Aus toten Bibern

Bibergeil (Castoreum): So kommt das Sekret aus dem Biber-Po in Lebensmittel, Parfüm und Naturheilmittel

Bibergeil oder Castoreum - was ist das? Es klingt eher unappetitlich. Lies hier, wie das Sekret aus dem Biber-Po in Lebensmittel und Naturheilmittel gelangt.

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Bibergeil ist ein Stoff, der von toten Bibern gewonnen wird. Doch wie kommt das sogenannte Castoreum in Essen und homöopathische Mittel? Und vor allem warum?

Bibergeil: Was ist das Castoreum aus dem Biber-Hintern?

Der Europäische Biber (lat. Castor fiber) ist ein niedliches Tier und das größte europäische Nagetier. Mit seinen großen Schneidezähnen knabbert er gerne an Bäumen und baut sich eine große Biberburg in Fließgewässern mit wenig Strömung. Doch früher wurden Biber gejagt. Zum einen wegen ihres Fells, aber vor allem wegen eines begehrten Stoffs, der in der Nähe des Biber-Afters beheimatet ist - Bibergeil.

Bibergeil, oder auch Castoreum genannt, befindet sich in sogenannten Castorbeuteln, die in der Nähe des Afters des Bibers sitzen. Genauer gesagt zwischen dem After und den äußeren Geschlechtsorganen. Dabei handelt es sich um eine Art Sack, die früher fälschlicherweise als Drüsensäcke bezeichnet wurden, doch der Stoff wird nicht über Drüsen ausgeschieden.

Ein Biber nutzt das Bibergeil für verschiedene Dinge wie Fellpflege, Duft- und Reviermarkierungen sowie das Unterscheiden der einzelnen Familienmitglieder. Es hat also durchaus seinen natürlichen Sinn. Die Substanz riecht stark und ähnlich wie Moschus, hat eine bräunliche Farbe und ist von der Konsistenz her ähnlich wie Talg.

Das Bibergeil befindet sich in Castorbeuteln, die zwischen After und Geschlechtsorganen des Bibers liegen.
Das Bibergeil befindet sich in Castorbeuteln, die zwischen After und Geschlechtsorganen des Bibers liegen. Foto: Yauhen Akulich/iStock

Bibergeil-Verwendung: Historische Arznei durch Salicylsäure

Nun ist es so, dass Biber hierzulande über eine lange Zeit nicht gerade zu den beliebtesten Tieren zählten. Sie bauten Dämme und überfluteten wichtiges Weideland, fällten wertvolle Bäume und galten eher als Plage, denn als Bereicherung.

Außerdem hatten sie wertvolles Fell und wurden wegen ihres Fleisches bejagt. Am Begehrtesten war jedoch das Bibergeil, das neben seiner angeblichen Wirkung als Aphrodisiakum als Arznei gegen zahlreiche Beschwerden galt.

Angewandt wurde das Bibergeil in früherer Zeit etwa bei Menstruationsbeschwerden, aber auch Gliederschmerzen und Nervenerkrankungen. Schon in der Antike war es zudem als Universalheilmittel im verwendeten Theriak enthalten.

Aber wie kamen die Menschen darauf, das Bibergeil als Arznei zu verwenden? Unklar. Klar ist jedoch, dass es verschiedene Wirkstoffe besitzt, die es sogar heute noch in Medikamente der modernen Medizin schaffen.

Besonders hervorstechend ist hierbei die Salicylsäure, die fiebersenkend (antipyretisch) und schmerzstillend (analgetisch) wirkt. Da es sich beim Castoreum um einen natürlichen Stoff mit medizinischer Wirkung handelt, ist er in der Homöopathie auch heute noch beliebt. Als homöopathische Arzneimittel gelten beispielsweise sogenannte Globuli, also kleine Zuckerkügelchen mit winzigen Mengen (angeblich) wirksamer Inhaltsstoffe.

