Streit in der Beziehung: So streitet ihr konstruktiv – ohne Eskalation!
Nicht immer wenn die Fetzen fliegen, steckt leidenschaftliches Feuer dahinter: Ständiger Streit mit dem Partner macht vor allem mürbe, müde und hoffnungslos. Doch wie geht es anders? Tipps und Übungen für konstruktiven Streit in der Beziehung.
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- Haushalt oder Eifersucht: Was ist der häufigste Grund bei Paaren für Streit?
- Wie oft streiten ist normal in einer Beziehung?
- Streit in der Beziehung: Warum streiten Menschen?
- Streit mit dem Partner: So geht gewaltfreie Kommunikation
- Hurt people hurt people: Wenn der Streit mit dem Partner eskaliert
- Was tun, wenn man in der Beziehung viel streitet? 8 Tipps der Paartherapeutin
- Ständig Streit mit dem Partner: Wann merkt man, dass eine Beziehung zu Ende ist?
Es klingt wie eine Kalenderweisheit, kann unter Umständen aber eure Liebe retten: Streiten will gelernt sein. Immer mehr Beziehungsexpertinnen und -experten betonen die Wichtigkeit einer zugewandten und vor allem gewaltfreien Streitkultur bei Paaren. Denn Streit in der Beziehung ist genauso wichtig wie guter Sex.
Wir haben mit Psycholog*innen darüber gesprochen, wie Streit mit dem Partner oder der Partnerin richtig funktioniert.
Haushalt oder Eifersucht: Was ist der häufigste Grund bei Paaren für Streit?
So unterschiedlich Paare sind, so überraschend ähnlich sind die Gründe, warum es zu Streit in der Beziehung kommt.
Laut einer Online-Umfrage von Statista streiten Paare, die unter einem Jahr zusammen sind, am häufigsten über:
Unordentlichkeit (29 %)
Zu viel Zeit an Smartphone & Co. (24 %)
Eifersucht (19 %)
Manieren/Umgangsformen (18 %)
Finanzen (16 %)
Paare, die 10 bis unter 20 Jahre zusammen sind, streiten am meisten über:
Unordentlichkeit (46 %)
Zu viel Zeit an Smartphone & Co. (26 %)
Finanzen (23 %)
Alltagsorganisation wie Einkauf und Haushalt (21 %)
Unpünktlichkeit (18 %)
Die verhasste Unordentlichkeit landete bei allen befragten Paaren – egal, wie lange sie zusammen waren – auf Platz 1 der Streitgründe. Befragt wurden knapp 4.000 Personen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren in Deutschland im November und Oktober 2019.
Streit vermeiden in der Beziehung? Keine gute Idee!
Psycholog*innen weltweit sind sich einig: Streit in der Ehe oder der Beziehung ist wichtig. Wenn die Auseinandersetzungen auf Augenhöhe und konstruktiv ausgetragen werden, stärken sie die Beziehung. Man lernt die Grenzen seines Gegenüber kennen und versteht, was ihn bewegt und wie er die Dinge sieht. Man erfährt mehr über die Schwächen der/des Anderen und kann gemeinsam Kompromisse finden.
Wie oft streiten ist normal in einer Beziehung?
Hast du sie auch, diese eine Freundin, die dir immer wieder erzählt, dass sie nie mit ihrer/ihrem Liebsten streitet? Nervig und vermutlich auch einfach gelogen. Sorry, aber Streit in der Beziehung – nicht nur an Weihnachten – ist unvermeidlich. Zumindest dann, wenn man sich wirklich nahesteht.
Doch wie viel Streit ist normal, wenn man sich liebt? Laut einer Parship-Studie aus dem Jahr 2021 streiten 63 % der Paare in Deutschland mindestens einmal im Monat. Die 18- bis 29-Jährigen mit 70 % häufiger als die 50- bis 65-Jährigen mit 57 %.
Jede Woche in die Haare kriegen sich 14 % der insgesamt 1.000 Befragten, während 21 % angaben, sich mehrmals im Monat, aber nicht jede Woche zu streiten.
Streit in der Beziehung: Warum streiten Menschen?
Egal, ob wir miteinander sprechen oder streiten, Kommunikation findet auf mehreren Ebenen statt und ist deswegen so schwierig. Es gibt ein Kommunikationsmodell, das besonders simpel verdeutlicht, warum Kommunikation zwischen Menschen schiefgehen kann.
Das Eisberg-Modell: Streit mit dem Partner auf der Beziehungsebene
Nach dem Eisberg-Modell findet Kommunikation auf zwei Ebenen statt: auf der sichtbaren Sachebene (Spitze des Eisbergs) und auf der unsichtbaren Beziehungsebene (das, was unter der Oberfläche liegt).
