Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Wie du deine Beförderung meisterst
Es gehört zur Arbeitswelt dazu, kann aber verunsichern: die Möglichkeit, von der Kollegin zur Vorgesetzten zu werden und die alten Kollegen anzuleiten – egal ob im Supermarkt, in einer kleinen Firma oder im pädagogischen Bereich. Was kommt auf mich zu?
- Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Plötzlich befördert
- Wenn aus Kolleginnen Freundinnen geworden sind
- Wie verhalte ich mich als Vorgesetzte in Konflikten?
- Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Worüber darf ich noch sprechen?
- Druck von oben und unten: Die Sandwichposition
- „Das macht man so“: Ein gefährlicher Satz für Vorgesetzte
- Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Wenn andere leer ausgehen
- Muss ich meine Außendarstellung bei einer Beförderung ändern?
Vielleicht hast du es auch schon erlebt. Dein Arbeitgeber ist zufrieden mit dir und bietet dir die Möglichkeit, in deinem Team aus Mitarbeiterinnen aufzusteigen und deren Vorgesetzte zu werden. Das stellt dich jetzt erstmal vor viele Fragen. Vera Marie Strauch, Gründerin der Female Leadership Academy und Host des Female Leadership Blogs & Female Leadership Podcasts, gibt Tipps zum richtigen Umgang mit Chancen und Ängsten.
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Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Plötzlich befördert
Eine Beförderung von der Kollegin zur Vorgesetzten ist immer ein großer Schritt – der aber von der Unternehmenskultur abhängt, wie Vera Marie Strauch betont: „Es kommt sehr auf den individuellen Fall an, wie groß das Team ist und in welcher Beziehung ich mit den Menschen stehe, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe.“
In einer hierarchischen Kultur sei man nun beispielsweise weisungsbefugt – das könne natürlich unbequem sein. Aber auch in anderen Konstellationen ist vor allem Geduld gefragt: „Jetzt habe ich eine andere Rolle und Aufgabe. Das braucht erstmal Zeit. Ich brauche Zeit, mich in die veränderte Situation hereinzufinden, und auch die anderen Menschen brauchen Zeit.“
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Wenn aus Kolleginnen Freundinnen geworden sind
Die Beförderung betrifft also nicht nur dich, sondern auch die anderen. Aber was ist, wenn du mit einigen Kolleginnen gut befreundet bist? Kannst du dich einfach mit ihnen treffen und reden wie immer?
„Ganz hilfreich finde ich es, mich zu fragen, ob ich das gut fände, wenn es meine Vorgesetzte wäre. Es gibt eine bestehende Beziehung, die ist ja nicht einfach weg“, schlägt Vera Marie Strauch vor.
Hinzu komme ein weiterer Aspekt: „Im Idealfall vertrauen wir einander. Es braucht das Verständnis dafür, dass das für alle eine neue Situation ist. Diese führt zu Verunsicherung und zu vielen Fragen.“
Letztlich kommt es auf dich als Führungsperson an – denn du bist im Zweifel in der Bringschuld. Damit du da nicht ins Fettnäpfchen trittst, rät die Female-Leadership-Expertin, Themen proaktiv anzugehen und nicht darauf zu warten, „dass die Dinge sich holen.“ „Im Gespräch kann ich ruhig zugeben, dass es für mich auch eine schwierige, neue und unbekannte Situation ist. Transparenz, Klarheit und offene Gespräche können helfen“, ist Strauch überzeugt.
Dabei sei es keine Seltenheit, Angst davor zu haben, sich im Veränderungsprozess von der Kollegin zur Vorgesetzten verletzlich zu zeigen. Das muss aber heutzutage gar nicht mehr sein, denn eine gute Vorgesetzte verteilt die Aufgaben auf mehrere Köpfe.
