Mein Kind mag mich nicht! Was Eltern tun können
Wie gehen Eltern mit Ablehnung um, wenn ihr Sprössling in einer Phase nur noch den anderen Elternteil lieb hat? Die Familientherapeutin Marthe Kniep gibt praktische Tipps.
- Warum Kinder phasenweise einem Elternteil näherstehen
- Warum es keine Entscheidung für oder gegen einen Elternteil geben muss
- Warum die Abgrenzung zum anderen Elternteil manchmal wichtig ist
- Wie man sich als „Abgelehnter“ wieder angemessen ins Spiel bringt
- Wie der bevorzugte Elternteil den anderen wieder „reinholen“ kann
- Wann der Wunsch nach Abstand bedenklich ist
Nächte haben Eltern durchwacht und alles gegeben, damit sich die Kinder geliebt und gut versorgt fühlen. Anfangs ist man die tollste Mama, der beste Papa. In den kleinen Kinderaugen sind beide die wunderbarsten Menschen der Welt. Doch früher oder später kommt er - der Tag, an dem man sein Kind sagen hört: Du bist so doooof! Ich hab Mama viel lieber als dich. Oder: Du kapierst nichts! Ich hasse dich! Sprich mit meiner Hand und lass mich in Ruhe. Wie kann so einer mein Vater sein?
Das tut weh und wirft die Frage auf, was man um Himmels Willen falsch gemacht hat, dass das eigene Kind einen nicht mehr zu mögen scheint. Doch keine Sorge: So ein Geschimpfe heißt normalerweise nicht, dass Ihr Kind sie wirklich nicht mehr mag. Oft hat es mit Entwicklungsphasen zu tun, auf die man besser eingehen kann, wenn man sie versteht.
Hier erfährst du, warum Kinder sich manchmal einem Elternteil gegenüber ablehnend verhalten und wie du darauf eingehen kannst, damit deine Beziehung zu deinem Kind weiter stabil und gut bleibt.
Warum Kinder phasenweise einem Elternteil näherstehen
Die unterschiedlichen Lebensphasen bringen ganz verschiedene Bedürfnisse mit sich. Und Kinder spüren schnell, welcher Elternteil gerade besonders dafür geeignet ist, ihre Bedürfnisse zu stillen. So ist zu Beginn oft die Mutter unentbehrlich und der Vater fühlt sich teilweise etwas überflüssig. Bei Kleinkindern ist der Elternteil besonders gefragt, der gerne spielt oder aktiv ist oder der am meisten Sicherheit ausstrahlt. Zum Kuscheln ist es dann manchmal auch der andere Teil. Und in Richtung Pubertät wird oft der bevorzugt, der besonders gelassen oder großzügig ist oder auch das gleiche Geschlecht hat.
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All das ist normal und kein Zeichen dafür, dass die Beziehung nicht stimmt. Sondern eher ein Ausdruck dessen, dass ein Kind weiß, worin welcher Elternteil besonders kompetent oder nützlich ist.
Warum es keine Entscheidung für oder gegen einen Elternteil geben muss
Gerade kleine Kinder denken manchmal, dass sie sich entscheiden müssen, wen sie lieber haben. Sie stehen mit dieser Idee manchmal richtig unter Druck. Öffnen sich Kinder mit diesem Konflikt oder vermuten Sie ihn als Elternteil bei ihrem Kind ist es hilfreich, zu erklären:
Du musst dich nicht entscheiden, wen du lieber hast. Es ist für uns beide in Ordnung, wenn du dich manchmal mir näher fühlst oder mal Papa/Mama. Das ist normal. Bei uns war das früher auch so und es kann sich immer wieder ändern.
Wenn Kinder das verinnerlichen, können sie freier zwischen beiden Elternteilen hin- und herpendeln, ohne sich mit einem Elternteil verbünden oder sich gegen einen Elternteil entscheiden zu müssen.
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Warum die Abgrenzung zum anderen Elternteil manchmal wichtig ist
Wichtig ist es zu wissen, warum Kinder sich ab und zu bewusst von den Eltern distanzieren müssen. Zum einen liegt das an der gesunden Abnabelung der Kinder von den Eltern, wie sie spätestens in der Pubertät erfolgt. Dann erlebt manchmal der bisher heiß geliebte Elternteil, dass er nicht mehr so gefragt ist wie früher. Denn das Kind muss zur erfolgreichen Abnabelung Distanz herstellen. Und dies nehmen manche Eltern fälschlicherweise als Ablehnung wahr. Dabei ist es der ganz normale Lauf der Dinge. Hier braucht es langen Atem, um dem heranreifenden Kind Zeit zu geben, von selber wieder auf einen zukommen zu können. Jedes „Hast du mich denn gar nicht mehr lieb?“ schafft sonst wieder Abstand.
