Krankheitserreger: Braucht man Desinfektionsmittel im Haushalt wirklich?
Sagrotan fürs WC, Sterilium für die Hände, Dr. Schnell für die Küche: Desinfektionsmittel haben im Haushalt ihren festen Platz. Aber warum eigentlich?
Mal ehrlich: Die meisten von uns grinsen etwas verschämt, sobald das Thema Desinfektionsmittel im Haushalt aufkommt. Denn wer gut informiert ist, weiß zwar, dass es keine Keimtöter in den eigenen vier Wänden braucht. Trotzdem gehen die Verkaufszahlen von Desinfektionsmitteln stetig nach oben. Allein der Umsatz von Handdesinfektionsprodukten verzeichnete laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen zwischen 2014 und 2017 ein Plus von 71,2 Prozent: Setzten Geschäfte wie dm und Rossmann von Mitte 2014 bis Mitte 2015 noch 18,2 Millionen Euro damit um, waren es bis Mitte 2017 schon 31,2 Millionen Euro.
Warum ist das so, wo wir doch alle wissen, dass Desinfektion im Haushalt nichts bringt?
Das Geschäft mit der Angst
Es ist ein schmaler Grat zwischen hygienischer Sauberkeit und der irrationalen Angst vor Krankheitserregern. Ganz einfach, weil man Bakterien, Keime, Pilze und Viren nicht sehen kann, aber immer wieder mit Warnungen über eine mögliche Ansteckungsgefahr zu Hause konfrontiert wird. Wir alle kennen doch die Werbungen, die beispielsweise Mütter davor warnen, ihre Kinder auf eine nicht desinfizierten Toilette zu setzen …
Diese Ängste kann man im Grunde niemandem übelnehmen, schließlich sind Krankheiten eine reale Bedrohung – erst im März 2018 setzte die WHO die so genannte 'Krankheit X' auf die Liste der bedrohlichsten Erreger. Und auch Krankheitserreger im Büro sorgen gerade im Winter dafür, dass man sich von Erkältung zu Erkältung schleppt. Warum also nicht zumindest zu Hause keimfrei reinigen, mag man sich fragen.
Desinfektionsmittel im Haushalt: Wichtig oder nichtig?
Das Thema Desinfektionsmittel im Haushalt wird seit Jahren heiß diskutiert. Auf der einen Seite stehen besorgte Menschen, die sich vor Krankheitserregern in den eigenen vier Wänden schützen wollen, und sich sicher fühlen, wenn auf ihrem Putzmittel "beseitigt 99,9% aller Bakterien" steht. Auf der anderen Seite stehen Experten, die Desinfektionsmittel im Haushalt als überflüssig ausweisen und von einem übertriebenen Wunsch nach Keimfreiheit abraten. Experten waren vor allem vor den Chlorverbindungen, die in den meisten Desinfektionsmitteln enthalten sind. Im SWR-Interview beispielsweise erklärt Innenraumschadstoffexperte Holger Gries über Desinfektionssprays: "Schätzungsweise landet ein Drittel der Wirksubstanz auf der Fläche, die ich bearbeiten möchte, ein Drittel geht in die Raumluft und das andere Drittel in Nase und Lungen."
Auch der ärztliche Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene in Freiburg, Dr. Ernst Tabori, spricht sich gegenüber der 'Ärztezeitung' gegen ein vermeintlich keimfreies Zuhause aus: "Für den Heimbedarf eines gesunden Menschen sind Desinfektionsmittel weitestgehend überflüssig." Für manche Menschen stellen die Reiniger sogar eine Gefahr dar: "Vor allem für empfindliche Leute und Menschen mit einer Neigung zu Allergien ist die unbegründete Anwendung von Desinfektionsmitteln nicht ratsam."
Wann ist ein Desinfektionsmittel zuhause nötig?
Diese Frage lässt sich einfach und klar beantworten: Immer dann, wenn eine Person im Haushalt entweder an einer ansteckenden oder an einer immunschwächenden Krankheit leidet, ist ein Desinfektionsmittel sinnvoll. So lässt sich eine Ansteckungsgefahr in beide Richtungen minimieren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt hierzu in einer Übersicht wertvolle Tipps.
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