Strauch: „Moderne Führung bedeutet nicht, die Superheldin zu sein und alles perfekt zu machen, sondern im Team zu arbeiten. Dazu gehört auch, dass manche Menschen Dinge viel besser können als ich.“
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Wie verhalte ich mich als Vorgesetzte in Konflikten?
Auch, wenn die meiste Zeit ein gutes Arbeitsklima herrschen mag, gibt es manchmal Unstimmigkeiten zwischen den Kolleginnen. Vielleicht war dir das früher einfach zu blöd und du hast dich rausgehalten – aber kannst du das als Vorgesetze noch?
Die Expertin von Female Leadership verweist zwar darauf, dass situationsbedingt entschieden werden müsse, aber gibt auch hier den Tipp, das Thema lieber gleich anzugehen, als zu versuchen es auszusitzen. „Je früher ich unbequeme Themen angehe, lassen sie sich als Kleinigkeiten lösen und werden nicht zu den großen Themen. Also keine Angst davor“, macht Strauch Mut.
Hier stellt sich als Führungskraft eine Leitfrage für Vera Marie Strauch: „Wie kann eine Kultur schaffen, in der wir es aushalten, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt und das Reibung erzeugt?“ Eine Offenheit gegenüber anderen Meinungen könne dem ganzen Team helfen, „bestenfalls zu Fortschritt und Nutzen“.
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Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Worüber darf ich noch sprechen?
Bist du eines Tages die Vorgesetzte, kannst du dir sicher sein, dass du deine Arbeit bislang gut und zufriedenstellend erledigt hast. Mit der neuen Rolle kannst du aber nicht mehr einfach mit den alten Kolleginnen über wirklich alles reden – manche Dinge darfst du nicht einfach weiterzählen. Wie gehst du damit um?
Ein wichtiger Punkt hierbei sei Loyalität – und die wird mit dem Vertrauensbeweis der Beförderung auch vom Arbeitgeber erwartet. „Jetzt gucken die Menschen zu mir und ich lebe etwas vor. Ich überlege mir also ganz genau, was ich vorleben will, weil ich Vorbild bin“, sagt Strauch.
Sie warnt ausdrücklich davor, leichtfertig etwas auszuplaudern: „Es gibt häufiger den Fall, dass Dinge vertraulich behandelt werden müssen, weil sie im Team vielleicht noch nicht spruchreif sind.“ Ein wenig zurücknehmen solltest du dich also.
Damit du dir sicher sein kannst, was du sagen kannst und was nicht, rät Vera Marie Strauch zu erfragen, was weitergegeben werden darf und was nicht. Wenn es eine Sache gibt, die von „oben“ herab entschieden werde, die du nun an die alten Kollegen weitergeben musst, rät die Expertin zu drei Grundeigenschaften, wie kommuniziert werden sollte:
- einfühlsam
- offen
- gemeinsam gestaltend
„Es geht darum, Menschen einzubeziehen und so viel Gestaltungsraum wie möglich herauszuverhandeln, auch nach ‚oben‘“, meint Strauch. So wird für dich auch das Risiko gesenkt, dass dir jemand eine Entscheidung übelnimmt, die nicht allen gefällt.
Druck von oben und unten: Die Sandwichposition
Wirst du von der Kollegin zur Vorgesetzten, gibt es in der Regel immer auch eine noch höhere Position. Wie kannst du mit dem Druck aus der Chefetage einerseits und dem der alten Kolleginnen andererseits umgehen?
Diesen Punkt sieht unsere Expertin kritisch. In klassisch aufgebauten Unternehmen würden Personen in solchen Positionen auch mal schnell kaputtgehen am Druck.
Als Arbeitnehmer gibt dir Vera Marie Strauch den Tipp, dir die folgenden Fragen zu stellen: „Wo ist mein Gestaltungsspielraum und wo kann ich ihn innerhalb meiner scheinbar so starren Funktion vergrößern?“ Das gelinge vor allem mit Vernetzung – was auch zum Aufgabenbereich gehöre, wenn du Vorgesetzte oder Teamleiterin bist.
