Raw Water: Wie gesund ist der Quellwasser-Trend aus den USA wirklich?
Raw Water hat in den Vereinigten Staaten, vor allem in Kalifornien, eine wachsende Fangemeinde. Doch ist es wirklich so gesund, wie seine Anhänger glauben?
Trends gibt es heutzutage überall - auch im Bereich der (gesunden) Ernährung. Eine neue Bewegung aus den USA hat sich jetzt dem Raw Water verschrieben. Es soll besonders gut und gesund für unseren Körper sein. Doch stimmt das wirklich? Sollte man diesen Trend mitmachen und ist er wirklich gesund für uns? Wir haben uns diesen Trend einmal genauer angeguckt.
Was ist Raw Water?
Hinter dem Begriff "Raw Water" (auf Deutsch etwa "rohes", also unbehandeltes Wasser) verbirgt sich Wasser aus natürlichen Quellen, das nicht weiter gefiltert oder behandelt wird. Es hat außerdem ein Verfallsdatum und wird grün, wenn es zu lange steht. Dies soll aber nur ein Hinweis auf seine besondere Frische sein.
Im Gegensatz zum Wasser aus der Leitung soll Raw Water alle gesunden Bakterien und dafür keine gefährlichen Stoffe enthalten. Die Wirkungsbandbreite der Mikroorganismen, die in Raw Water enthalten sein sollen, ist enorm: Sie sollen sowohl für bessere Haut sorgen, Pickel und Falten verschwinden lassen sowie das Haar schöner machen. Auch Nägel und Gelenke sollen von dem Wasser profitieren.
Besonders wirksam hat vor allem der Anbieter "Live Spring Water" die Werbetrommel für sein unbehandeltes Wasser direkt aus der Quelle gerührt. Das Produkt, von dem es 7,5 Liter für knapp 14 Euro gibt, ist in den amerikanischen Supermärkten häufig gar nicht mehr zu kriegen. Ein Verkaufsargument von Live Spring Water: Ihr Wasser soll besonders frisch sein. Wird es nämlich zu heiß und in der Sonne gelagert, wird es schnell grün. Mit ganz normalen Wasser aus dem Supermarkt passiert dies nicht, weil es nicht so frisch wie Raw Water ist.
Ist der Raw-Water-Trend gesund?
Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse die darauf hindeuten, dass Raw Water wirklich einen solch positiven Effekt auf unsere Gesundheit hat. Zwar sind die Anhänger der Quellwasser-Bewegung überzeugt von der Wirkung des Wassers, doch nachgewiesen werden konnte dies bis dato nicht. Experten raten ganz im Gegenteil sogar davon ab, das reine Quellwasser zu trinken.
Darum warnen Experten vor dem unzulänglich überwachten Raw Water
Wir haben mit Dr. Ingrid Chorus, Leitung der Abteilung für Trink- und Badebeckenwasserhygiene des Umweltbundesamtes gesprochen. Sie sagte uns dazu: "Ich würde kein solches Wasser trinken, das mit dem Gehalt an „gesunden Bakterien“ beworben wird. Es ist unklar, wie gut es kontrolliert ist und es gibt schließlich gute Gründe, warum man Trinkwasser sehr sorgfältig überwacht und weshalb unser Leitbild für die Trinkwasserqualität in Deutschland ist, dass es selbst harmlose Umweltbakterien nur in geringen Konzentrationen enthalten soll."
Zum einen kann Wasser zum Beispiel auch Viren oder Dauerstadien von Parasiten aus tierischen Ausscheidungen enthalten, die sehr umweltresistent sein können. Hier kann schon die Aufnahme einer geringen Virenmenge zu schweren Durchfällen führen. "Aus diesem Grund werden zum Beispiel auch Wanderer davor gewarnt, dass Wasser aus Bächen zu trinken – selbst im Wald oder Hochgebirge ohne Siedlungen oder Landwirtschaft", erklärt Dr. Chorus.
