Sportsucht? Wie Laufen meine Stimmung beeinflusst
Die sogenannte Sportsucht habe ich immer belächelt. Gibt’s doch gar nicht. Tja, gibt es wohl. Nun merken mein Umfeld und ich, wie sehr das Laufen meine Stimmung wirklich beeinflusst – positiv, aber auch negativ.
Laufen macht entspannt und glücklich? Jein. So sehr ich das Joggen seit Jahren liebe, so wenig kann ich diese These vollends unterschreiben. Denn seit ich für den Halbmarathon trainiere, hat sich nicht nur meine Einstellung zum Laufen, sondern auch meine Gefühlslage verändert.
Schwanger oder Joggerin? Hallo, Stimmungsschwankungen!
Manchmal fühle ich mich, als sei ich schwanger – oder im PMS versackt. Denn meine Stimmung schwankt, seit ich von der Hobby- zur, naja, weit entfernt von Profi-, aber immerhin regelmäßigen Läuferin geworden bin.
Einerseits gibt es Tage, an denen ich einfach keine Lust habe, zu laufen. Das ist vor allem der Fall, seit der Sport zu einer Art Verpflichtung geworden ist. Dann ruft mein Sofa besonders sehnsüchtig nach mir. Andererseits habe ich noch schlechtere Laune, wenn ich nicht laufen gehe. Lege ich die Beine hoch, strafen mich meine Laufschuhe mit einem vorwurfsvollen Blick.
Kann ich mich nur noch entspannen, wenn ich joggen gehe?
Meist hilft es in diesen Momenten, einfach trotzdem laufen zu gehen. Dann meckere ich zwar, spätestens nach dem Lauf weiß ich aber, dass es die Mühe wert war. Gesund klingt das aber selbst in meinen eigenen Ohren nicht. Es ist das Gefühl nach dem Lauf, auf dass ich einfach nicht mehr verzichten will – oder mittlerweile sogar kann?
Bin ich ein Junkie?
Diese Frage stellte ich mir letzten Sonntag. Ich wachte mit latenten Kopf- und Halsschmerzen und den Erinnerungen an die halbe Flasche Wein am Vorabend auf. Meine Augenlider waren schwer wie Blei und weigerten sich konsequent gegen das Sonnenlicht. Dabei war ich den Abend vorher extra früher nach Hause gegangen, hatte den Schnaps abgelehnt und die Freunde auf einen anderen Party-Abend vertröstet. Denn mit meinen Gedanken war ich bereits bei Sonntag: Ich wollte laufen gehen. Mein Körper signalisierte mir am nächsten Morgen jedoch das genaue Gegenteil. Überraschung: Ich bin trotzdem aufgestanden und laufen gegangen. Es war nicht besonders erfolgreich - aber ich konnte nicht anders.
Wenn sich deine Gedanken nur noch um eine bestimmte Sache drehen und du diese benötigst, um glücklich zu sein, würde ich dir sagen: Du hast ein Suchtproblem. Kann Sport eine Droge sein?
Die Sportsucht und das Runner's High
Die Erfahrung zahlreicher Läufer zeigt: Es scheint tatsächlich eine Art Laufsucht zu existieren, um die das magische Wort „Runner's High“ wabert. Dabei geht es um den Zustand der Euphorie, den man nach einer gewissen Anzahl an Kilometern erreichen und in dem man immer weiterlaufen können soll.
Das liegt daran, dass der Körper beim Laufen eigene Drogen ausschüttet. Die entsprechende Sucht ist also tatsächlich auch wissenschaftlich erklärbar: Beim Sport sollen vermehrt Glückshormone wie Serotonin ausgeschüttet werden. Aber auch der Stressabbau beim Laufen und die Erschöpfung können für die angenehme Ausgeglichenheit danach verantwortlich sein. So oder so: Das Gefühl ist schön. Und was passiert, wenn man sich an Gefühle gewöhnt? Man möchte sie öfter haben. Und bekommt schlechte Laune, wenn sie ausbleiben.
Dass sich Sport auf die Stimmung auswirkt, ist also nicht nur normal, sondern auch gut. Auch wenn man – oder ich zumindest - für die Euphorie häufig erst konträre Gefühlswelten durchqueren muss.
Wer mit mir Laufen geht, braucht starke Nerven
Wer mich richtig kennen lernen will, der sollte mit mir laufen gehen. Das hat zweierlei Gründe: Wenn ich mit atmen und rennen beschäftigt bin, kann ich mein wahres Ich kaum verstecken. Dazu kommt, dass ich im Laufe eines langen Laufs so ziemlich das ganze Stimmungsspektrum durchlebe, über das ich verfüge.
Du willst mich wütend, meckernd, frustriert, stur, beschwingt und euphorisch zugleich in einer Stunde erleben? Geh' mit mir joggen. Das ist mir erst aufgefallen, nachdem ich mit Menschen gelaufen bin, die ich eigentlich nicht so schnell an meiner Gefühlswelt teilhaben lassen wollte. Ging aber nicht anders: Wenn ich laufe, gebe ich die Kontrolle über meine Stimmung ab. Und eigentlich ist das für einen kontrollierten Menschen wie mich ja auch ganz schön.
Hier kannst du die anderen Teile der Laufkolumne lesen:
- "Ich hasse Laufgruppen - jetzt laufe ich mit 8.000 Menschen"
- Von der Lauf-Hasserin zur Übermotivierten
- Wie überwindet man seinen inneren Schweinehund?
- Was das magische Wort „Nein“ mit meiner Motivation macht
- "Ich hasse Laufen, jetzt trainiere ich für einen Halbmarathon"
- Die Qual mit den Zeiten: Warum die Geschwindigkeit nicht alles sein darf
- Halbmarathon-Challenge: Zwischen Ehrgeiz und Erschöpfung