„Große Entscheidungen werden nicht von heute auf morgen gefällt – ich habe vielleicht auch die Möglichkeit, bei solchen Entscheidungen mitzuwirken, wenn ich mir darüber bewusstwerde, wie ich das tun kann“, verdeutlicht sie die Wichtigkeit eines aktiven Netzwerkens.
Mit dem eigenen Team habe das fürs Erste aber gar nicht mal unbedingt zu tun: „Das kann ich aber wiederum nutzen, um in meinem Team viel stärker und transparenter zu kommunizieren. Damit kann ich die Interessen unseres Teams vertreten und mich vor diese Leute stellen. Ich kann den Druck aktiv gestalten und werde nicht zur passiven Empfängerin.“
Dem vermeintlichen Druck als Vorgesetzte kannst du also entgegenwirken, indem du dich bewusst einbringst. Strauch nennt hier als Tipps zum Netzwerken, dass du einfach auf Menschen zugehst, mit ihnen sprichst und vielleicht auch ein Projekt leitest – sofern es diese Möglichkeit in deiner Position gibt.
„Das macht man so“: Ein gefährlicher Satz für Vorgesetzte
Überlegst du dir, eine neue Position zu übernehmen, denkst du auch über die Person nach, die den Job vor dir gemacht hat. Du findest vielleicht nicht alles schlecht, was dieser Mensch gemacht hat, würdest aber einige Dinge ändern. Kannst du jetzt alles auf den Kopf stellen?
Nicht direkt, aber unsere Expertin rät dir auf deinem Weg von der Kollegin zur Vorgesetzten nicht einfach alles hinzunehmen und auszuführen, wenn dir von deinem Vorgesetzten keine Begründung dafür geliefert wird. „Die Frage ist: ist es hilfreich, Dinge so zu tun, weil irgendjemand sagt, ‚das macht man so‘? Da wäre ich immer ganz vorsichtig“, warnt Strauch.
Eine Erneuerung schaffst du mit „das macht man so“ schließlich nicht, der Satz spricht eher für verkrustete und veraltete Strukturen.
„Ich würde versuchen, die Balance zwischen Bewahren und Verändern zu finden. Veränderung gehört unweigerlich dazu. Ich möchte ja nicht verwalten, was andere vor mir gemacht haben, sondern gestalten. Das bedeutet, mich mit meiner Einzigartigkeit einzubringen“, weiß die Expertin.
Essenziell sei es dafür, von Anfang an gut zuzuhören. Das sei unbedingt notwendig, um eine gute Informationsgrundlage für gute Entscheidungen zu haben: „Als Führungskraft werde ich vor allem dafür bezahlt, dass ich gute Entscheidungen treffe. Dafür muss ich richtig zuhören und den Menschen die Möglichkeit geben, ihre eigenen Ideen zur Veränderung zu äußern.“
Dabei spielt es keine Rolle, ob du nur ein kleines Team anleitest oder in einem großen Konzern arbeitest. Sobald du das Vertrauen deiner alten Kolleginnen gewonnen hast, werden sie dich mit ihren Ideen und Vorschlägen unterstützen, sagt Strauch.
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Von der Kollegin zur Vorgesetzten: Wenn andere leer ausgehen
Wird dir eine höhere Position angeboten oder hast du dich darauf beworben, warst du womöglich nicht die Einzige, die Interesse an dem Posten hatte. Die erfolglosen Bewerberinnen könnten jetzt immer noch in deinem Team sein, was in manchen Fällen zu Problemen führt.
