Verbale Gewalt: 9 Sätze, die Eltern nicht zu ihren Kindern sagen sollten
Verbale Gewalt der Eltern kann Kinder verletzen. Experten zufolge sollten Eltern einige Sätze niemals zu ihren Kindern sagen. Die Tabus der Erziehung.
So sehr Eltern ihre Kinder auch lieben, können auch sie mal wütend, verärgert oder trotzig werden. Auch Eltern haben mal einen schlechten Tag, Stress mit dem Vorgesetzen, dem Partner oder den eigenen Eltern. Da kann es schon mal passieren, dass sie ihren eigenen Kindern auch mal ein "Ich hab's dir ja gleich gesagt!" oder "Da bist du selber schuld!" sagen.
Eine böse Absicht lauert hinter den impulsiven Aussagen in der Regel nicht. Vielmehr heißt der Grund - schlicht und einfach - : Menschlichkeit. Eltern sind auch nur Menschen. Vätern platzt schon mal der Kragen, bei Müttern reißt auch mal der Geduldsfaden.
Diese 9 Eltern-Sätze sind verbale Gewalt gegen Kinder:
Welche Folgen kann (unbeabsichtigte) verbale Gewalt für Kinder haben?
Nichts desto trotz sollten Eltern sich stets vor Augen führen, dass auch Sprache einen Menschen - erst recht Kinder! - erheblich verletzen kann. "Sprachliche Verletzungen kommen überall vor, wo Gefühle oder unklare Machtverhältnisse im Spiel sind", definiert Sprachexpertin Sybille Krämer von der Freien Universität Berlin. Krämer begreift sprachliche Verletzungen als "linguistische Messer." Pädagogen und Psychologen sprechen hier von "verbaler Gewalt" - die im Übrigen nicht bloß in der Eltern-Kind-Beziehung erfolgt, sondern auch Paarbeziehungen erschwert.
Unter den Begriff der verbalen Gewalt fallen:
- Vergleiche, die das Kind abwerten ("Deine Schwester benimmt sich so gut im Restaurant. Nimm dir mal ein Beispiel an ihr!") Hier kommt bei dem Kind an: Du bist (im Vergleich zu deiner Schwester) ein Versager.
- Direkte Abwertungen des Kindes ("Das ist ja mal wieder typisch, dass du deine Hose dreckig gemacht hast!") Das Kind wird frustriert, da es in dem Moment auch nicht beweisen kann, dass es nur in der Situation gekleckert hat, es aber keineswegs pauschal kleckert.
Fallen derartige Sätze häufig, werden die Kinder entmutigt - und verlieren nach und nach ihr Selbstvertrauen. Später als Erwachsene suchen sie häufig die Schuld bei sich, wenn ihnen ein Misserfolg geschieht. Zudem werden Kinder mit Sätzen wie "Das schaffst du sowieso (noch) nicht!" ausgebremst. Sie werden ängstlich, mutlos, haben keine Motivation, ihre Potentiale zu entdecken und auszubauen.
Verbale Gewalt - die unsichtbare Gefahr
Die eigentliche Gefahr verbaler Gewalt ist allerdings: Sie ist nicht sichtbar. Von einem einzigen ausgerutschten Satz wird kaum ein Kind eine psychische Störung davontragen. Erst mit der Zeit, wenn schädigende Sätze aus Affekt immer häufiger gesagt werden, können sie die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes erheblich beeinflussen.
Doch warum sind gerade Kinder so anfällig für verbale Gewalt der Eltern? Vor allem kleine Kinder glauben alles, was die Eltern sagen - schließlich erfahren sie von ihnen alles über die Welt, ihre Umgebung, ihr Leben. Wenn Eltern aber in den Augen der Kinder immer die Wahrheit sagen, glauben die Kleinen auch Sätze wie "Aus dir wird nie etwas!" oder "Du kannst das nicht!". Das gilt übrigens auch für Sätze wie "Die dicken Beine hast du von Papa!" oder "Du kannst genau so wenig rechnen wie deine Mama!", in denen man die Schwächen der Kinder in den Mittelpunkt stellt, statt ihre Stärken ("Du kannst so gut schreiben wie Mama!" oder "Die hübschen Augen hast du von Papa!").
