Tipps um Stress zu vermeiden

Wenn das zweite Kind kommt: So bereitet ihr euer Kind darauf vor

Ihr erwartet das zweite Kind und wollt alles dafür tun, dass die Familie gut zusammenwächst? Unsere Expertin Familientherapeutin Marthe Kniep gibt Tipps, wie das gelingen kann.

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Die Aufregung ist oft groß, wenn sich „Kind Nummer zwei“ auf den Weg macht. Einmal ist da die Vorfreude. Aber manchmal auch die Sorge: Wie sollen wir das schaffen? Dazu kommen viele andere Fragen oder auch Unsicherheiten, zu denen sich Eltern nun Antworten oder Lösungen überlegen müssen. Zum Beispiel auf die Frage: Wann und wie erzählen wir es dem Erstgeborenen? Und: Was, wenn es nicht begeistert ist?

Aber auch die Kinder bewegt so einiges: Wie wird es sein, wenn das Baby da ist? Haben Mama und Papa mich dann noch genauso lieb? Muss ich mein Spielzeug dann teilen? Aber natürlich auch: Wie ist eigentlich das Baby in Mamas Bauch reingekommen…?

Wer sich die Zeit nimmt, in Ruhe über diese wichtigen Fragen nachzudenken und sich mit seinem Partner darüber auszutauschen, macht es sich selbst und damit auch dem ersten Kind leichter, in die neue Situation hineinzuwachsen. Hier finden Eltern einige Überlegungen dazu, was erfahrungsgemäß besonders häufig Thema ist. 

Wann erzählen wir es?

Die Frage nach dem besten Zeitpunkt, die frohe Botschaft zu verbreiten, ist entscheidend und schwierig zugleich. Es gibt dazu viele unterschiedliche Haltungen. Sehr geläufig ist es, dem Kind erst nach dem dritten Monat von der Schwangerschaft zu erzählen, weil bis dahin das statistische Risiko für eine Fehlgeburt am höchsten ist. Denn viele Eltern möchten sich und dem Kind die Situation ersparen, eine Fehlgeburt verkraften zu müssen, wenn das Erstgeborene sich schon auf sein Geschwister gefreut hat.  

Als Familientherapeutin erlebe ich jedoch immer wieder, dass die Kinder ohnehin spüren, dass etwas „im Busch“ ist. Sie stellen Fragen, schauen die Mutter genauer an als sonst. Und sie spüren, dass es ein heimliches Thema bei den Eltern gibt. Es kann Kinder verunsichern oder unruhig machen, wenn sie nicht erfahren, was los ist. Erst recht, wenn es traurigerweise wirklich zu einer Fehlgeburt kommt. Sie erleben dann traurige Eltern und wissen nicht genau warum. Kleine Kinder beziehen die elterliche Traurigkeit dann oft auf sich, was psychisch sehr belasten kann. Ich halte deshalb viel davon, die Kinder früh einzuweihen.  

Noch eins ist wichtig, wenn es um die Babynachricht geht: Viele Kinder möchten gern die ersten sein, die die große Neuigkeit erfahren. Sie sind aber oft schlechte Geheimnisträger, weil es einfach zu verlockend ist, davon zu erzählen. Deshalb sollte man sie auch nicht „zum Schweigen verpflichten“. Sie können aber erklären, wenn sie selber diejenigen sein wollen, die die Neuigkeit erzählen und wo es in Ordnung ist, wenn das Kind es erzählt. Das klappt je nach Alter des Kindes unterschiedlich gut. Tolerant bleiben ist jetzt wichtig, denn niemand will Ärger kriegen, wenn er etwas so Tolles zu erzählen hat. 

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Darf es wirklich noch niemand wissen, sollten Eltern es noch ganz für sich behalten. Denn manchmal gibt es ja triftige Gründe dafür. Wenn zum Beispiel der Arbeitgeber noch nicht davon erfahren soll. Das heißt: Auch Omas und Opas müssen noch warten. Andernfalls kann es sehr kränkend für das Erstgeborene sein und für alle eine doofe Situation werden, wenn ein Großelternteil unbedacht vom Geschwister redet und das erste Kind ist noch nicht eingeweiht ist.

Aber egal, wie Eltern es machen: Entscheidend ist, dass sie sich untereinander einig sind. Denn es ist schon ein besonderer Moment, wenn beide Eltern voller Gefühl dem ersten Kind berichten, dass es bald ein Geschwister bekommt. Diesen Moment hat man nur einmal. Deshalb sei es gut überlegt, welcher Rahmen gewählt wird.

Habt Ihr mich dann auch noch lieb?

