Beckenbodentraining: So einfach geht's im Alltag
Gerade da, wo sie keiner sieht, sind straffe Muskeln besonders wichtig: im Beckenboden. Warum er gesund sein sollte und welche Beckenboden-Übungen vor allem im Alltag helfen, verraten wir hier.
Erschlafft die Muskelgruppe im Inneren der Körpermitte, hat das unangenehme Folgen - allen voran Inkontinenz. Ein verspannter Beckenboden kann wiederum unter anderem zu Schmerzen beim Sex führen. Deshalb ganz wichtig: handeln, bevor es unangenehm und schmerzhaft wird. Wir verraten die wichtigsten Fakten zum Thema Beckenboden und zeigen Übungen, mit denen die wichtigen Muskeln einfach trainiert werden können.
Was den Beckenboden schwächt
Übergewicht, Bewegungsmangel, eine schlechte Körperhaltung oder falsches Heben, zum Beispiel bei Sportarten wie Crossfit, schwächen den Beckenboden. Auch Schwangerschaften und der Geburtsvorgang setzen ihm zu. Für Schwangere ist vorbeugendes Beckenbodentraining daher besonders wichtig, um Blasenschwäche vorzubeugen. Ebenso für Frauen in den Wechseljahren. Denn durch die Hormonumstellung kommt es zu einem Spannungsverlust. Doch das bedeutet nicht, dass sich Frauen erst ab ihrer ersten Schwangerschaft Gedanken um ihren Beckenboden machen sollten.
Expertin Franziska Liesner, Physiotherapeutin mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung, macht ganz deutlich: "Statistisch gesehen hat jede vierte Frau über 25 Probleme mit dem Beckenboden." Die große Schwierigkeit ist allerdings, dass Beckenbodenschmerzen und -verspannungen längst nicht so viel und so frei thematisiert werden, wie beispielsweise Rückenschmerzen. Zu Frau Liesner in die Sprechstunde kommen Frauen jeden Alters. Sie leiden insbesondere unter Rückenschmerzen, Schmerzen beim Sex, unter Inkontinenz oder gesenkten Organen nach der Schwangerschaft.
Starker Beckenboden: Stabiler Halt für innere Organe
Ähnlich wie in einer Hängematte finden innere Organe wie Blase oder Gebärmutter im Beckenboden Halt. Er besteht aus einem Geflecht aus Bindegewebe, Bändern und drei Muskelschichten. Die erste verbindet das Schambein mit dem Steißbein, die zweite verläuft unter der Blase quer zwischen den Sitzhöckern und die dritte liegt wie eine Acht um den After und die Harnröhre herum. Ein gut trainierter Beckenboden hilft deshalb, die Schließmuskeln kontrollieren zu können. Außerdem werden mit seiner Hilfe die Organe alle an ihrem richtigen Platz gehalten.
Mehr Spaß im Bett mit Beckenbodentraining
Ein trainierter Beckenboden schützt nicht nur vor Inkontinenz, bzw. bessert eine bereits bestehende Blasenschwäche. Als schönes Bonbon steigert er auch das Empfinden beim Sex und die Orgasmusfähigkeit. Nicht umsonst wird der Beckenboden auch als Liebesmuskel bezeichnet.
Übrigens: Auch Männer profitieren von Beckenbodentraining. Es verschafft ihnen mehr Ausdauer im Bett, ein tieferes Lustempfinden und wird inzwischen sogar als Therapie bei Potenzstörungen und Erektiler Dysfunktion eingesetzt.
Beckenbodenprobleme - wer hilft mir?