Zum anderen ist es oft so, dass Elternpaare sich in ihren Eigenschaften ergänzen. Das bedeutet aber auch, dass die Kinder sie teilweise als gegensätzlich wahrnehmen: sanft/streng, emotional/rational, aktiv/ruhig, männlich/weiblich, großzügig/sparsam, humorvoll, ernst, technisch interessiert oder eben nicht und vieles mehr. Da liegt es auf der Hand, dass ein Kind sich mal mehr mit dem einen Elternteil identifizieren kann und mal mehr mit dem anderen.
Wie man sich als „Abgelehnter“ wieder angemessen ins Spiel bringt
Wenn sonst alles recht normal verläuft, gibt es keinen Grund, solche Entwicklungen persönlich zu nehmen. Sich zu hinterfragen ist immer okay. Doch nicht jedes Schweigen, jedes ablehnende oder kritische Wort muss auf die Goldwaage gelegt werden.
Hilfe, ich mag mein eigenes Kind nicht: Was kann ich tun?
Hilfreich ist es eine elterliche Haltung zu entwickeln, in der das Kind spürt: Ich als Mutter/Vater halte es aus, wenn du deiner Mutter/deinem Vater in dieser Sache oder Phase gerade näherstehst als mir. Das kann er/sie auch wirklich gut. Ich mache es dir nicht zum Vorwurf. Wenn du mich in einer anderen Angelegenheit brauchst, bin ich trotzdem immer für dich da.
Es kann auch direkt angesprochen werden: Ich sehe, dass du gerade besonders eng mit Mama/Papa bist. Das ist okay für mich. Ich freu mich, wenn ich trotzdem ab und zu ein bisschen was von dir mitkriege, weil ich so stolz auf dich bin, wie du alles hinbekommst.
Wie der bevorzugte Elternteil den anderen wieder „reinholen“ kann
Andersrum ist es wichtig, dass der aktuell bevorzugte Elternteil sein Kind ab und zu darauf hinweist, wenn es den anderen Elternteil mit seiner Kompetenz nicht sieht. Zum Beispiel so:
Das ist was, wo Papa sich viel besser mit auskennt als ich. Frag ihn doch mal. Oder: Ich kenne mich damit nicht aus. Aber ich weiß, dass deine Mutter das schon mal gemacht hat. Frag sie doch mal. Vielleicht auch: Ganz ehrlich. Du bist ein Mädchen und ich ein Mann. In dieser Sache weiß deine Mama einfach besser Bescheid. Ich kann dir nur sagen, wie ich das als erwachsener Mann sehe...
So kann ab und zu der andere Elternteil wieder auf den Bildschirm geholt werden. Gerade in der Pubertät schafft so ein Zusammenhalten der Eltern immer wieder kleine Momente der Begegnung, die helfen, eine Durststrecke im Kontakt zum Kind zu überstehen.
Wann der Wunsch nach Abstand bedenklich ist
Es gibt Fälle, in denen der Wunsch nach Abstand bedenklich ist. Hier braucht es rechtzeitig ein offenes Gespräch: Was ist eigentlich los mit Mama und dir? Hattet ihr Ärger? Oder: Zwischen euch knallt es im Moment so oft. Magst du mir erzählen, was dich so aufregt? So erfährt das Kind, dass die Eltern offen sind und es sie darauf ansprechen kann. In der Pubertät kann es sein, dass das Kind trotz der Offenheit der Eltern nicht erzählen will. In anderen Phasen kommt es manchmal auf den passenden Moment an. Oft ist es abends an der Bettkante die passende Atmosphäre, mal einen Moment zweisam und vertraut zu sprechen, was der Tag mit sich gebracht hat. Solche Momente können bewusst hergestellt werden, wenn Eltern spüren, dass etwas in der Luft liegt.
Lehnt ein Kind – egal welchen Alters – den Kontakt zu einem Elternteil vollständig ab, ist das immer ein Grund aufmerksam zu werden und genau hinzuschauen: Was ist da passiert? Braucht das Kind Schutz? Hat es etwas mitbekommen, was es nicht verkraftet hat? Es kann viele Gründe geben. Manche Kinder schaffen es, darüber zu sprechen. Andere sind verschlossen und haben Angst oder schämen sich über ihre Gefühle zu sprechen.
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Oft ist dann hilfreich, einen Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten oder Systemischen Familientherapeuten einzubeziehen, um erstens mit kindgerechten Fragen und Methoden herauszufinden, was los ist. Zweitens um das Kind und seine Eltern aufzufangen und drittens um Hilfen zur Bewältigung der Situation zu entwickeln. Auch die Einbeziehung des Jugendamtes (Allgemeiner sozialer Dienst/ASD) kann sinnvoll sein, wenn die Familie sich in einer Situation wiederfindet, in der es möglicherweise um eine Kindeswohlgefährdung geht.
Text: Marthe Kniep
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