Mein Mann kommt beim Masturbieren, aber nicht beim Sex: Was kann ich tun?
Was kann ich tun, wenn mein Mann nur bei der Masturbation kommt, nicht aber beim Sex? Familientherapeutin Marthe Kniep klärt auf und gibt Tipps.
Ein Orgasmus beim Geschlechtsverkehr ist entgegen allen Vorurteilen für viele Männer kein Selbstgänger. Auch sie haben auf unterschiedliche Weise damit zu kämpfen, dass sie beim Sex mit der Partnerin zwar erregt sind, aber trotzdem keinen Höhepunkt erreichen. Im Gegensatz dazu gelingt es ihnen bei der Masturbation oft problemlos. Da kommen bei Mann und Frau schnell Zweifel oder Schuldgefühle auf: Findet er mich nicht mehr so sexy? Liegt es am Alter? Ist die Lust über die Zeit verflogen? Mache ich es falsch?
Häufig sind solche Zweifel unbegründet. Denn der wahre Grund ist bei den meisten, dass sie sich über die Jahre bei der Selbstbefriedigung und auch beim Geschlechtsverkehr sexuelle Verhaltensweisen angewöhnt haben, die auf Dauer für die Orgasmusfähigkeit beim partnerschaftlichen Sex ungünstig sind. Die Erklärung dafür ist eigentlich ganz einfach.
Die Bedeutung sexueller Gewohnheiten bei der Masturbation
Männer haben genau wie Frauen eine bestimmte Technik, wenn sie sich sexuell erregen wollen. Sie wissen, was sie dazu an Stimmung, Fantasien, Bildern, Berührungen und Bewegungen brauchen. Bei der Masturbation eignen sich die meisten mit der Zeit einen Ablauf an, der sie zuverlässig und schnell zum Höhepunkt bringt. Grundsätzlich ist dagegen nichts zu sagen. Es kann sich nur negativ auf den partnerschaftlichen Sex auswirken, wenn die eingeübte Stimulation bei der Selbstbefriedigung erheblich von der Stimulation beim Geschlechtsverkehr abweicht. Und das ist oft der Fall.
Bei Männern ist es häufig so: Sie reiben ihren Penis bei der Masturbation mit immer derselben Hand mehr oder weniger gleich vor und zurück. Sie können Druck und Reibung mit der Hand viel stärker steigern als es der Vagina möglich ist, selbst wenn die Frau einen super trainierten Beckenboden hat. Außerdem spannen viele Männer ihre Muskeln sehr an und atmen nur noch flach, während sie sich selbst befriedigen. An diese Art der Stimulation gewöhnt sich der Körper und das Gehirn speichert ab: So muss es laufen. Schwächere Reize werden im Gehirn weniger etabliert.
Der Weg zum Ziel ist es deshalb, das eigene Repertoire zu erweitern, damit es nicht nur den „anpackenden“ Weg zum Höhepunkt gibt, an den Mann sich gewöhnt hat, sondern auch noch einen „flexibleren“ oder auch „feineren“. Das gilt für Frauen wie für Männer. Doch hier sind jetzt die Männer im Fokus.
Den Penis für Sex sensibilisieren
Es geht also darum, den Penis wieder mehr zu sensibilisieren. Denn er hat überall feine Sensoren, deren Sensitivität oft erst wieder durch sanfte Berührungen angeregt werden müssen, damit beim Geschlechtsverkehr auch die weichen, feinen und gleitenden Berührungen der Vagina gespürt und genossen werden können.
Das kann ein Mann trainieren, in dem er zunächst bei der Masturbation weniger Druck ausübt oder diesen hin und wieder variiert. So werden nicht nur die Sensoren aktiviert, die viel Druck gewohnt sind, sondern das Gehirn merkt sich zusehends wieder, welche Feinheiten auch angenehm und erregend sein können.
