das Kind schon bei der Geburt demjenigen ähnlich sieht, der die Vaterrolle einnehmen soll oder der sich für den Vater hält. Manchmal weiß nur die Mutter, dass das auch anders hätte laufen können. War der Erzeuger vielleicht doch ein anderer als gehofft und vermittelt, wird es eines Tages Thema werden. Früher oder später. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
»Mir ist langweilig mit dem Baby«
Zuerst ist alles neu und aufregend und es gibt jede Menge „erste Male“, wenn es um die Versorgung des Kindes geht. Viel zu lernen. Aber mit der Zeit hat man die Basics drauf. Und ist das Kind gesund, heißt es für viele Mütter: Den Tag rumkriegen, bis das Kind wieder schlafen gelegt werden kann oder zumindest, bis der Mann nach Hause kommt.
Das ist ehrlichgesagt hin und wieder langweilig. So sehr wir die Kleinen lieben und uns über jedes Lachen freuen. Aber manchmal scheint der Tag endlos. Denn viel kann so ein Baby nun mal noch nicht machen und es schränkt die eigenen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung deutlich ein. Darüber jammert niemand ernsthaft. Aber man mag es kaum laut sagen, weil es undankbar klingt und ein bisschen lieblos. Also sagt man lieber nichts. Zeit vergeht. Irgendwann ist es wieder anders. Und es wird auch wieder Tage geben, in denen man sich diese Langeweile zurück wünscht.
»Ich hasse, dass das Kind meiner (Schwieger-)Mutter ähnlich sieht«
„So hübsch meine Tochter ist: Sie sieht doch eindeutig ihrer Oma ähnlich.“ Eine nicht immer willkommene Erkenntnis für die frisch gebackene Mutter. Oma hingegen freut sich meistens wie Bolle. Ob das zum Problem wird, hängt natürlich auch davon ab, wieviel Konfliktpotenzial die Mutter-Tochter-Beziehung birgt. Haben beide noch eine Rechnung offen, erinnert das Baby nun jeden Tag daran. Doch es kann nichts dafür. Lassen Sie Milde walten und der Oma ihre Freude. Klappt das nicht, ist vielleicht eine Stunde auf der Couch eines guten Therapeuten angesagt, damit ihr Kind nicht unter der unfreiwilligen Ähnlichkeit mit Oma leiden muss. Dasselbe gilt na klar für Ähnlichkeiten mit Opa.
»Ich werde nie eine gute Mutter«
Ja. Ja. Der Mythos der guten Mutter. Der hat schon mancher die Babyphase versaut oder zumindest erschwert. Wir hängen die Messlatte sooooo hoch und entwickeln eine irrige Vorstellung davon, wie schön und leicht alles wird, wenn wir uns nur ordentlich anstrengen. Quatsch. Es gehört dazu, dass man als Mutter Momente erlebt, in denen die Welt aus den Fugen gerät, wir die Kontrolle verlieren, ratlos, überfordert sind oder einfach nur müde im Chaos versinken. Tageweise. Wochenweise. Aber zum Glück nie durchgehend.
Man gewöhnt sich ein bisschen daran. Das merkt man daran, dass viele beim zweiten Kind irgendwie gelassener sind. Aber das dauert und das ist mit Annahme der Wirklichkeit verbunden, dass man es eben nicht perfekt machen kann. Weil gar nicht immer klar und eindeutig ist, was wirklich perfekt ist und was das Kind jeden Tag aufs Neue braucht. Machen Sie es so gut Sie können. Das ist viel.
»Wieso hab nur ich es nicht im Griff?«
Es gibt klassische innere Dialoge, die ganz viele Mütter kennen: „Ich bin die einzige Mutter, die immer fertig und schmuddelig aussieht und ständig komisch drauf ist. Die anderen kriegen es alle besser hin als ich. Da sehen auch die Kinder immer sauber aus, sind so lieb und genügsam. Meins scheint nie zufrieden und schreit immer... Es muss an mir liegen…“
Glauben Sie mir: Fast jede Mutter spricht mal so zu sich selber. Unter anderem deshalb werden Mutter-Kind-Kuren oft als so hilfreich erlebt, weil sie Raum geben, mal offen von anderen zu hören, dass es ihnen genau so geht. Kinder zu haben heißt nun mal, dass andere jetzt das Leben mitgestalten. Was heißt da schon, alles im Griff haben!? Wer diesen Anspruch an sich aufrechterhält erlegt sich selber das Scheitern auf.