Auf der Sachebene passiert alles, was reine Information ist, also das Gesagte und das Beobachtbare. Auf der Beziehungsebene hingegen befinden sich jene Informationen, die unbewusst ablaufen: Gefühle, Stimmungen, Ängste, Erfahrungen, Erwartungen, Wertvorstellungen, Bedürfnisse, Interpretationen und mehr. Diese Ebene macht etwa 80 Prozent der Kommunikation aus und ist damit deutlich größer als die rationale Sachebene. Gestik, Mimik und Tonfall machen die Beziehungsebene im besten Fall erkennbar, können Missverständnisse aber auch verstärken.
Kommt es zum Streit mit dem Partner oder der Partnerin, übernimmt häufig die Beziehungsebene, während die Sachebene in den Hintergrund gerät. Das kennst du sicherlich auch: Plötzlich geht es nicht mehr darum, dass du zu spät zu eurem Date gekommen bist, weil die U-Bahn nicht fuhr, sondern darum, dass du (angeblich) eure Beziehung nicht wichtig genug nimmst.
Streit mit dem Partner: So geht gewaltfreie Kommunikation
Der US-amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg (1934-2015) hat das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) als einen Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess entwickelt, den jede*r im Alltag umsetzen kann. Die GFK führt auf der einen Seite zu einem emphatischeren Umgang mit den Mitmenschen und auf der anderen Seite dazu, dass man seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche im Blick hat und ausspricht.
Konkret umfasst die Gewaltfreie Kommunikation vier Schritte:
1. Beobachten, nicht urteilen: Schildere, was du wahrnimmst, ohne es zu interpretieren.
Beispiel: "Ich sehe, du hast den Müll nicht rausgebracht." Vermeide Formulierungen wie "schon wieder", "immer", "nie" oder "War ja zu erwarten".
2. Gefühle erspüren: Sag deiner Partnerin/deinem Partner wie du dich in der aktuellen Situation fühlst.
Beispiel: "Ich ärgere mich darüber, dass der Müll noch hier steht." Vermeide Vorwürfe oder Anschuldigungen wie "Du warst mal wieder zu faul dafür."
3. Ein Bedürfnis benennen: Äußere dein Bedürfnis mit Bezug auf die aktuelle Streitsituation.
Beispiel: "Ich brauche deine Hilfe im Haushalt und den Müll rauszubringen hilft mir."
4. Eine Bitte formulieren: Sag deiner Partnerin/deinem Partner, was sie/er tun soll.
Beispiel: "Bring bitte den Müll jetzt/heute Abend/morgen Früh raus." Wichtig: Diese Bitte sollte möglichst konkret sein und kein frommer Wunsch wie "Bring ab jetzt immer den Müll raus, ohne dass ich dich daran erinnern muss." Solche Appelle kommen bei deinem Gegenüber selten bis nie an.
Diese vier Ebenen der Gewaltfreien Kommunikation umzusetzen, braucht Übung – vor allem, wenn der Streit mit dem Partner/der Partnerin in vollem Gange ist. Sei also vor allem anfänglich nicht zu streng mit dir. Niemand ist von Anfang an ein*e Meister*in in GFK!
Hurt people hurt people: Wenn der Streit mit dem Partner eskaliert
Die Psychologin und erfahrene Paartherapeutin Linda Mitterweger stellt in ihrem Buch "Paartherapie für zu Hause: Das Workbook, um Beziehungskonflikte zu lösen und wieder miteinander glücklich zu werden" ein psychologisches Phänomen vor, das oft dazu führt, dass der Streit mit dem Partner eskaliert: "Hurt people hurt people", auf Deutsch "Verletzte Menschen verletzen Menschen".
Dahinter steckt der Umstand, dass wir beim Streit in der Ehe oder Partnerschaft auf einen Vorwurf oder eine Verletzung (viel zu) häufig mit einem Gegenangriff reagieren.
Was tun, wenn man in der Beziehung viel streitet? 8 Tipps der Paartherapeutin
Zusätzlich zur Gewaltfreien Kommunikation, auf die Linda Mitterweger setzt, gibt die Paartherapeutin ihren Leser*innen acht Tipps an die Hand, die zu einer besseren Kommunikation und zu weniger Streit in der Beziehung führen:
Tipp 1: Sprich nur über Dinge, die du sicher weißt
Ob beim Streit in der Ehe oder in einer Beziehung: Konflikte entstehen meist durch (Fehl-)Interpretationen. Sprich nur über das, was du fühlst oder denkst bzw. gesehen, gehört und wahrgenommen hast.
Tipp 2: Sprich aus, was du dir wünschst
Dein*r Partner*in kann keine Gedanken lesen. Zu sagen, was du dir wünschst, ist Teil einer guten Kommunikation und vermeidet Streit in der Beziehung.
Tipp 3: Übernimm Verantwortung für deine Worte
Wie und ob du mit deinem Gegenüber sprichst, liegt in deiner Verantwortung. Es braucht Übung, die richtigen Worte zu wählen.
Tipp 4: Sei ehrlich
Selbst, wenn du fürchtest, einen Konflikt auszulösen, solltest du offen sagen, was dich bewegt oder beschäftigt. Sonst stauen sich negative Emotionen an, die dann den Streit mit dem Partner eskalieren lassen.
