Instagram & Whatsapp: Wie ein Foto das Leben deines Kindes zerstört!
"Mama, in der Schule zeigen sie ein schlimmes Foto von mir herum!" Ein Schock für jede Mutter - besonders aber für das Kind. Wie du dein Kind unterstützen kannst, erfährst du von Marthe Kniep.
Es ist der Horror, wenn persönliche und intime Bilder in falsche Hände geraten. Das bereitet schon Erwachsenen schlaflose Nächte und kann im ungünstigsten Fall sogar zu ernsthaften Problemen im Job und sozialen Umfeld führen. Sind Kinder und Jugendliche davon betroffen, dass ihre intimen Bilder oder Videos gegen ihren Willen in Umlauf gebracht wurden, zieht ihnen das nicht selten komplett den Boden unter den Füßen weg. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern ihre Kinder früh für dieses Thema sensibilisieren und vor allem vor dem sogenannten Sexting warnen, wie das Verbreiten von Nacktbildern des eigenen Körpers im Netz heute genannt wird.
Wie schnell es schief gehen kann
Seit das Versenden von Bildern auch für junge Menschen ein Kinderspiel ist, tauchen immer mehr Berichte von Kindern und Jugendlichen auf, die durch die unbeabsichtigte Verbreitung ihrer persönlichen Fotos in große Not geraten sind.
Und das passiert manchmal schneller, als wir es glauben wollen. Es genügt schon, wenn ein Mädchen sein sexy Foto oder gar Nacktfoto im Vertrauen an seinen großen Schwarm verschickt, und dieser das Bild postwendend stolz an seine Kumpels weiterleitet. Immer wieder passiert es auch, dass Menschen Bilder in der Drogerie entwickeln lassen wollen, den USB-Stick im Gerät stecken lassen und es zu spät merken. Der Stick ist weg und sie müssen mit der Ungewissheit leben, was nun mit den Dateien passiert. Vielleicht wird ein Jugendlicher sogar mit seinen Bildern erpresst, wenn der "Finder" der Dateien es darauf anlegt. Nicht selten werden Smartphones an Schulen mit genau diesem Ziel geklaut und gehackt.
So wird es möglich, dass in sozialen Netzwerken und somit auch in der Schule freizügige Bilder Minderjähriger kursieren, die nicht selten übel kommentiert werden. Und dem hält keine jugendliche Seele allein Stand. Hier ist dringend erwachsene Unterstützung gefragt. Dazu unten mehr.
Es passiert nicht selten
Natürlich wissen junge Menschen heute schon eine Menge darüber, was sie in Sachen Fotos posten und versenden lieber nicht tun sollten. Trotzdem passiert es viel häufiger als gedacht, dass eben doch etwas schiefläuft und die Sache außer Kontrolle gerät. Als ehemalige Leiterin des Dr. Sommer-Teams der BRAVO habe ich über die Jahre bestimmt hunderte dieser panischen Mails bekommen, in denen vor allem Jugendliche darunter litten, dass sie die Kontrolle über ihre Bilder verloren haben.
Manchmal war es die Angst vor den Reaktionen der Schüler und Lehrer, für die die Kinder eine Lösung suchten. Nicht selten quälte aber auch die Angst vor der Reaktion der Eltern, wenn sie davon erfahren würden, was geschehen ist.
Deshalb glaub bitte nicht, dass so etwas nur selten oder ganz weit weg passiert. Es kommt trotz Aufklärung immer wieder vor und es gab schon Suizide deswegen. Viele Betroffene haben mit schlimmen Mobbingerfahrungen zu kämpfen, die ihr Selbstbewusstsein in der kritischen Zeit der Pubertät unter Null sinken lassen. Dann wird es kritisch für diese Kinder, weil sie allein kaum einen Ausweg aus dieser Situation sehen. Deshalb ist es so wichtig, dass Eltern sich rechtzeitig mit dem Thema befassen, um solchen Erfahrungen vorzubeugen.
Wie du mit deinem Kind darüber ins Gespräch kommst
Rechtzeitig anfangen
Das entscheidende Stichwort für die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für Aufklärung in dieser Sache heißt: früh! Am besten, wenn das Kind das erste Gerät bekommt, mit dem es Zugang zu diesem Thema bekommt. In der ersten Zeit ist es völlig in Ordnung, wenn du mit deinem Kind zusammen Nachrichten schreibst und anschaust, was es auf dem Handy macht. In den Straßenverkehr lässt du dein Kind ja auch nicht nach einem Tag an der Hand plötzlich ganz allein los. So ist es auch mit dem Netz. Da darf das Kind auch erst mal längere Zeit "an der Hand" gehen. Und wenn Eltern und Kind sich sicher fühlen, kann die Freiheit erweitert werden.
Internetführerschein machen lassen
Oft müssen sich allerdings Eltern erstmal selber mit dem Thema befassen, wenn sie den Kindern hier kompetent zur Seite stehen wollen. Bei Klicksafe finden sich viele aktuelle Infos rund um das Thema.
Für Kinder wurden aus gegebenem Anlass schon viele Angebote für "Einsteiger" entwickelt, in denen junge Menschen spielerisch den sicheren Umgang mit dem Internet und Social Media einschließlich dem Umgang mit Bildern und persönlichen Daten vermittelt bekommen. Empfehlenswert ist zum Beispiel der "Surfschein".
Zum Nachdenken bringen
Es macht einen großen Unterschied, ob wir etwas einfach verbieten, oder ob das Kind selber zu einem Verständnis gekommen ist, warum es etwas besser nicht tun sollte. So ist es auch mit dem Versenden von Bildern.