Die einen Mitbewerberinnen können die Situation schnell abhaken und nach vorne schauen, während andere verletzt oder nachtragend reagieren. „Das kann eine schwierige Aufgabe sein“, meint Strauch. „Ich sollte den Menschen Zeit geben, das zu verarbeiten. Es kommt aber auch der Punkt, an dem das sehr destruktiv werden kann. Es ist mitunter auch einer der Gründe, warum jemand unmotiviert ist.“
Auch hier rät Strauch, den Sachverhalt nicht auszusitzen, sondern nach einer Zeit bewusst anzugehen. „Manchmal gibt es aber auch Situationen, in denen sich Konflikte – wenn überhaupt – nur mit sehr viel Energie lösen lassen. Das ist dann der Punkt, an dem ich als Führungskraft gefragt bin, unpopuläre Entscheidungen zu treffen“, legt sie Beförderten nahe.
Es sei wichtig zu erkennen, wenn jemand dem Team eher schade als nutze. Auch das sei Teil einer Führungsaufgabe. Zieht dein Teammitglied also weiterhin nicht mehr mit, solltest du dich mit dem Thema auseinandersetzen. Fruchten Gespräche auf Augenhöhe nicht, ist es auch möglich, den Sachverhalt an der zuständigen Stelle im Unternehmen anzusprechen. Dann solltest du dir Unterstützung von deinem Vorgesetzten holen.
„Das ist manchmal unbequem, aber am Ende bringt es für niemanden etwas, wenn Leute unglücklich sind“, sagt Strauch. Auch das muss dir bewusst sein, wenn du von der Kollegin zur Vorgesetzten wirst.
Muss ich meine Außendarstellung bei einer Beförderung ändern?
Diese Frage beantwortet die Expertin mit einem klaren Nein. Als Frau hast du oft die Möglichkeit, dich auszuprobieren und einfach zu schauen, wie du dich wohl fühlst.
Das hängt natürlich vom Arbeitsplatz ab – als Mitarbeiterin im Supermarkt oder in Uniform hast du nicht die Möglichkeit, über deine Arbeitskleidung zu entscheiden. Doch es gibt noch weitere wichtige Punkte.
„Ich könnte einfach sagen, ich ziehe mir eine Bluse und einen Hosenanzug an, weil man das so macht. Aber dieses ‚weil man das so macht‘ hinterfrage ich in meiner Arbeit ganz massiv“, kritisiert Strauch veraltete Kleidungsordnungen. „Es entsteht zurzeit viel Spielraum, gerade in eher konservativeren Umfeldern.“ Das bringt dir auch die Freiheit zu entscheiden.
Es komme darauf an, dass innere und äußere Stimmigkeit bei der Außendarstellung zusammenpassen. „Es beginnt immer bei mir und meinem Inneren und nicht damit, ‚weil man das so macht‘ oder es in einem Ratgeber steht. Das ist unecht und sobald es unecht wirkt, ist es schwierig. Das hindert mich sogar eher an meiner Arbeit. Es ist nicht authentisch“, warnt Vera Marie Strauch.
Aber auch, wenn man bei der Kleidung nicht entscheiden könne, sei die Außendarstellung wichtig, findet die Expertin: „Es geht auch darum, wie ich kommuniziere, wie ich auf fremde Menschen zugehe und wie ich mit Leuten spreche, die auf einer ganz anderen Hierarchie-Ebene unterwegs sind.“ Bekommst du mehr Verantwortung, ist es also wichtig, du selbst zu bleiben und dich nicht zu verstellen.
Letztlich ist es bei der Beförderung von der Kollegin zur Vorgesetzten wichtig, ein bisschen Mut zu haben. „Etwas weniger gefallen wollen und ein bisschen mehr ausprobieren, ruhig auch mal Fehler machen, daraus lernen und reflektieren. Die meisten Menschen finden es gar nicht schlimm“, weiß die Expertin. Mach dir also selbst nicht zu viel Druck. Dann klappt das, deine Beförderung trotz möglicher Stolpersteine erfolgreich zu meistern.
Expertin: Vera Marie Strauch ist Gründerin der Female Leadership Academy und Host des Female Leadership Blogs & Podcasts. Sie berät zu den Themen New Work, (Selbst-)Führung, Karriere und Change Management.
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