Die meisten Kinder machen sich früher oder später Gedanken darüber, wie Mama und Papa wohl empfinden werden, wenn sie dann bald zwei Kinder haben. Sie sorgen sich manchmal, dass sie dann möglicherweise nicht mehr genauso wie früher oder vielleicht sogar weniger liebgehabt werden, als ihr Geschwister.

Jetzt ist es wichtig, ganz ehrlich zu bleiben. Oft ist es beruhigend zu erklären: „Das kannst du dir vielleicht kaum vorstellen, aber Eltern können all ihre Kinder liebhaben. Und zwar alle gleich doll. Sie müssen sich aber natürlich um beide Kinder kümmern. Deshalb sind sie mal bei einem, mal bei dem anderen und manchmal mit beiden zusammen. Daran werden wir uns erst gewöhnen müssen. Ich bin auch gespannt, wie es wird.“ Wer persönliche Beispiele aus dem Umfeld des Kindes oder aus der eigenen Kindheit aufzeigen kann, die das glaubhaft bestätigen, bestärkt diese Aussage.  

Wo schläft es dann?

Kinder haben oft ganz pragmatische Fragen, wie nach dem zukünftigen Kinderzimmer. Manchmal schwingt da auch die Sorge mit, das Zimmer oder Spielzeug teilen zu müssen. Manche hoffen auf ein gemeinsames Zimmer, andere finden den Gedanken „doof“. Dann ist es manchmal notwendig, dem Kind zu erklären, was aus Elternsicht am Anfang für ein Baby wichtig ist – wo auf die Ideen des Erstgeborenen eingegangen werden kann und wo nicht.

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Das können Kinder meist gut annehmen, wenn die Eltern erzählen, dass sie es bei ihm auch so gemacht haben. Wer schöne Fotos dazu hat, kann sie mit dem Kind durchgucken, damit es ein Bild davon bekommt, wie es in etwa sein könnte.

Wie ist das Baby in den Bauch gekommen?

Das Thema Aufklärung kommt auf fast alle Eltern zu, die ein Baby erwarten. Zum Glück gibt es jede Menge gute Bücher für Kinder jeden Alters zu diesem Thema, die zur Hilfe genommen werden können. Hier lohnt es sich gut nachzuschauen, welches Buch man selber geeignet findet. Dann macht es am meisten Spaß, darin vorzulesen und die Bilder anzuschauen.

Wer sich auf dem Gebiet noch nicht so sicher fühlt, kann mit dem Partner üben, wie gute Antworten klingen könnten. Dabei ist es hilfreich zu bedenken, dass Kinder auch hier pragmatisch sind und noch lange ohne Scham ihre Fragen stellen. Wie kommt das Baby in den Bauch kann also mit demselben Duktus erklärt werden, wie die Frage, wie die Milch in die Tüte kommt.  

Kann da auch etwas passieren?

Auch Kinder haben Ängste oder sie spüren, dass Mutter und Vater nicht ganz sorgenfrei mit der Schwangerschaft oder der Planung der Geburt umgehen. Selbst wenn es Eltern schwerfällt, sollten sie auf die Ängste des Kindes ehrlich antworten. Fragt es, ob so eine Geburt denn nicht weh tut oder gefährlich ist? Dann braucht es die ehrliche Antwort. Zum Beispiel so: „Ja. Geburten sind oft sehr anstrengend und es tut auch fast immer weh. Aber dafür können die Kinder nichts. Und Eltern nehmen es auf sich, weil Kinderhaben so schön ist. Meistens geht alles gut. Aber manchmal auch nicht. Eine Geburt gut zu überstehen und ein gesundes Kind mit nach Hause zu bringen ist immer ein Geschenk.“ 

Wenn das Kind weiter fragt, braucht es ein gutes Gespür dafür, was das Kind schon verkraften kann. Bei bevorstehenden Geburten kommen jedoch nun mal elementare Fragen auf den Tisch, zu denen es Antworten braucht. Es können auch Antworten sein wie: „Mama geht so oft zu ihrer Ärztin, damit sie immer nachschauen kann, ob alles in Ordnung ist.“ Aber manche Kinder lassen nicht locker. Vor allem Ältere. Und dann braucht es den Mut der Eltern, auch von den möglichen Schattenseiten des Lebens zu berichten. Denn auch die gehören zum Leben.

Je besser sich Eltern darüber austauschen und einig sind, desto leichter wird es fallen, dem Kind Antworten zu geben, mit denen es zurechtkommen wird, beruhigt sein kann oder sich gut informiert fühlt. 

