24 Wochen: Ein Film darüber, wie schwer eine Abtreibung wirklich fällt
Der Film "24 Wochen" behandelt ein Thema, über das sonst geschwiegen wird: Der Spätabtreibung. Ein Paar ringt mit der Entscheidung, ihr Baby im 6. Monat abtreiben zu lassen.
"Unser Kind wird das Down-Syndrom und einen Herzfehler haben"
„Unser Kind wird das Down-Syndrom haben und einen schweren Herzfehler. Direkt nach der Geburt wird das Baby am Herzen operiert werden müssen und Monate später mindestens noch einmal. Und selbst wenn das gelingt, wird das Kind immer herzkrank sein. Ich glaube nicht, dass unser Kind ein gutes Leben haben wird …“
Ist es legitim, einen Embryo mit Fehlbildung abzutreiben? Der Film "24 Wochen" (Kinostart: September 2016 und ab Februaur 2018 im Free TV) erzählt die Geschichte eines Paares, das bei einem Fötus mit Down-Syndrom und Herzfehler über einen Spätabbruch entscheiden muss.
In „24 Wochen“ erfahren die Kabarettistin Astrid (wahnsinnig gut gespielt von Julia Jentsch) und ihr Ehemann Markus (ebenfalls sehr gut gespielt von Bjarne Mädel) bei einer Routineuntersuchung im 6. Monat, dass ihr Baby schwer krank ist. Der Arzt wird beim Ultraschall plötzlich ganz still, zeigt schließlich auf das Herz. Es hat Löcher, stellt sich heraus. Außerdem leidet das Kind unter dem Down-Syndrom.
Die Diagnose trifft die Eltern wie ein Hammerschlag und stellt ihr ganzes Leben in Frage. Astrid und Markus lieben ihr ungeborenes Kind und haben sich voll und ganz darauf eingestellt, bald eine Familie zu viert zu sein, zusammen mit ihrer 8-jährigen Tochter Nele.
Doch das Kind wird wenn, dann ein sehr schwieriges Leben haben, niemals ganz gesund, immer pflegebedürftig.
"24 Wochen" befasst sich offen mit der Frage, wann ein Leben lebenswert ist
Astrid ist zum Zeitpunkt der Diagnose in der 24. Woche schwanger. Bis zur Geburt wären es noch etwa 3 Monate. Bei einem solchen Abbruch der Schwangerschaft nach der 12. Schwangerschaftswoche wird in Deutschland von einem Spätabbruch gesprochen. Normalerweise wird eine Abtreibung in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche geduldet. Eine Abtreibung ab der 13. Schwangerschaftswoche ist nur dann legal, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, also eine Gefahr für die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter. Ursache dafür ist in den meisten Fällen eine schwere Fehlbildung des Embryos. Dazu zählen zum Beispiel Trisomie 21 (Down-Syndrom) und Spina Bifida (offener Rücken). Wenn die Mutter sich nicht in der Lage fühlt, ein solches Kind zu bekommen, ist ein Abbruch der Schwangerschaft bis kurz vor der Geburt möglich!
Was den Spätabbruch zu einer besonders extremen Entscheidung macht: Ab der 13. Schwangerschaftswoche wird eine künstliche Fehlgeburt eingeleitet. Die Mutter muss den Embryo bei vollem Bewusstsein gebären. Ab der 20. Schwangerschaftswoche könnte das Kind auch außerhalb des Mutterleibes lebensfähig sein. Darum ist bei einer solchen Spätabtreibung ein Fetozid notwendig. Das bedeutet, dass der Fötus vor Einleitung der künstlichen Wehen durch Injektion einer Kaliumchloridlösung in das Herz oder die Nabelschnurvene getötet wird – so wird ein sofortiger Herzstillstand ausgelöst. Danach muss die Mutter das tote Kind ebenfalls zur Welt bringen.
Das Baby per Spritze durch den Bauch der Mutter töten lassen? Es danach tot zur Welt bringen – nur um sich dann endgültig verabschieden zu müssen?
Astrid und Markus ringen um eine Entscheidung. Es ist zweifellos eine Entscheidung, die die Eltern niemals loslassen wird. Eine Entscheidung, die für endlose Schuldgefühle sorgen kann.
Ein mutiger Film über das Tabu-Thema Spätabtreibung
"24 Wochen" ist ein außergewöhnlicher Film, der mutig ein Thema anspricht, über das in unserer Gesellschaft meist geschwiegen wird. Eltern, die sich für eine Spätabtreibung entscheiden, und Ärzte, die diese durchführen, müssen mit Verurteilungen und Anfeindungen von Dritten rechnen. Es gibt viele Gegner von Abtreibungen, deren Bedenken und Widerstände bei Spätabbrüchen oft noch stärker sind.
Die Regisseurin des Films, Anne Zohra Berrached, sagt über ihren Film: „In "24 Wochen" beschreibe ich den Konflikt einer Frau in einer Extremsituation: Sie muss über Leben und Tod ihres ungeborenen Kindes entscheiden. Der Film spricht weder für noch gegen Abtreibung, vielmehr beschreibt er eine Situation, in der einem nichts anderes übrig bleibt, als eine starke Haltung einzunehmen. "24 Wochen" konfrontiert den Zuschauer mit einer Frage, die jeder nur für sich selbst beantworten kann.“
Authentisch gespielt und sorgfältig recherchiert
Um ein möglichst realistisches Bild von der schwierigen Situation von Eltern in einer solchen Situation zu zeigen, führte Anne Zohra Berrached lange Gespräche mit einem realen Paar, das sich entschlossen hat, in der 26. Woche abzutreiben. Zusätzlich interviewte sie Ärzte und Hebammen. Und - das ist wirklich außergewöhnlich - im Film agieren echte Fachärzte. Die Schauspieler Julia Jentsch und Bjarne Mädel werden also genau so beraten, wie ein echtes Paar das in der Realität erleben würde. Für die Arzt-Gespräche, in denen Astrid und Markus über die Fehlbildung ihres Kindes und die Behandlungsmöglichkeiten beraten werden, gab es kein Drehbuch. Stattdessen mussten die Schauspieler spontan auf die realistischen Erklärungen der Ärzte reagieren.
Die Regisseurin berichtet von der Suche nach Ärzten für ihren Film: "Nach einer Suche, die mich und meine Assistenten mehr als sechs Monate beschäftigt hat, haben wir es geschafft, einen Geburtsmediziner zu finden, der in der Realität Spätabbrüche vornimmt und bereit war, dies auch in 24 WOCHEN zu tun. Aus Angst vor Diskriminierung war seine Bedingung, sein Gesicht ungefilmt zu lassen."
Anne Zohra Berrached und ihrem Team gelingt mit "24 Wochen" ein fesselnder Film, der wertfrei die unfassbar schwierige Situation von Eltern nach der Diagnose einer Fehlbildung bei ihrem Kind darstellt. Die Geschichte von Astrid und Markus ist eine, die sich jeden Tag so ähnlich in Deutschland abspielen kann, und es ist ein Thema, über das die Betroffenen meist schweigen.
Das Schicksal all dieser schweigenden Eltern könnte ein wenig leichter werden, wenn es zumindest möglich wäre, von einem solchen Abbruch zu erzählen, ohne von der Gesellschaft gnadenlos verurteilt zu werden. Insofern ist Anne Zohra Berrached und den großartigen Schauspielern dafür zu danken, dass sie sich wagen, in dieser Weise eine öffentliche Debatte über das Thema Spätabtreibung anzustoßen.