Tipp 5: Höre aktiv zu und frage nach
Zum aktiven Zuhören gehört, nachzufragen, ob du das Gesagte richtig verstanden hast.
Tipp 6: Verzichte auf Verallgemeinerungen
Vor allem beim Streit mit dem Partner wählen wir oft verletzende Verallgemeinerungen – dazu gehören so kleine Worte wie "nie", "immer", "jedes Mal" etc.…
Tipp 7: Verzichte auf Interpretationen
Tipp 8: Sprich Dinge an, sobald sie dir auffallen
Wenn du dich über etwas ärgerst, warte nicht zu lange, um es zu sagen. "In einem frühen Stadium des Ärgers oder wenn der Wunsch nach Veränderung gerade erst aufgekommen ist, ist eine friedliche Lösung noch möglich", weiß Linda Mitterweger.
Die Paartherapeutin betont in ihrem Buch, dass nicht alle acht Tipps von gleicher Wichtigkeit für alle Paare sind. Jede*r soll jene Tipps auswählen, die ihr/ihm relevant für die eigene Beziehung erscheinen und diese regelmäßig üben. Ein Tipp pro Tag ist dabei genug.
Lese-Tipp: Die Psychologin und Paartherapeutin Linda Mitterweger hilft Menschen, ihre Konflikte zu verstehen und gewaltfrei zu lösen. In ihrem Buch "Paartherapie für zu Hause: Das Workbook, um Beziehungskonflikte zu lösen und wieder miteinander glücklich zu werden" kombiniert sie theoretisches Wissen über menschliche Beziehungen mit einer Vielzahl von konkreten Übungen, die Paare zuhause durchführen können.
Ständig Streit mit dem Partner: Wann merkt man, dass eine Beziehung zu Ende ist?
Selbst wenn Streit in der Ehe oder der Partnerschaft konstruktiv, zugewandt und nach den besten Regeln der Kommunikation abläuft, stellen sich die meisten von uns irgendwann die Frage, ab wann es genug ist. Wann merkt man, dass eine Beziehung zu Ende ist?
Der amerikanische Paartherapeut und Forscher John Gottman (*1942) hat die vier größten Red Flags der Paarkommunikation zusammengefasst. Diese "Vier apokalyptischen Reiter", wie er es nennt, bezeichnen negative Verhaltens- und Kommunikationsmuster. Sie sind ernste Anzeichen dafür, dass die Kommunikation eines Paares schlecht läuft und eine Trennung zumindest im Raum steht.
Die vier apokalyptischen Reiter nach John Gottman sind:
1. Verallgemeinernde Kritik: Im Unterschied zu spezifischer Kritik, die sich auf die Sache konzentriert, greift verallgemeinernde Kritik die/den Partner*in im Gesamten an und führt so zu einer Eskalation des Konflikts.
2. Verachtung: drückt sich beispielsweise in Augenrollen, Beleidigung oder Sarkasmus aus.
3. Abwehr: statt sich einer Aussage zu stellen, reagiert die/der Partner*in mit einem Gegenangriff.
4. Mauern: die Partnerin/der Partner schweigt bei Konflikten, ignoriert die Bitten seines Gegenübers oder verlässt den Raum.
Die vier apokalyptischen Reiter zu erkennen, hilft nicht nur bei Streit in der Beziehung. Das Konzept trägt grundsätzlich dazu dabei, die Paarkommunikation zu verbessern.
Wie bei der Gewaltfreien Kommunikation und den Tipps von Paartherapeutin Linda Mitterweger ist es wichtig, dir Zeit zu geben, um neue Erkenntnisse und Verhaltensweisen umzusetzen. Streit in der Beziehung ist nichts, was sich von heute auf morgen in einen konstruktiven Teil des Lebens verwandeln lässt.
Quellen
Bundeszentrale für politische Bildung: Vier Ohren und ein Eisberg; abgerufen am 13.05.2024
Statista: Über welche der folgenden Themen streiten Sie und Ihr/e Partner/in am meisten?; abgerufen am 13.05.2024
Parship Studie: Zoffen, streiten, zanken – so fliegen bei Paaren in Deutschland die Fetzen; abgerufen am 13.05.2024
Infoportal GFK – Gewaltfreie Kommunikation; abgerufen am 13.05.2024
Rosenberg, M. B. (2016). Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag GmbH.
Zentrum für Gewaltfreie Kommunikation; abgerufen am 13.05.2024
Linda Mitterweger: Paartherapie für zu Hause: Das Workbook, um Beziehungskonflikte zu lösen und wieder miteinander glücklich zu werden. Yes Publishing; 1. Edition (17. Mai 2022), 288 Seiten
Lisitsa, E. (o. D.): The Four Horsemen: Criticism, Contempt, Defensiveness, and Stonewalling. The Gottman Institute; abgerufen am 13.05.2024
Artikelbild & Social Media: SeventyFour/iStock