Den Tag der Geburt gut planen

Kinder brauchen Sicherheit. Das heißt, es muss gut mit ihnen besprochen werden, was passiert, wenn das Baby kommt. Einmal der Plan für die Zeit rund um den Stichtag und dann der Plan B, falls es früher kommt. Wer kümmert sich dann um das Kind? Was ist mit Kindergarten oder Schule? Was, wenn es nachts losgeht? Soll das Kind dann geweckt und verabschiedet werden? Das sind Fragen, in die das Kind gern einbezogen werden kann. So macht es gleich die gute Erfahrung: auch wenn alle aufgeregt sind, weil ein Geschwister kommt, bin ich noch wichtig.   

Die erste Zeit mit Baby

Hilfreich ist ein geschützter Rahmen für die Kernfamilie, in dem erst mal alle das Baby bestaunen können und es ganz für sich haben. Es braucht Ruhe, um zusammen zu wachsen. Zu viel Besuch in den ersten Tagen ist oft vor allem für die kleinen Geschwister stressig.

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Entlastend ist es oft, wenn das „große“ Kind etwas in das Betüdeln des Babys einbezogen wird und seinem Geschwister hin und wieder etwas Gutes tun kann. Zurückhaltend sollte man jedoch mit Sätzen sein, wie: „Du bist jetzt der Große und musst gut auf dein Geschwister aufpassen.“ Das überfordert viele Kinder und macht unnötig Druck. Sie können ja schließlich oft noch gar nicht viel tun und die Rolle des großen Geschwisters noch gar nicht richtig ausfüllen. Das muss alles erst wachsen.

Eifersucht akzeptieren

Es ist ganz natürlich, wenn kleine Kinder nicht nur mit Begeisterung auf das Baby reagieren. Manche sind traurig oder sauer, dass Mama nicht mehr so viel Zeit hat oder oft schlafen, wickeln und stillen muss. Andere sind genervt, wenn das Geschwister ihr Spielzeug vollsabbert oder dauernd schreit.

Jetzt ist es wichtig daran zu denken, dass die Liebe der Eltern zu ihrem Kind einen so manches aushalten lässt. Das erleben Kinder aber anders. Sie haben sich vielleicht nicht unbedingt für ein Geschwister entschieden, sie beginnen zu spüren, was es heißt, die Eltern zu teilen. Das alles kann weh tun und manche Träne hervorrufen.

Deshalb nichts schönreden, worunter das Kind leidet. Viel hilfreicher ist es, den Schmerz anzuerkennen und zu sagen: „Ich sehe, dass dich das richtig wütend macht, wenn ich nicht gleich zu dir kommen kann. Und das ist okay. Ich kann das verstehen. Oder: Das war jetzt schwer für dich, so lange auf mich zu warten. Das habe ich gemerkt. Toll, wie du es versucht hast, obwohl es kaum auszuhalten war.“

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Ein Kind darf auch mal sagen: „Ich hasse mein Geschwister.“ Das muss manchmal raus. Wenn es sich etwas abgedampft hat, kann es bei bereits einigermaßen verständigen Kindern gut sein, ihnen zu helfen, ihre Emotionen etwas zu sortieren. Zum Beispiel so: „Weißt du. Ich sehe, wie lieb du oft zu deinem Geschwister bist. Jetzt ist seinetwegen etwas passiert, was dich traurig/wütend gemacht hat. Das kann ich gut verstehen. Deshalb ist aber nicht dein ganzes Geschwister doof. Es kann ja noch nicht wissen, wie sein Bruder/seine Schwester das findet und macht es nicht mit Absicht.“

Gerade wenn das Erste noch klein ist, ist Bedürfnisaufschub wirklich schwer. Deshalb ist es in dieser Hinsicht eine fordernde Zeit für alle. Ich empfehle Eltern, sich nicht zu viel für den Alltag mit Baby vorzunehmen und nach Entlastungsmöglichkeiten im Haushalt zu suchen. Gelingt dies, lässt sich die Zeit besser durchstehen.

Familienberatung oder Familientherapie

Alle Eltern machen ihre Sache so gut sie können. Doch manchmal klappt das Zusammenwachsen in der Familie trotz aller Bemühungen nicht so gut. Dann kann es hilfreich sein, einen Fachmann oder eine Fachfrau einzubeziehen. Besonders ratsam ist dies, bevor ein Problem schon richtig festgefahren aussieht. Mit einer neutralen Person, die von außen auf die Familie schaut und mit allen nach Lösungen sucht, kann gute Impulse geben, um allen dabei zu helfen, einen guten Platz in der Familie zu finden.

Text: Marthe Kniep

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