Unbemerkte Schwangerschaft bis zur Geburt: Wie es dazu kommen kann
Unbemerkte Schwangerschaft! Wie es sein kann, dass eine Frau ihre Schwangerschaft bis zur Geburt nicht bemerkt und wo betroffene Frauen Hilfe finden.
Wie es sein kann, dass eine Frau ihre Schwangerschaft nicht bemerkt
Es klingt unfassbar! Aber es passiert immer wieder, dass Frauen erst unter der Geburt davon erfahren, dass sie gerade Mutter werden. Wie kann das sein? Das fragen sich viele, die von solchen Geschichten hören.
Wundern tun sich bei solchen Berichten vor allem Frauen, die schon Mütter sind und die Anzeichen für ihre eigene Schwangerschaft damals schon früh bemerkt haben. Denn diese Anzeichen sind in den meisten Fällen doch recht eindeutig:
- Ausbleibende Regel
- Brustspannen
- manchmal Übelkeit
- Gewichtszunahme
- wachsender Bauch
- und zum Ende hin die Wahrnehmung von Kindsbewegungen
Dass diese Zeichen einer Schwangerschaft in den ersten Wochen nicht immer ganz eindeutig sind und im Alltagsstress untergehen können, liegt auf der Hand. Doch die meisten Frauen spüren recht bald, dass etwas anders ist als sonst und kommen von selber auf die mögliche Ursache.
Aber was ist bei den Frauen anders, die wirklich erst wegen starker Bauchschmerzen oder „Verdacht auf Blinddarm“ zum Arzt gehen und sich wenige Minuten später unerwartet im Kreißsaal wiederfinden?
Unbemerkte Schwangerschaft: Wie oft passiert sowas?
So selten, wie man vielleicht vermutet, ist dieses Phänomen nicht. Weil es keine Meldepflicht oder bundeweite Statistik dafür gibt, können nur kleinere Studien hochgerechnet werden. So schätzt man, dass in Deutschland jährlich etwa 1.500 Frauen ihre Schwangerschaft über mehrere Monate übersehen. Knapp 300 bis in die späteren Schwangerschaftswochen und bis zur Geburt.
Unter ihnen sind immer wieder Frauen, deren Verhütungsmethode für sicher erachtet wurde und die von einem Schutz vor einer Schwangerschaft ausgegangen sind. Aber es kommt eben doch hin und wieder vor, dass Durchfall oder ein Medikament unwissentlich vorübergehend die Wirkung der hormonellen Verhütungsmethode geschwächt hat. Wer in dieser Ausnahmezeit und kurz davor Sex hatte, kann eben „trotz Pille“ schwanger werden.
Oft sind es junge Frauen oder Frauen, die Gewichtsschwankungen kennen oder übergewichtig sind und deswegen nicht gleich bei einem moppeligen Bäuchlein auf die Idee kommen, dass ein Kind in ihnen heranwächst.
Körperliche Bedingungen betroffener Frauen
Der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e. V. Dr. Christian Albring erklärt hierzu: „Ist eine Frau übergewichtig, hat unregelmäßig ihre Blutungen und der Mutterkuchen liegt so, dass die Frau Kindsbewegungen erst spät oder nur schwer spüren kann, ordnet die Frau die Schwangerschaftszeichen einfach falsch ein. Die Kindsbewegungen werden dann als Blähungen fehlgedeutet, die Gewichtsschwankungen hat die Frau sowieso.
Auch während der Schwangerschaft kann es zu Blutungen kommen. Das sind dann zwar keine Regelblutungen, sondern Blutabsonderungen bedingt durch die Lage des Mutterkuchens oder aufgrund von Scheidenentzündungen, aber die Frau kann das durchaus als Menstruation missinterpretieren.“
Deshalb sollten Frauen bei unerklärlichen körperlichen Veränderungen beim Arzt abklären, was die Ursache sein könnte. Doch es kommt vereinzelt auch hier vor, dass der Arzt die Möglichkeit einer Schwangerschaft nicht einbezieht oder übersieht. Auch Ärzte sind nur Menschen.