»Ich verstehe mein Kind nicht! Was will es nur?«
„Was hat es nur? Ich hab doch schon alles versucht.“ Kaum eine Mutter ist in dieser Sache Hellseherin. Aber trotzdem wird scheinbar oft vorausgesetzt, dass Mütter automatisch und schnell die Bedürfnisse ihres Kindes spüren. Doch das ist nicht so leicht - um nicht zu sagen manchmal echt schwer.
Trotzdem glauben ratlose Mütter (seltener die Väter), dass sie die einzigen Versagerinnen auf diesem Gebiet sind. „Das Kind lesen zu lernen“, wie es oft in Ratgebern heißt, ist aber neben der Bewältigung des Schlafmangels die schwerste Aufgabe von Eltern. Wichtige Ressourcen einer Mutter sind deshalb Geduld und Nachsicht mit sich selbst. Und nicht zu vergessen: Die Fähigkeit, sich Hilfe zu holen.
»Ich will nicht, dass seine Eltern sich um unser Kind kümmern«
Eine Frau liebt zumeist den Vater ihres Kindes. Aber nicht immer läuft es gleich gut mit seinen Eltern. Manche finden die Schwiegereltern sogar unmöglich. Doch viele Frauen mögen es dem Mann nicht sagen, dass sie ihr Baby nicht unbeaufsichtigt mit den Schwiegereltern allein lassen wollen. Es hilft aber nichts. Sie als Eltern sind verantwortlich für das Baby. Und wenn Sie den Eltern Ihres Mannes kein Vertrauen schenken können, können Sie das nicht übergehen.
Kinder befördern nun mal oft zu Tage, was im Hintergrund eh schon problematisch war. Jetzt gehen die Belastungsproben ihrer Partnerschaft so richtig los. Offenheit ist hier zwar anstrengend. Aber Schweigen und Ausharren binden zu viel Energie. Das können Sie sich als Mutter nicht leisten. Also: Klären!
»Hoffentlich wird meine Muschi jemals wieder heil«
Neben allen inneren Konflikten wollen wir den Körper nicht vergessen. Und auch nach einer Spontangeburt fragen sich viele Frauen, wie ihr Intimbereich jemals wieder ein Ort der Lust werden soll. Und ganz ehrlich: Das braucht manchmal längere Zeit. Auch eine Kaiserschnittnarbe kann einen lange beschäftigen und das eigene Schönheitsempfinden sehr stören.
Entscheidend ist, dass sie sich darum kümmern, Vagina und Beckenboden wieder heil und fest werden zu lassen. Sorgen Sie dafür, dass Sie hierfür Freiraum haben. Zwingen sie sich sexuell zu nichts, wenn Sie sich noch nicht wieder gut fühlen und sprechen Sie mit ihrem Partner darüber. Es wird wieder. Vielleicht nicht wie vorher. Vieles ist nicht mehr wie vorher. Aber Sex kann beiden wieder Spaß machen, auch wenn sich Ihr Körper durch die Geburt verändert hat.
Ihre Probleme oder Konflikte scheinen unlösbar?
Sie sind psychisch zu belastet und können sich nicht gut genug um Ihr Kind kümmern? Alle Familien haben in Deutschland die Möglichkeit, Unterstützung und Entlastung zu bekommen. In Form von Beratung oder praktischer Hilfe. Trauen Sie sich, dazu zu stehen, wie es Ihnen mit Ihrem Kind geht. Das ist der erste Schritt um wieder auf die Füße zu kommen.
Die Krankenkasse ist ein wichtiger Ansprechpartner für gesundheitliche Aspekte wie Rückbildung oder die Bewilligung einer Familienhelferin. Darüber hinaus finden Familien Hilfe in Familienberatungsstellen und -zentren, bei Therapeuten, oder dem Allgemeiner Sozialen Dienst (kurz ASD oder unter dem Stichwort „Kinder und Jugendhilfe“ im jeweiligen Stadtteil). Auch wenn Sie über eine Freigabe zur Adoption oder eine vorübergehende Versorgung ihres Kindes in einer Pflegefamilie nachdenken, sind Sie hier gut aufgehoben.
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