Mein Mann hat die Lebenslust verloren
- Viele Männer haben große Angst vor finanziellen Krisen und arbeiten deshalb zu viel. Ist diesen Männern bewusst, dass sie durch die viele Arbeit das Familienleben riskieren, das sie zu schützen versuchen?
- Wenn mein Mann spätabends nach Hause kommt und nur noch erschöpft auf der Couch sitzt, bevor er wenig später ins Bett geht - was kann ich tun?
- Welche Möglichkeiten bleiben mir, wenn er jedes Gespräch zur Situation verweigert?
- Wann ist es Zeit, eine Beziehung zu einem Mann ohne Lebenslust aufzugeben?
Viele verzweifeln, weil ihre Liebe nicht ausreicht, den Partner zu heilen
Er spricht kaum noch, er lacht nicht mehr, sein Gesicht sieht ganz grau aus. Wenn Männer die Lust am Leben verlieren, brauchen sie dringend Hilfe. Es könnte eine Depression sein.
Wenn er nach Hause kommt, sinkt er nur noch ermattet auf die Couch. Fernseher an, Schweigen. Ihr Liebesleben existiert schon lange nicht mehr, wie ein Kuss sich anfühlt - vergessen.
Immer wieder passiert es, dass Männer sich in den Mühlen des Alltags aufreiben und vor lauter Pflichten vergessen, sich um sich selbst und auch ihre Lebensgefährtin zu kümmern. Wie es gelingen kann, so eine Situation zu verändern und die Freude zurück ins gemeinsame Leben zu holen, haben wir zwei Experten gefragt: eine Ärztin für Neurologie und einen Beziehungsoach.
Zwei Experten beantworten unsere Fragen
Wir lassen Dr. med. Christa Roth-Sackenheim (Ärztin für Neurologie und Psychiatrie) und Eric Hegmann (Parship-Beziehungsexperte) abwechselnd auf unsere Fragen antworten:
Viele Männer haben große Angst vor finanziellen Krisen und arbeiten deshalb zu viel. Ist diesen Männern bewusst, dass sie durch die viele Arbeit das Familienleben riskieren, das sie zu schützen versuchen?
Dr. Roth-Sackenheim: Den Männern ist das in der Regel nicht bewusst. Sie denken: "Meine Frau und meine Kinder müssen doch merken, dass ich das alles nur für sie tue. Warum sind sie so undankbar und nie zufrieden, ich tue doch schon alles was ich kann?" Männer verstehen oft nicht, dass sie dann nicht greifbar sind.
Eric Hegmann: Statistisch überschätzen Männer ihren Gesundheitszustand häufiger als Frauen. Deshalb achten seit einigen Jahren Hausärzte auch genauer auf Symptome wie Kopfschmerzen, Rückenprobleme, Verspannungen, Magenbeschwerden oder Schlafstörungen und mangelnde Konzentration. Das alles können Warnsignale für eine Depression oder einen Burn-Out sein. In den vergangenen Jahren wurden auch, obwohl Frauen nach wie vor als gefährdeter gelten, immer mehr Männer wegen Depressionen behandelt. Der aufopfernde Partner kann dann schnell zum Pflegefall werden. Leider bügeln viele Männer die Sorgen ihrer Partnerin weg – solange bis im Freundeskreis ein erster Fall auftaucht. Eine häufige Begleiterscheinung einer Depression: Überkompensation in Arbeit oder auch Sport. Menschen, die unter Depressionen leiden, erleben Hochgefühle seltener oder gar nicht mehr; sie suchen sich dieses Erlebnis dann beispielweise in Erfolgen in der Arbeit. Das geht auf Dauer aber an die Substanz. Gerade bei Männern lassen sich auch andauernde Gereiztheit, eine höhere Risikobereitschaft und ein gesteigertes Aggressionspotenzial beobachten.
Wenn mein Mann spätabends nach Hause kommt und nur noch erschöpft auf der Couch sitzt, bevor er wenig später ins Bett geht - was kann ich tun?
Dr. Roth-Sackenheim: Meistens kann der Mann dann gar nicht auf ein vernünftiges Gespräch eingehen. Die Chance ist groß, dass er einen Gesprächsversuch als Angriff auffasst, insbesondere wenn Frau sagt "Nie bist du da" oder ähnlich. Er ist in seiner Wahrnehmung der "abgekämpfte Held", der anerkannt werden möchte, aber auch in Ruhe gelassen. Ein Gesprächsversuch sollte an freien Tagen erfolgen, am besten man nimmt sich als Paar regelmäßige Auszeiten am Wochenende. Man sollte auch stets seine Wünsche an ihn mit "Ich-Botschaften" formulieren, etwa so "Ich möchte am Sonntag mit Dir spazieren gehen".