Seelische Gründe fürs Nichtbemerken einer Schwangerschaft
Eine Fehlinterpretation der Symptome ist möglich. Doch es kann auch seelische Gründe dafür geben, wenn eine Schwangerschaft erst spät bekannt wird. Denn manche Frauen verdrängen oder verleugnen auch ihren Zustand.
Von Verdrängung wird gesprochen, wenn eine Frau zwar irgendwie spürt, was los ist, sie es aber gewissermaßen ignoriert, um sich (vorerst) nicht bewusst mit der Tatsache auseinandersetzten zu müssen. Und Verleugnung läuft nach dem Motto: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“
Bedeutet es beispielsweise für eine Frau eine Katastrophe, ein Baby zu bekommen, leugnet sie vor sich selber den Umstand. Dies ist eine Art „Lösungsversuch“ des Problems, bis die Realität sie einholt. Es ist schwer fassbar, dass die Psyche dazu in der Lage ist. Doch es ist so.
Betroffen sind oft Frauen, die sehr jung sind oder in ihrer Persönlichkeit noch nicht ganz reif sind. Manchmal fehlt es auch an den notwendigen Problemlösestrategien. Sich Hilfe zu holen zum Beispiel. Natürlich spielen auch Scham und die Angst vor Ablehnung, sozialem Ausschluss oder Überforderung eine Rolle.
Doch dies trifft eher nicht auf die Frauen zu, die wirklich bis zuletzt nichts von der Schwangerschaft ahnen. Denkbar wäre, dass unter ihnen einige Frauen sind, bei denen die Lebensumstände vielleicht das Bemerken der Schwangerschaft beziehungsweise das genaue „Hinhören in den Körper“ erschwert haben. Aber auch rückblickend ist manchmal nicht eindeutig zu erklären, wie genau es passieren konnte, dass die Schwangerschaft spät oder erst bei der Geburt bemerkt wurde.
Schock bei der Geburt: Hilfe für Betroffene Frauen
Es ist leicht vorstellbar, dass so eine unerwartete Entbindung als Schock erlebt wird. Denn die Frauen und die dazugehörigen Väter hatten nur wenige Minuten, sich auf dieses lebensverändernde Ereignis einzustellen. Und ein Schock kann es auch dann sein, wenn das Baby willkommen ist, was zum Glück öfter der Fall ist.
Aber es muss eben erst Mal im Kopf ankommen, was plötzlich Fakt ist. Andere Eltern haben dafür neun Monate Zeit, was diese Menschen Knall auf Fall in ihr Leben integrieren müssen.
Zum Glück haben wir in Deutschland ein gutes Netz an Hilfen für Schwangere und frisch gebackene Mütter.
- Knapp 2000 Schwangerenberatungsstellen informieren umfassend über Hilfsangebote.
- Darüber hinaus beraten die Erziehungs- und Familienberatungsstellen der Jugendhilfe Mütter in Notlagen.
- Die Jugendämter und freie Träger beraten zu Unterstützungsmöglichkeiten durch Hebammen, Sozialarbeiter und Familientherapeuten. Aber auch zu Mutter-Kind-Einrichtungen, Adoption, eine (vorübergehende) Pflegefamilie für das Kind, anonymer Geburt oder Babyklappen.
- Auch Frauenhäuser sind eine Anlaufstelle für Schwangere und Mütter, die sich durch ihre Situation in Gefahr sehen und Hilfe brauchen.
Niemand hört dort Vorwürfe. Die Hilfsangebote haben immer in erster Linie das Ziel, dass jede Schwangere in Deutschland die Möglichkeit bekommt, ihr Kind mit guter medizinischer Versorgung und Sicherheit zu bekommen und eine Perspektive zu entwickeln, in welchem Rahmen das Kind bestmöglich gedeihen kann.
Und das alles, damit verzweifelte Mütter ihr Kind nicht abtreiben oder glauben, töten zu müssen, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Denn auch dies passiert leider immer wieder.
Deshalb ist es auch wichtig, Frauen nicht als unsensibel, leichtgläubig oder dumm abzuwerten, die ihre Schwangerschaft erst spät bemerken oder mitteilen. Niemand weiß schließlich, was genau in Körper und Seele unseres Gegenübers los ist. Und manchmal eben auch nicht die Frau selbst.
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Autorin: Familientherapeutin Marthe Kniep
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