Mobbing von Schwangeren und Müttern: Kind da, Job weg
Wird eine Frau schwanger und damit Mutter, muss sie oft mit Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz rechnen. Mütter berichten.
- 25 Mütter packen aus: So mies wurden wir behandelt
- Erfahrungsberichte von Müttern, die im Job gemobbt wurden
- Mobbing von Müttern im Job: Es trifft die ganze Gesellschaft
- Auch immer mehr Väter sind betroffen
- Was gegen das Mobbing am Arbeitsplatz hilft
- Gesellschaft, Arbeitgeber und Betroffene müssen umdenken
25 Mütter packen aus: So mies wurden wir behandelt
Kündigung in der Schwangerschaft, Mobbing am Arbeitsplatz bis zur eigenen Kündigung, Nicht-Einladung zu Vorstellungsgesprächen wegen der Kinder, Wiederanstellung nach der Elternzeit nur in gering bezahlten Teilzeit-Stellen – die Liste von möglichen Benachteiligungen von Müttern im Arbeitsleben ist lang.
Mobbing und Diskriminierung von Müttern am Arbeitsplatz – dazu hat Christina Mundlos, Buchautorin und Expertin für Gleichstellungsfragen, 25 schockierende Erfahrungsberichte von Müttern gesammelt, die sie in ihrem neuen Buch „Mütter unerwünscht“ veröffentlicht hat.
Dies sind - stark gekürzt - drei der Erfahrungsberichte, die deutlich machen, wie sehr Mütter in Deutschland noch immer zu kämpfen haben, um sich und ihren Kindern ein vernünftiges Leben zu ermöglichen:
Erfahrungsberichte von Müttern, die im Job gemobbt wurden
► Marie, Nordrhein-Westfalen
„Mein Name ist Marie, ich bin 48 Jahre alt und habe fünf Kinder (11 bis 23 Jahre alt). Es ist nun ca. drei Jahre her, da teilte mir eine Freundin mit, der ortsansässige Nummernschilder- und Passfotoshop würde eine Aushilfe suchen. Ich rief also dort an, um mich zu erkundigen, ob und wie ich mich bewerben muss. Das Telefon nahm eine Dame, die ca. in ihren 50ern war, ab und fragte mich sofort, wie alt ich denn wäre, ich würde so jung klingen und ich hätte ja sicher Kinder. Ich war schon etwas verdutzt, erklärte ihr, dass ich noch zwei Kinder im Schulalter hätte und drei große Kinder, die jedoch nicht hier wohnen. Es kam gar nicht dazu, dass sie mir das Tätigkeitsfeld des ausgeschriebenen Arbeitsangebotes vorstellte. Sie antwortete mir auf die Kinderfrage direkt: „Naja, das können wir nicht gebrauchen, Kinder sind eben Ballast und wir brauchen Leute, die auch mal einspringen können, und das geht mit Kindern ja nicht“. BÄM, das saß erst einmal […]“
► Jessica, Niedersachsen
„Mein Name ist Jessica, ich bin 33 Jahre und habe zwei Söhne, die zwei und fast fünf Jahre alt sind. Seit 2000 bin ich in der Altenpflege tätig. Dass das Arbeiten in dieser Branche auch bedeutet, dass man in Schichten und/oder auch am Wochenende tätig ist, war mir schon immer bewusst. All das stand auch nie zur Debatte. Ich wusste einfach, dass ich meinen Nachwuchs an ein gewisses Sozialdenken und Verständnis für meine Arbeit heranführen wollte. So der Plan… Um nach meiner einjährigen Elternzeit auch wieder einsatzfähig zu sein, habe ich mich rechtzeitig um einen Krippenplatz bemüht, den ich auch recht bald sicher hatte. Frohen Mutes und total sicher, gleich eine Arbeit zu finden, ging ich in die Bewerbungsphase. Schon am Telefon wurde ich gleich mit folgenden Worten aus der Leitung geworfen: „Sie haben ein kleines Kind? Ach, oh. Ja, das ist natürlich jetzt schwierig. Angestellte mit kleinen Kindern können wir leider nicht gebrauchen. Sie müssen das verstehen. Die sind nicht so geeignet für uns.“ Das kannte ich bislang nicht. Aufgrund meiner Ausbildung als examinierte Pflegefachkraft war ich es eigentlich gewohnt, schnell eine Anstellung zu finden.