Eric Hegmann: Was auf keinen Fall funktioniert zuerst: Vorwürfe und Aufmunterungen. “So schlimm ist es doch gar nicht!” oder “Nimm dich doch einfach mal zusammen!” helfen überhaupt nicht. Sie können nur positive Signale setzen und versuchen, ihm Dinge nahe zu bringen, die ihm Freude bereiten. Seien Sie kreativ und wechseln Sie Ihre Strategien häufig, damit er sich nicht Ausreden zurecht legen kann. Doch wenn er durch Ihre Mühen noch mehr gestresst wird: Legen Sie ihm nahe, sich untersuchen zu lassen. Männer werten Depressionen überwiegend als psychische Störung, dabei sind biochemische Abläufe meist der Grund, warum aufhellende und euphorisierende Botenstoffe nicht mehr wirken. Eine Depression muss behandelt werden. Wenn er also nicht zum Therapeuten möchte, fällt ihm der Gang zum Neurologen vielleicht leichter. Häufig bemerken die Männer die Veränderungen gar nicht und werden von der Partnerin oder Familienangehörigen erst darauf aufmerksam gemacht, dass etwas nicht stimmt.
Welche Möglichkeiten bleiben mir, wenn er jedes Gespräch zur Situation verweigert?
Dr. Roth-Sackenheim: Man kann versuchen, andere zu bitten, mit dem Mann zu sprechen. Manchmal eignen sich gute Freunde des Mannes dazu. Es bleibt der Frau nur weiterhin ihre Wünsche ganz klar zu formulieren. Wenn es nicht mehr geht, muss man sagen: "Ich kann nicht mehr so leben. Wenn sich nichts ändert gehe ich." Trotzdem kann es sein, dass der Mann das alles nicht wahrnimmt und am Schluss der Meinung ist, es war doch immer alles n Ordnung und er habe von nichts gewusst.
Eric Hegmann: Wenn er Ihnen auf die Frage "Wie geht es dir und wie zufrieden bist du mit deiner derzeitigen Lebenssituation?" nichts zu antworten weiß, sollten Sie ihm helfen, einen Arzt aufzusuchen. Dazu ist sicher hilfreich aufzuzeigen, dass Depressionen behandelt werden können. Dass es eine deutliche Verbesserung geben kann. Doch dazu muss sich etwas verändern – beispielsweise eine Behandlung. Haben Sie Geduld. Viele Depressionspatienten hätten sich ohne die Unterstützung ihrer Partner nie in eine Behandlung begeben. Informieren Sie sich: Es gibt fast so viele Broschüren, Internet-Foren und Fachbücher über den Umgang mit einem depressiven Partner wie Bücher über Depressionen. Sie müssen Verständnis entwickeln, für das Krankheitsbild und auf sich selbst nebenher aufpassen. Es ist gut, wenn Sie ebenfalls mit dem behandelnden Arzt sprechen. Er hat professionelle Strategien, um Fähigkeiten und Wege wieder zu entdecken, an die der Betroffene selbst nicht glaubt. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, sein Leben zu verändern, als der Erkrankte in der Situation wahrnimmt.
Wann ist es Zeit, eine Beziehung zu einem Mann ohne Lebenslust aufzugeben?
Dr. Roth-Sackenheim: Wenn Sie selbst deshalb die Lebenslust verlieren, sich nichts mehr zutrauen, nicht mehr schlafen, aus Frust Gewicht ab- oder zunehmen.
Eric Hegmann: Selbstschutz ist wichtig. Häufig benötigen Angehörige mindestens so viel oder sogar mehr Hilfe als die Betroffenen. Ob und wann Sie Ihren Partner aufgeben, können nur Sie für sich selbst entscheiden. Viele verzweifeln, weil ihre Liebe nicht ausreicht, den Partner zu heilen. Das kann sie nicht. Sie können dem Erkrankten und sich das Leben erleichtern, aber Sie können keine Behandlung ersetzen. Nehmen Sie sich selbst den Druck, dann wird es leichter.
Weitere Informationen und Hilfangebote finden Sie hier:
Buch: Mit dem schwarzen Hund leben: Wie Angehörige und Freunde depressiven Menschen helfen können, ohne sich dabei selbst zu verlieren | von Ainsley und Matthew Johnstone
Telefonseelsorge: 0800 / 111 0 111 oder 0800 111 0 222, www.telefonseelsorge.de
Patienteninformationsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
Tel. 0800 / 622 44 88 (kostenfrei)
Mo–Do 8 bis 17 Uhr, Fr. 8 bis 13 Uhr
www.deutsche-depressionshilfe.de
www.buendnis-depression.de
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