Zwex für ein Baby: Sex zum Zweck der Zeugung
Bei einem Kinderwunsch kann der Sex schnell zur Qual für ein Paar werden. Was hilft, damit der Sex zum schwanger werden nicht zur Belastung für die Beziehung wird.
Zwex: Was hilft, damit der Sex bei Kinderwunsch nicht zur Qual wird
Beide wollen es: ein Kind! Und dafür sind sie bereit, eine Menge auf sich zu nehmen. Nach einer Phase, in der beim Sex auf einen Zufallstreffer gewartet wurde, wird der Beischlaf zeitlich mehr und mehr auf den Eisprung abgestimmt. Hier geht bereits die Spontanität verloren, die dem Sex bisher das Gefühl der Leichtigkeit gab.
Klappt es auch dann nicht, werden Experten befragt. Zunächst die Gynäkologin für sie. Der Urologe für ihn. Es muss konkret geklärt werden, an wem oder was es liegt. Die Untersuchung und ihr Ergebnis kann psychisch sehr belasten. Nicht selten kommt dabei heraus, dass an eine Kinderwunschklinik oder ein -Zentrum weitergeleitet wird, weil die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin gefragt sind.
Die nun folgenden fertilitätsfördernden Maßnahmen kosten nicht nur Geld, Zeit und Nerven. Etwa die Hälfte aller Patienten beklagen, dass auch die Sexualität leidet. Die Praxis zeigt, dass es in diesem Fall für viele Paare hilfreich ist, sich parallel zur ärztlichen Beratung in eine sexualtherapeutische Behandlung zu begeben.
„Zwex“! Sex auf Zwang
Die erfahrene Hamburger Psychotherapeutin Dr. Susanne Quitmann behandelt seit vielen Jahren Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Sie hat für den Sex zum Zweck der Zeugung das Wort „Zwex“ erfunden.
„Diesen Sex auf Zwang finden die Paare natürlich ganz schrecklich“, erklärt Quitmann, „denn sie leiden nicht nur unter dem unterfüllten Kinderwunsch sondern auch unter dem Sex mit Leistungsdruck.“ Anfangs würden sie es oftmals noch mit Humor nehmen, wenn die aktuelle Situation erörtert wird. Doch die Anspannung sei ihnen schon deutlich anzumerken.
Sprechen über den Koitus
Vielen Paaren fällt es verständlicherweise schwer, mit Fremden über einen der intimsten Bereiche ihres Paarlebens zu sprechen, der gerade vor allem mit Stress und Enttäuschungen verbunden ist. Wer redet schon gern über seine (nachlassende) Koitusfrequenz oder Sexualprobleme, wenn Sex gerade nicht wirklich Spaß macht?
Doch was sein muss, muss sein. Nur durch die notwendigen gezielten Nachfragen der Expertin wird klar, an welcher Stelle es Veränderungen bedarf. Das können ganz praktische Tipps sein, wann genau zum Beispiel im individuellen Fall der beste Zeitpunkt für Geschlechtsverkehr ist, wenn eine Schwangerschaft erwünscht ist.
Aus der Sprachlosigkeit heraus kommen
Entscheidend sei es aber auch, dass beide Partner richtig miteinander ins Gespräch kommen über ihre Situation. Oftmals würden zum Beispiel Schuldzuweisungen verheimlicht oder Enttäuschungen für sich behalten. Auch die Wirkung ausgesprochener oder gedachter Kränkungen sei nicht zu unterschätzen.
Aus dieser Sprachlosigkeit kann eine Therapie heraushelfen. Wie lange ein Paar dafür braucht, ist ganz verschieden. Manche brauchen nur eine Sitzung, um gute Impulse zu kriegen. Andere kommen mehrere Monate. Der Ausgang ist natürlich immer offen.
Nicht zu lange alleine quälen
Kein Paar sollte sich zu lange allein mit dem Thema quälen. Denn „je länger der Sex nicht zum gewünschten Ergebnis führt, desto mehr Frust schieben beide“. weiß Quitmann. „Und das führt nicht selten dazu, dass aus Zwex KEIN Sex wird.“ Das passiere vor allem, wenn Patienten (Stress-) Symptome wie Vaginismus oder Erektionsprobleme entwickeln, mit denen sie sich nicht gegenseitig konfrontieren wollen um den anderen zu schützen.
Umso wichtiger sei es, „einen Weg aus der Sprachlosigkeit zu finden, Enttäuschungen anzusprechen und neue Wege der Lust zu finden.“ erklärt die Expertin. Mit Letzterem ist zum einen die Weiterentwicklung der Paarsexualität gemeint. Aber auch, dass die eigene Sexualität als Quelle der Lust wieder mehr genutzt werden kann. Das würden nämlich viele Paare vernachlässigen.
Eine Ausnahmesituation
Wichtig zu bedenken ist, dass der als Zwang empfundene Sex während der reproduktionsmedizinischen Behandlung eine Ausnahmesituation ist und kein Dauerzustand bleiben muss. Quitmann beruhigt hier mit dem Wissen, dass „viele Paare nach einer reproduktionsmedizinischen Behandlung wieder zu ihrer ursprünglichen Sexualität zurück gefunden haben und im Vergleich zu anderen Paaren kaum Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zeigen.“
Sexualität ist schließlich nie gleichbleibend. „Es gibt in fast jeder Partnerschaft Zeiten, in denen Sexualität sehr wichtig ist. Zeiten, in denen sie vernachlässigt wird, Zeiten, in denen sich Sexualität und Partnerschaft verändern, Partner sich auseinander entwickeln oder wieder zusammen finden.“ fächert Quitmann mögliche Entwicklungen auf. Die Zwex-Phase gehört dabei sicher zu den größeren Herausforderungen eines Paares und des Lebens, auf die mancher gern verzichten würde.
Es gibt Hoffnung!
Diese Auswirkungen von Sex unter Leistungsdruck müssen aber nicht der Anfang vom Ende sein. Im Wissen, dass sich Sexualität verändern kann und wir Einfluss darauf haben, gibt es Hoffnung. Sich in dieser Zeit um seine Seele zu kümmern und andere erfüllende Bereiche der Partnerschaft und Sinnstiftung zu aktivieren, hilft vielen Paaren über diese Phase hinweg.
Autorin: Marthe Kniep
Weiterlesen:
Unerfüllter Kinderwunsch! Der Abschied vom leiblichen Kind
Buch-Tipp:
"Fortpflanzung nach Tagesform"
von Katinka Buddenkotte | ISBN: 978-3-8135-0521-4
Maike und Matthias, genannt Hummel, sind zwei durchschnittliche Mittdreißiger an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er arbeitet als Informatiker, sie schwankt zwischen Dissertation und Jobben. Da wäre es doch durchaus an der Zeit, die Reproduktionsphase einzuläuten. Aber die Wochen des Spaßvögelns verstreichen schnell und ergebnislos. Und auch nach Monaten wächst zwar kein neues Leben in Maike heran, dafür jedoch Zweifel und Panik.