Borderline: "Mein Leben ist ein Irrenhaus"
Bloggerin Nina berichtet von ihrem Borderline-Leben zwischen Freude und Verzweiflung
Nina ist jung, gut ausgebildet, hat Freunde, Sex, einen Job. Sie könnte glücklich sein. Ist sie aber nicht. Borderline macht ihr das Leben schwer. Wie schwer, das verrät sie auf ihrem Blog: "Life's a Nuthouse".
„Ich bin Nina. Ich bin weiblich, jung, Akademikerin. Ich lebe in einer deutschen Großstadt. Ich habe Freunde. Ich habe einen Job. Und ich hatte mich für zwölf Wochen in die Psychiatrie einweisen lassen. Was ich nämlich auch habe, ist eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Man kann auch Borderline dazu sagen. Klingt nur nicht so schön. Klingt nach schwarzgekleideten Teenagern, die sich zu Emo-Mucke die Unterarme aufschneiden. Oder wie eine Freundin zu mir sagte: Borderline?! Das gibt es wirklich? – Ja. Tut es. Und ich habe es.
Aber ich beschwere mich nicht darüber. Meistens. So eine Persönlichkeitsstruktur ist anstrengend, aber niemals langweilig. Weder für mich. Noch für mein Umfeld.“
Borderline bedeutet: extreme Gefühle, die die Betroffenen nicht kontrollieren können. Extrem glücklich, extrem wütend, extrem traurig, bei Borderline bleibt kaum ein Gefühl normal. Oft kommt es zu Gefühlsausbrüchen, lautstark oder verzweifelt leise.
So mancher Borderliner versucht, den Druck im Inneren mit Drogen, Selbstverletzungen oder riskanten Unternehmungen zu lindern. Die Apotheken Umschau erklärt: "Borderliner schneiden sich zum Beispiel immer wieder mit einem Messer oder einer Rasierklinge in den Unterarm. Oder sie drücken brennende Zigaretten auf ihrer Haut aus, schlagen sich selbst. Eine solche Selbstverletzung ist eine Art "Notlösung" des Organismus – ein Versuch, das quälende Gefühlschaos unter Kontrolle zu bringen, sich selbst wieder zu spüren. Manchmal ist selbstverletzendes Verhalten aber auch ein versteckter Hilferuf an Freunde und Familie ." So zu Leben ist ganz schön schwer.
"Ich liebe intensive Gefühle"
Wie schwer, das beschreibt Nina auf ihrem Blog: „ Life's a Nuthouse “, zu deutsch: „Das Leben ist ein Irrenhaus“. Sie schreibt offen und klar von ihren Alltagsschwierigkeiten. Und den Problemen in Beziehungen:
„Man ahnt schon. Auch in Partnerschaften hab ich ein leichtes Nähe- und Distanzproblem. Was sich meist im Verlust von Distanz äußert. Meinen Partner kann ich dauernd um mich haben. Räumliche Trennungen sind auszuhalten, aber schmerzhaft. Und, nein, ich rede nicht von den ersten verwirrten drei Monaten der ekstatischen Verliebtheit . Das kann über Jahre gehen. Dramen gibt es trotzdem. Oder vielleicht gerade deshalb.
Aber Dramen sind gut. Dramen sind intensiv. Ich liebe intensive Gefühle. Meine. Die meines Partners. Und seine zu mir. Er kann mir zweimal täglich sagen, wie sehr er mich liebt. Und ich würde trotzdem noch um Nachschlag bitten. Gleiches gilt für körperliche Zuwendungsbekundungen. Auch davon kann ich nicht genug bekommen. Und bei zu wenig Zuwendung suche ich halt Streit. Ist auch eine Form der Aufmerksamkeit. Und eine sehr intensive sogar. Klingt anstrengend? Ist es auch. Aber mit dem passenden Verrückten durchaus händelbar.“
Es gab eine Zeit, da fühlte Nina sich derart überfordert von ihrer Krankheit, dass sie beschloss, sich selbst in die Psychiatrie einzuweisen. Zwölf Wochen blieb sie dort, versuchte zu lernen, wie sie mit ihrer Krankheit besser umgehen könnte. Ihre Fortschritte und Klinik-Begegnungen schrieb sie ebenfalls online auf. Ihren Kollegen sagte sie allerdings nichts davon. Für sie war der Grund für Ninas Abwesenheit ein Burnout .
Burnout, Borderline, klingt doch ähnlich, aber das erste ist eher gesellschaftsfähig. Mit Borderline kann keiner etwas anfangen, Menschen mit zu viel Gefühlen sind angsteinflößend. Heute soll sich jeder kontrollieren können und still und leise vor sich hin funktionieren. Gefühlsausbrüche kann unsere Leistungsgesellschaft nicht brauchen.
Nina weiß um das Stigma. Sie schreibt: „Manche Menschen vermitteln mir das Gefühl, ich sollte für meine Persönlichkeitsstruktur einen Behindertenausweis beantragen. Oder Waffenschein. Oder am besten gleich beides. Ich habe das Gefühl, ich sollte meine Sozialkontakte gründlicher auswählen.“
"Keiner von uns hat sich ausgesucht so zu sein"
Einer Kollegin, die über Borderliner lästert, entgegnet sie: „Weißt Du, was ich in der Klinik gelernt habe? Dankbarkeit. Dankbarkeit, dass es mir so gut geht. Und Demut. Demut vor dem Schicksal der anderen und dem willkürlichen Zufall, dass es sie getroffen hat und nicht mich. Demut in Anerkennung meiner eigenen Grenzen. Und Mitgefühl, denn keiner von uns hat sich ausgesucht so zu sein.“
Neben einer gewissen Veranlagung gelten traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit als wichtiger Auslöser für das Borderline-Syndrom. Etliche Betroffene, so berichtet die Apotheken Umschau, haben schwere Traumen erlebt: Missbrauch oder Misshandlungen, Vernachlässigung oder emotionale Kälte. Zur Behandlung ist meist eine Psychotherapie notwendig, welche Form am besten geeignet ist, sollten Betroffene zunächst mit ihrem Hausarzt besprechen.
Borderline, Burnout, Depressionen: Viele Krankheiten sind nicht auf den ersten Blick sichtbar. Dieses Video soll aufrütteln und bewusst machen, dass jeder Mensch um uns herum betroffen sein könnte, egal, wie fröhlich er auf den ersten Blick wirkt.