Salicylsäure wird heutzutage unter anderem zur Herstellung von Acetylsalicylsäure - auch bekannt als ASS - verwendet, welches Wirkstoff eines der am Häufigsten eingenommenen Schmerzmittel hierzulande ist. Außerdem wird Salicylsäure als Mittel gegen Warzen oder Hühneraugen verwendet und ist daneben noch in zahlreichen anderen Arzneimitteln, aber auch Haarspülungen und weiteren Produkten enthalten.

Die enthaltene Salicylsäure im Bibergeil stammt vom Futter des Bibers. Das Tier frisst mit Vorliebe Weichholzgewächse, worunter unter anderem Weiden fallen. Diese in Gewässernähe wachsenden Bäume haben in der Rinde Salicylsäure. Daher war Castoreum früher von Bedeutung als Heilmittel und die Castorbeutel wurden dem getöteten Tier daher entnommen, um an den wertvollen Inhaltsstoff zu gelangen.

Trotz der brutalen Herstellung: In Apotheken und Online-Shops kannst du Castoreum manchmal noch als Pulver oder Tinktur erwerben. Wie "geil" das angesichts sinnvoller Alternativen ist, ist sehr fraglich.

Wichtig: Das Castoreum hat mit den englischen Begriffen Castor oil (Rizinusöl) und Castor beans (Rizinus-Samen) nichts zu tun.

Bibergeil: Natürliches Aroma, Schnaps- und Parfümbestandteil

Noch heute wird das Bibergeil außerhalb homöopathischer Kreise gerne verwendet. Der Grund sind verschiedene Eigenschaften, die es nutzbar machen als Aromastoff oder Duftstoff. In Deutschland ist die Verwendung Salicylsäure-haltiger Zusatzstoffe in Lebensmitteln allerdings nicht erlaubt.

Das sieht zum Beispiel in den Vereinigten Staaten jedoch anders aus, denn dort ist die Verwendung zu diesem Zweck erlaubt. Hier wurde das Castoreum lange als Basis für Aromen verwendet, wobei aus dem Bibersekret vor allem Erdbeeraroma, Himbeeraroma und Vanillearoma hergestellt wird. Das Problem an der Sache ist, dass der Stoff in den USA nur als "natürliches Aroma" deklariert werden muss. Vegetarier oder Veganer wissen also nicht, ob ihr Erdbeerkeks oder ein Vanilleeis wirklich vegetarisch oder vegan ist - oder ob ein Biber mit seinem Leben für den Geschmack bezahlen musste.

Allerdings werden inzwischen in der Regel billigere Aromen aus Pflanzen oder synthetisch hergestellte Aromen verwendet. Die Gefahr, Bibergeil-Aroma zu bekommen, ist wahrscheinlich eher gering.

Wahrscheinlich trägt auch die Vorstellung, einen Stoff aus der Nähe eines Biberhinterns in seinem Dessert zu haben, nicht unbedingt zum allgemeinen Wohlbefinden bei - egal ob Vegetarier, Veganer oder Fleischesser. In Schweden hingegen wird der Schnaps "Bäverhojt" mit Bibergeil aromatisiert.

Während der Geruch von reinem Bibergeil sehr stark und streng ist, kann er sehr verdünnt moschusähnliche Duftnoten aufweisen. Daher wird Castoreum in der Parfümerie verwendet - und hier soll auch die angeblich aphrodisierende Wirkung zum Tragen kommen. Tatsächlich wurde inzwischen eine Vielzahl an pheromonähnlichen Stoffen im Bibergeil festgestellt (Pheromone sind Stoffe, die der Informationsübertragung innerhalb einer Art dienen). Zum Glück kann der Geruch des Castoreums heutzutage synthetisch hergestellt werden.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten von Castoreum zur Aromatisierung oder als Duftstoff sind Schnupftabak und Räucherwerk.

Artikelbild und Social Media: Musat/iStock