Was viele Frauen nicht wissen: Wenn sie Probleme mit dem Beckenboden haben, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung. Wie Physiotherapeutin Franziska Liesner erklärt, umfasst diese in der Regel 12 Sitzungen. Benötigt wird eine Überweisung vom behandelnden Arzt, zum Beispiel dem Gynäkologen. In der physiotherapeutischen Praxis von Franziska Liesner in Hamburg-Eppendorf werden die Frauen zunächst genau untersucht, um feststellen zu können, was genau das Problem ist, wie die Beschaffenheit des Beckenbodens ist und ob die Organe alle noch richtig sitzen. Daran anknüpfend werden Übungen durchgeführt, die den Beckenboden stärken sollen.
Für die Frauen, die nicht die Möglichkeit haben, eine physiotherapeutische Praxis oder eine andere auf den Beckenboden spezialisierte Praxis aufzusuchen, hat Franziska Liesner das Online-Programm "Stabile Mitte" entwickelt. Hier bietet sie viele wichtige Infos und Übungen an, die Frauen im Alltag ausüben können, um ihren Beckenboden zu trainieren. Ein anderes Programm hilft bei der Straffung des Bauches.
Beckenbodentraining im Alltag
Die versteckten Muskeln aufspüren
Soviel zur Theorie. Nun zur Praxis. Jetzt üben Sie, diese Muskeln zu erspüren: Stellen Sie sich vor, Sie säßen auf der Toilette und wollten den Urinstrahl unterbrechen. Merken Sie die kleine Bewegung im Inneren? Bitteschön: Ihr Beckenboden!
Franziska Liesner zeigt hier im Video eine weitere Übung im Sitzen, mit der Sie Ihren Beckenboden richtig erspüren können.
Den Beckenboden im Alltag festigen
Die Aufspür-Übung haben Sie drauf? Prima! Denn mit ihr können Sie den Beckenboden zugleich kräftigen. Achten Sie beim Ausführen darauf, die Muskeln nicht nur anzuspannen, sondern auch leicht hochzuziehen. Halten Sie die Spannung. Anfangs kurz, später sollten Sie 10 Sekunden schaffen und die Anspannung sogar noch ein wenig intensivieren können. Das alles geht im Sitzen, Liegen oder Stehen, ganz wie Sie mögen. Trainieren Sie möglichst mit leerer Blase. Weiter wichtig: Beim Anspannen des Beckenbodens bleiben Bauch, Beine, und Po locker - und der Atem fließt entspannt.
Üben Sie in kleinen Einheiten, z. B. dreimal täglich 10-mal hintereinander anspannen und lockerlassen. Mit ein wenig Routine klappt das bald auch nebenbei beim Autofahren, der Hausarbeit oder beim Fernsehen.
Im Video führt Franziska Liesner eine Übung im Liegen vor, die leicht in den Alltag integriert werden kann.
Trainings-Varianten für Fortgeschrittene
Mit etwas mehr Übung können Sie nun auch mal versuchen, den Beckenboden schrittweise hochzuziehen. Atmen Sie aus und stellen Sie sich vor, ihn wie einen Lift stufenweise anzuheben. Immer mit einem kurzen Halt in den verschiedenen Stockwerken. Dann einatmen und langsam wieder „runterfahren“.
Wer unter Inkontinenz leidet, sollte öfter als dreimal täglich üben und auch die Körperhaltung variieren: Trainieren Sie mal im Schneidersitz, mal in der ausgestreckten Rückenlage, mal in Rückenlage mit aufgestellten Beinen.
Eine ähnliche Übung, die Brücke, zeigt Franziska Liesner im Video oben.
Für Frauen, die ein Baby erwarten, ist nicht nur das Kräftigen des Beckenbodens von Bedeutung. Sie sollten auch lernen, diese Muskelpartie bewusst zu entspannen. Das erleichtert die Geburt und beugt einem Dammriss vor. Zur besseren Vorstellung: Das Gefühl eines entspannten Beckenbodens entspricht etwa dem beim Wasserlassen. Nach der Geburt hilft spezielle Rückbildungsgymnastik, den Beckenboden langsam wieder aufzubauen. Unbedingt machen! Das Beckenbodentraining sollte definitiv nicht vernachlässigt werden.
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