Zum anderen fördern solche Sätze eine resignierende Haltung beim Kind. Frei dem Motto: "Wenn Mama eh denkt, dass ich nie mein Zimmer aufräume, dann muss ich es auch nicht tun."
Wie vermeiden Eltern unbeabsichtigte verbale Gewalt?
5 Sätze, an denen du erkennst, dass es deinem Kind nicht gut geht
Die "verbotenen" Sätze lassen sich durch ein wenig Übung - seitens der Eltern - vermeiden. Diese 6 Tipps helfen Müttern und Vätern dabei, verbale Ausrutscher zu vermeiden:
- Eltern sollten darüber in Ruhe nachdenken, in welchen Situationen sie dazu neigen, solche Sätze zu formulieren. Wann kommt so etwas gehäuft vor? Und warum? War tatsächlich das Verhalten des Kindes der Auslöser für einen der Sätze oder ist man selbst schon angespannt in die Situation hinein geraten (z.B. weil man einen stressigen Tag hatte)?
- Eltern können jene negativen Sätze, die sie verwenden, aufschreiben. Dann gilt es, sich zu fragen: Wie kann ich sie positiv umformulieren? So wird aus einem demotivierenden "Du schaffst das sowieso nicht!" auch mal ein "Sollen wir das mal zusammen versuchen?" und aus einem "Ich verstehe dich nicht!" ein "Kannst du mir das bitte nochmal erklären, damit ich dich besser verstehe?"
- "Nie"- und "Immer"-Aussagen sollten Eltern streichen. Das klappt, wenn man sich nur auf die aktuelle Situation konzentriert, statt sie zu verallgemeinern. Aus "Nie räumst du dein Zimmer auf!" (= Problem als Vorwurf) kann also ein "Komm, wir räumen jetzt zusammen dein Zimmer auf!" (= direkte Problemlösung) werden.
- Eltern sollten sich überlegen, ob sie mit anderen Familienangehörigen, Freunden, Nachbarn oder Kollegen auch auf diese Weise sprechen würden. In der Regel kommen Eltern zu der überraschenden Erkenntnis, dass sie mit Erwachsenen höflicher sprechen und geduldiger umgehen, als mit dem eigenen Nachwuchs. Diese Erkenntnis hilft schon, um mit den Kindern nachsichtiger zu sein und ihnen höflicher gegenüber zu treten.
- Zu guter Letzt können Eltern eine Reise in die eigene Kindheit unternehmen: Haben die eigenen Eltern diese Sätze schon bei ihnen angewendet? Wie haben sie sich dabei gefühlt (genervt, verletzt, nicht ernst genommen etc.)? Wenn Eltern bewusst wird, dass die eigenen "nervigen" Sätze von den eigenen Eltern übernommen wurden, kann man sie selbst besser vermeiden.
Was tun, wenn Eltern verbale Gewalt angewendet haben?
Da die meisten Eltern ihren Kindern gegenüber nicht absichtlich böswillige Äußerungen an den Kopf werfen, reicht schon eine ernst gemeinte Entschuldigung aus. Ist das Kind alt genug, um eine Erklärung zu verstehen, sollte man dem Kind erklären, warum der Satz rausgerutscht ist (z.B. weil man gerade wütend war) und dass die Aussage nicht zutrifft ("Natürlich weiß ich, dass du es sehr wohl auch alleine schaffst. Ich habe mir nur Sorgen gemacht, dass du dich dabei verletzt.").
Wenn das Kind psychisch stabil ist und ansonsten viel Liebe und Geborgenheit von den Eltern erfährt, verkraftet es gelegentliche verbale Ausrutscher.
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