Auf der anderen Seite kann man nicht genau wissen, inwiefern andere Menschen das Wasser eventuell verunreinigt haben. "Außerdem sollte man auch nicht vergessen, dass dieser Trend aus den USA kommt, wo das Wasser meist stark mit Chlor versetzt wird und viele Menchen dies als unangenehm finden. Dies ist in Deutschland nicht der Fall. Hier wird Chlor nur eingesetzt, wenn die Wasserversorgung durch Oberflächengewässer erfolgt. Die verwendete Menge ist dann immer noch so gering, dass am Wasserhahn keine spürbaren Konzentrationen mehr ankommen", so Dr. Ingrid Chorus.
Auf der Website von Live Water heißt es übrigens, dass ihr Wasser aus der Opal-Quelle in Oregon stammt und diese jedes Jahr getestet wird. Bei diesen Tests seien nie Verunreinigungen festgestellt worden. Die Ärztin und Medizinjournalistin Sarang Koushik äußerte sich dazu bereits bei ABC News und erklärte, dass das Wasser aber nicht behördlich getestet worden sei.
Dr. Ingrid Chorus gibt zu bedenken, dass das Wasser, wenn es getestet wird und nachweislich aus tiefen geschützten Quellen stammt, vergleichbar wäre mit Flaschenwasser aus Deutschland, das ebenfalls unbehandeltes Quellenwasser ist. Es dürfte dann jedoch nicht viele Bakterien enthalten und auch eher nicht grün werden - und wäre nicht "lebendig".
Können wir unser Trinkwasser ungefiltert trinken?
In Deutschland erfüllen 99 Prozent der gemessenen Trinkwasserwerte die Güteanforderungen der Trinkwasserverordnung. Nur in einem Prozent der Messungen können Bakterien nachgewiesen werden. Deren Konzentration ist dann aber häufig so gering, dass keine akute Gefahr für die Gesundheit besteht. Mit Absicht werden die Grenzwerte für Bakterien besonders niedrig angesetzt, sodass eine Überschreitung nicht zwingend gesundheitliche Konsequenzen haben wird. Dazu kommt, dass die erhöhten Wert sehr häufig nur vorübergehend gemessen werden und bei der nächsten Überprüfung schon nicht mehr feststellbar sind.
Außerdem wird unser Trinkwasser entweder im Wasserwerk gefiltert – hochprofessionell und mit guter Überwachung des Prozesses – oder aber, wenn es Grundwasser aus tiefen Bodenschichten ist, durch den Boden – der übrigens ein hervorragender Filter ist.
Gefiltert werden muss das Wasser, das aus der Leitung kommt, darum in der Regel nicht. Vor allem in großen Städten, wo sichergestellt ist, wo das Trinkwasser herkommt, ist die Verwendung von Wasserfiltern nicht notwendig. Etwas anders sieht es nur aus, wenn man in ländlichen Gebieten zu Gast ist und sich nicht ganz sicher ist, von wo das Trinkwasser bezogen wird und wie gut dieses überwacht wird.
"Wir sind in diesem Fall skeptisch und fragen uns, ob man durch die Verwendung von Wasserfiltern nicht eher zusätzliche Stoffe eingeschleppt werden oder Bakterien im Geräte wachsen", sagt Dr. Ingrid Chorus. Vor verkalkten Wasserhähnen brauchen wir übrigens keine Angst zu haben. "Kalk ist harmlos", sagt die Expertin.
Ein wenig anders sieht es allerdings aus, wenn die Leitungen im Haus nicht in gutem Zustand sind und/oder das Wasser auf dem Weg nach oben lange in den Rohren stagniert. In diesem Fall kann zum Beispiel Blei ins Wasser gelangen.
"Doch wenn das Wasser ganz frisch und kühl aus der Leitung kommt, kann man es trinken. Hält es sich nicht länger in der Leitung auf, hat das Wasser keine Zeit, Schadstoffe aus der Leitung aufzunehmen. Darum ist die wichtigste Grundregel, dass das Wasser frisch aus der Leitung kommen muss", sagt Chorus.
Was lernen wir? Man muss nicht jeden Trend mitmachen und kann in Deutschland beruhigt das Wasser trinken, das aus der Leitung kommt. Das Filtern können wir den Wasserwerken überlassen.
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