Total irritiert fragte ich ein „Warum?“, das anfangs noch sehr schüchtern und unsicher, später dann immer empörter ausgesprochen wurde. Es kamen dann Argumente wie diese: kleine Kinder seien ständig krank, man könne seine Arbeit nicht ordentlich machen und sich nicht konzentrieren, weil man ja mit seinen Gedanken eigentlich immer nur beim Kind sei. Und dass Mütter mit kleinen Kindern doch eigentlich noch viel lieber zu Hause sein würden. Arbeiten ginge man als Mutter ja nur noch, um sich etwas Geld für Shopping und Friseur dazuzuverdienen … Was erdreisten sich eigentlich gewisse Menschen, wissen zu wollen, was meine Motive sind, arbeiten zu gehen? Gibt es denn nicht auch einfach die Möglichkeit, dass ich gerne arbeite? Dass ich etwas Bestätigung außerhalb der eigenen Wohnung suche? […]
► Barbara, Hamburg
„Mein Name ist Barbara. Ich bin Bankkauffrau und Diplom-Kauffrau. Mein Sohn ist elf Jahre alt. Als ich damals schwanger wurde, war ich in einer Firma angestellt und verwaltete zusammen mit einer Sekretärin und dem Eigentümer der Holding ein umfangreiches Vermögen […] Als ich dem Arbeitgeber von der Schwangerschaft berichtet, fiel er aus allen Wolken. Ein paar Tage später erhielt ich ein Schreiben von einem Rechtsanwalt, den der Arbeitgeber beauftragt hatte. Dort las ich Schockierendes. Meine Arbeit war angeblich so schlecht, dass ich unmöglich im Unternehmen weiterbeschäftigt werden könne und der Unternehmer sich von mir mitten in der Schwangerschaft trennen müsse […] Als mein Kind drei Jahre alt wurde, wollte ich in das Berufsleben zurückkehren. Die Türen blieben verschlossen. Ich habe in sechs Jahren gut 600-700 Bewerbungen geschrieben. Meine Unterlagen und mein Lebenslauf waren eigentlich gut, ich hatte vor der Geburt des Kindes bereits 14 Jahre gearbeitet, also reichlich Arbeitserfahrung gesammelt, aber: niemand stellte mich ein. Vor der Geburt meines Kindes führte praktisch jedes Bewerbungsgespräch zu einer Einstellung. Nach der Geburt des Kindes sah dies anders aus. Seitdem weiß ich, was Armut ist. Nach gut sechsjähriger Arbeitsplatzsuche habe ich inzwischen einen Arbeitsplatz gefunden. Aber auch jetzt verdiene ich, 11 Jahre später, nur gut 60 Prozent des Stundenlohnes, den ich vor der Geburt meines Kindes hatte. Im Grunde lebe ich wie ein Hartz-IV-Aufstocker.“
Mobbing von Müttern im Job: Es trifft die ganze Gesellschaft
Barbara, Jessica und Marie sind keine Einzelfälle. Viele Mütter in Deutschland erleben jeden Tag, wie schwer sich viele Arbeitgeber damit tun, Mütter in ihren Betrieb zu integrieren. Klar bevorzugt: kinderlose Angestellte, die jederzeit flexibel einsetzbar sind.
Buchautorin Christina Mundlos, die auch selbst schon Diskriminierung als Mutter erlebte, erklärt: „Die Erfahrungsberichte der Mütter in meinem Buch, ihre Berufe und die Branchen, in denen sie beschäftigt sind, verdeutlichen, dass es Diskriminierung von Schwangeren und Müttern nicht nur in bestimmten Berufszweigen gibt. Es werden ungelernte Kräfte genauso diskriminiert wie Führungskräfte. Es betrifft langjährige Mitarbeiterinnen ebenso wie Bewerberinnen ohne Berufserfahrung.“
Die Diskriminierung von (werdenden) Müttern im Job hat negative Folgen für die jeweiligen Frauen, aber auch für unsere ganze Gesellschaft. Christina Mundlos erläutert: „Das Erleben einer Diskriminierung kann die Betroffenen kränken. Viele fühlen sich auch ohnmächtig und hilflos oder schämen sich dafür. Typische Kränkungsreaktionen können zudem Empörung, Wutausbrüche, Racheimpulse, Leiden, Selbstzweifel oder Rückzug sein. Diskriminierungen oder auch anhaltendes Mobbing können die Frauen sogar regelrecht traumatisieren.“
Zu der emotionalen Belastung kommt die Unsicherheit des Arbeitsplatzes und somit des so dringend benötigten Lebensunterhaltes noch dazu. „Werden die Stellen von Müttern gestrichen oder dürfen sie nur noch in Teilzeit oder auf eine niedriger entlohnte Stelle zurückkehren, so hat die Diskriminierung für sie auch ganz handfeste finanzielle und berufliche Nachteile.“
Auch immer mehr Väter sind betroffen
Mehr und mehr werden auch die Väter in Deutschland zu Zielscheiben der Diskriminierung. Christina Mundlos erzählt: „Immer wieder gibt es Berichte – gerade von den neuen, modernen, gleichberechtigten Vätern -, dass sie von ihrem Arbeitgeber diskriminiert wurden, weil sie Elternzeit nehmen oder ihre Stelle für die Familie reduzieren wollten. So beschreibt beispielsweise der Grafikdesigner Marc, wie man in der Werbeagentur, in der er beschäftigt war, darauf reagierte, dass er Elternzeit nahm und keine Überstunden mehr machen wollte. Zunächst bemängelte man seine Arbeit und seine veränderte zeitliche Verfügbarkeit subtil, dann wurde offen Kritik geäußert, bis er schließlich selbst kündigte.“
Was gegen das Mobbing am Arbeitsplatz hilft
Zu der Frage, wie Mütter und Väter sich gegen Mobbing am Arbeitsplatz wehren können, gibt Christina Mundlos in ihrem Buch ganz konkrete Tipps. In Kürze:
- Mütter und Väter in Mobbing-Situationen sollten keinesfalls selbst kündigen, sondern sich unbedingt arbeitsrechtlich beraten lassen, beispielsweise durch einen Anwalt für Arbeitsrecht oder die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
- Auch Betriebsrat, Berufsverbände und Gewerkschaften können in arbeitsrechtlichen Fragen beratend unterstützen und gegebenenfalls zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber vermitteln.
- Hilfreich kann es auch sein, im eigenen Umfeld nach Unterstützung und Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zu suchen, mit denen man über das Erlebte sprechen kann und die einen unterstützen.
- Zur optimalen Regelung einer Elternzeit sollten sich Mütter und Väter vor der Mitteilung einer Schwangerschaft genau absprechen und überlegen, wie in der Elternzeit Kontakt zum Arbeitgeber gehalten werden und der Wiedereinstieg in den Beruf optimal gelingen kann.
- Schwangere sollten deutlich machen, dass sie in jedem Fall wiederkommen werden.
Gesellschaft, Arbeitgeber und Betroffene müssen umdenken
Wer Müttern, Vätern und Kindern schadet, schadet letztlich immer sich selbst. Einem Unternehmen, das Eltern nicht unterstützt, werden später Arbeitskräfte und Kunden fehlen. Einem Politiker, der sich nicht für die Belange von Eltern interessiert, werden eines Tages Wähler fehlen. Einem Rentner werden die jungen Erwachsenen fehlen, die seine Rente durch ihre tägliche Arbeit finanzieren.
Es liegt an uns allen, dazu beizutragen, dass unsere Gesellschaft kinder- und elternfreundlich agiert und Mobbing am Arbeitsplatz weniger wird.
Um das zu erreichen, ist es auch ganz besonders wichtig, dass Eltern selbst umdenken. Denn tatsächlich sehen viele Mütter und Väter sich selbst als Belastung für ihr Unternehmen und zeigen Verständnis für das wirtschaftliche Denken, das dazu führt, dass sie diskriminiert werden.
Genau das muss aufhören. Eltern müssen sich trauen, für ihre Rechte einzustehen, sie einzufordern und lautstark immer wieder darauf hinzuweisen, dass sie die Zukunft unserer Gesellschaft sichern und dafür jede Menge Respekt, Anerkennung und Unterstützung verdient haben.
Ergänzend braucht es weitere politische Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Christina Mundlos fordert unter anderem
- die Abschaffung des Ehegatten-Splittings
- den weiteren Ausbau von Betreuungsplätzen auch für Schulkinder
- das Erhöhen der Partnermonate beim Elterngeld
- sowie öffentliche Anprangerung und Ahndung von Benachteiligungen von Eltern durch Arbeitgeber.
„Wir brauchen familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Dazu gehören unter anderem betriebseigene Betreuungseinrichtungen, flexible Arbeitszeiten, qualifizierte Teilzeitstellen auch für Führungspositionen, Tele- und Heimarbeitsplätze oder auch die Sensibilisierung von Führungskräften.“
***
Viele weitere Erfahrungsberichte von diskriminierten Müttern, Erläuterungen zum politischen und wirtschaftlichen Hintergrund sowie konkrete Hilfestellung wie etwa Musterformulare- und anschreiben und rechtliche Erläuterungen finden sich in dem Buch von Christina Mundlos:
„Mütter unerwünscht – Mobbing, Sexismus und Diskriminierung am Arbeitsplatz“ - von Christina Mundlos, Tectum Verlag
Auch interessant:
Die Mutterglücklüge: Wenn eine Mutter ihr Kind bereut
Depressionen: Was tun, wenn Mama nicht mehr kann?
Trauma statt Glück: Gewalt unter der Geburt
Willst du aktuelle News von Wunderweib auf dein Handy bekommen? Dann trag' dich schnell in unserem WhatsApp-Newsletter ein!