Es gibt noch weitere Variationen, die Schritt für Schritt ausprobiert und kombiniert werden können, wenn die Erregung auf diese Weise gut gehalten werden kann:
- Benutzen von Gleitgel, um die Erregung bei weniger Reibung halten zu lernen
- Die Hand langsamer bewegen als sonst
- Beim Masturbieren aufstehen
- Tief ein und ausatmen, damit der Körper möglichst entspannt und gut durchblutet wird
- Nicht die Hand bewegen, sondern die Hüfte, um den Penis durch die ruhig gehaltene Hand gleiten zu lassen (Bewegung vom Geschlechtsverkehr nachahmen)
- Pornos weitgehend weglassen und die Lust aus sich selbst heraus entstehen lassen (eigene Fantasien, Erinnerungen an frühere sexuelle Erlebnisse…)
- Die eigenen erogenen Zonen erforschen und einbeziehen (auch beim Sex mit der Partnerin)
Locker in der Hüfte werden
Die oben erwähnte Hüftbewegung – sie wird auch Beckenschaukel genannt - hat den Vorteil, dass sie eine gute Durchblutung ermöglicht und die Ejakulation mit etwas Übung besser gesteuert werden kann. Außerdem ist man insgesamt weniger angespannt und besser im Atemfluss, wenn man nicht steif wie ein Brett drauf los bummst. Manches Erektionsproblem löst sich, wenn die Bewegungen weicher werden und sich Anspannung und Entspannung durch die Beckenschaukel immer wieder abwechseln. Und wir nehmen mehr Berührungen wahr, wenn wir tief weiteratmen, weil alle Muskeln gut durchblutet sind und der Fokus der Aufmerksamkeit nicht nur auf unseren Genitalien liegt.
Übung macht den Meister – und die Meisterin
Es braucht oftmals einiges an Übung, um die Synapsen im Gehirn neu zu verschalten, damit auch sanftere Stimulation die Produktion der gewünschten Sexualhormone ankurbeln. Doch in dem Fall ist für viele das Üben zum Glück mit vielen Höhepunkten verbunden.
Frauen, die es nicht so gern sehen, wenn der Mann „trotz Beziehung“ onaniert, sollten hier eigennützig ein Auge zudrücken. Statt zu hadern können sie selber ausprobieren, ihr eignes Repertoire zu verändern. Denn auch Frauen können ihre Orgasmusfähigkeit noch ausbauen, in dem sie neue Wege probieren, ihre Vagina zu stimulieren und ebenfalls mehr Sensitivität im Inneren und mehr Beweglichkeit in die Sexualität einfließen lassen.
Für eingespielte Paare braucht es manchmal etwas Mut und das Wecken jugendlicher Experimentierfreude. Doch es ist nötig: Denn nur wer etwas anders macht, kann auch etwas verändern. Ein offener Umgang mit dem Vorhaben ist an dieser Stelle sinnvoll. Denn es kann natürlich sein, dass Unsicherheiten entstehen oder sich nicht sofort die gewünschten Erfolge einstellen. Doch da ja beide das Ziel haben, den Sex zu zweit wieder mehr zu genießen, lohnt es sich.
Profis fragen
Wer generell mehr über gut erforschte und hilfreiche Ideen zum Thema Sex und Orgasmus erfahren möchte, findet unter www.sexocorporel.com professionelle Seminare und seriöse Informationen über Sexualität von anerkannten Sexualforschern, nach deren Erkenntnissen heute die meisten Sexualtherapeuten arbeiten. Männern und Frauen mit Orgasmusproblemen beim Sex empfehlen wir die gleichzeitige Lektüre konkreter Fachbücher wie „Coming soon. Orgasmus ist Übungssache“. Dort werden viele weitere Tipps zum Thema gut verständlich und ausführlich beschrieben und mit vielen praktischen Übungen für Männer und Frauen ergänzt. Hilfreich ist auch der direkte Weg zum Sexualtherapeuten, der ganz individuell auf jedes Paar oder jeden Einzelnen eingehen kann. Denn zum Orgasmus beim Geschlechtsverkehr gehören nun mal zwei. Da macht es Sinn, wenn sich beide damit beschäftigen.
Autorin: Marthe Kniep
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