Statt es pauschal zu verbieten, schau dir gemeinsam mit deinem Kind Bilder an. Gut geeignet sind Urlaubsbilder aus dem Sommer oder Badewannenfotos von früher. Frag dein Kind zum Beispiel bei einem Badeanzugbild: Würdest du das jemand anderem schicken? Wenn ja, an wen? An uns? An Oma und Opa? An deine Freundinnen/Kumpels? Auch an Jungs/Mädchen? Oder an den Klassenlehrer? An unsere Regionalzeitung? Durch diese Abstufung kommen manche Kinder dahin, ein Gespür für die Unterschiede zu entwickeln, was angemessen ist, wo Scham entsteht und was gar nicht geht.
Oder frag: Hast du schon mal mitbekommen, dass jemand ein sehr freizügiges Bild verschickt hat? Wie ging es dir damit, das zu wissen? Was hättest du gemacht? Hat irgendjemand schlecht über denjenigen gesprochen?
Alles, was das Kind zum Nachdenken bringt und eigene Erkenntnisprozesse anregt ist jetzt hilfreich. Der erhobene Zeigefinger bleibt am besten unten. Denn dann stellen die meisten Kinder auf Durchzug und du wirst als Elternteil nicht mehr als guter Ansprechpartner für dieses Thema wahrgenommen. Das wird dann brisant, wenn ein Kind wirklich die Hilfe seiner Eltern braucht.
Berichte Betroffener aus den Medien vorlesen
Eindrücklich sind auch Artikel über junge Menschen, deren Bilder in falsche Hände geraten sind und die deswegen einen längeren Leidensweg durchschreiten mussten. Da sich Jugendliche allerdings schon ohne Mobbing in teilweise sehr labilen Seelenzuständen befinden, sollten Sie mit Berichten sensibel und zurückhaltend umgehen, in denen sich Betroffene das Leben genommen haben. Es besteht Nachahmungsgefahr. Besser sind Berichte, in denen jemand mit der richtigen Hilfe nach so einem Erlebnis sein Leben wieder in den Griff bekommen hat. Also alle Berichte, die gute Lösungsstrategien beinhalten.
Über Rechte aufklären
Intime Bilder von anderen Menschen gegen ihren Willen zu verbreiten ist verboten. Es ist kein Streich abzutun, sondern wirklich mit Konsequenzen verbunden, wenn der Betroffene beziehungsweise dessen Eltern diese Tat zur Anzeige bringen. Besitzen oder verbreiten Strafmündige Bilder nackter Minderjähriger oder von Minderjährigen, die beim Praktizieren sexueller Handlungen gezeigt werden, ist dies ebenfalls strafbar. Auch das sollten Schüler wissen, wenn sie mal ungewollt in den Besitz solcher Bilder kommen oder diese unbedarft weiterleiten. Hier heißt es: gleich löschen oder bei der Schulleitung (im schulischen Kontext) oder Polizei melden und auf keinen Fall weiterleiten.
Wenn Bilder in falsche Hände geraten sind
Jedes Kind in dieser Situation braucht die Hilfe und den Schutz Erwachsener! Hat ein Kind die Kontrolle über seine eigenen Bilder verloren, wird es deswegen erpresst, schikaniert oder mit Beleidigungen konfrontiert? Dann braucht es unbedingt die Unterstützung seiner Eltern und anderer Erwachsener aus seinem privaten und schulischen Umfeld. Es muss sofort gehandelt werden! Vorwürfe bringen jetzt nichts!
Das Wichtigste ist: Steh hinter dem betroffenen Kind. Junge Menschen können nichts dafür, dass Erwachsene die Möglichkeiten dafür geschaffen haben, dass Kinder in so folgenreiche Situationen kommen, weil sie einmal leichtsinnig, gutgläubig oder unbedacht gehandelt haben.
Wurden Bilder im schulischen Kontext verbreitet, muss die Schulleitung informiert werden und gegenüber Schüler und Elternschaft deutlich kommunizieren, dass diese ungewollte Bilderverbreitung und daraus resultierendes Mobbing an der Schule nicht geduldet wird und mit Konsequenzen verbunden ist.
Eltern sollten den Vorfall umgehend bei der Polizei melden, auch für den Fall, dass der Täter zunächst nicht klar zu ermitteln ist.
Auf den zur Verbreitung genutzten Social-Media-Plattformen können solche Vorfälle gemeldet werden, Nachrichten gelöscht und User blockiert sowie beleidigende Kommentare gemeldet und gelöscht werden. Es gibt hierzu sogar Apps, mit denen einfach und leicht verständlich dabei geholfen wird, gegen die Inhalte anzugehen und die darüber hinaus noch rechtliche Hintergrundinformationen und Links zu Beratungsstellen beinhalten.
Stärke dem Kind den Rücken und versuch ihm klarzumachen, dass das Geschehene für andere in vielen Fällen bald vergessen ist, auch wenn es für das Kind noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Manchmal ist für einen Neuanfang ein Schulwechsel hilfreich, auch wenn einen vieles bis an die neue Schule verfolgt. Abstand zu den sozialen Netzwerken zu bekommen ist jetzt wichtig. Auch zu verstehen, wie schnell ein schlimmer Post geschrieben ist und wie wenig die Menschen darüber nachdenken, wie es anderen damit geht.
Manchmal ist therapeutische Hilfe erforderlich, um das Selbstwertgefühl des Betroffenen wiederaufzubauen, den Betroffenen und seine Familie darin zu unterstützen, wieder an das normale Leben anzuknüpfen, auch wenn ihnen etwas so Schlimmes und Beschämendes passiert ist. Hierfür gibt es auch Hotlines, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben.