"Ich versteh' nur Tinder"
Das merkwürdige Kommunikationsverhalten von Großstadt-Singles auf Dating-Apps. Oder: Ich versteh' nur Tinder.
Ja, ich bin eine 30-jährige Single-Frau und möchte das gerne ändern. Jetzt ist es offiziell. Die ersten Männer haben nun vermutlich schon diesen Artikel weggeklickt. Löst der Wunsch nach einer Beziehung bei vielen Single-Männer-Exemplaren doch direkt Schweißausbrüche und eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus. Bisher hat das Alarmsignal im Gehirn aber offenbar für mehr Fluchtreflexe gesorgt - zumindest bei mir, als ich so manch komische Form der Kontaktaufnahme auf Dating-Apps ertragen musste.
Das Dating-Leiden auf dem Sofa
Als Single in einem gewissen Alter ist das Kennenlernen von neuen Männern schwieriger geworden. Vorbei ist die Zeit der Uni-und WG-Partys, bei denen man jeden Monat neue Menschen kennengelernt hat. Und auch das ungezwungene Kennenlernen im Supermarkt vor dem Weinregal ist bisher nur so bedingt erfolgreich. Heutzutage muss ich mich als Single aber ja auch gar nicht mehr vom Sofa bewegen. Danke, Dating-Apps! Doch wer sich einmal die plumpen Sprüche gegeben hat, hat gar keine Lust mehr sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen.
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Dieses Dating-Phänomen gibt's auch online (Artikel wird unter dem Video fortgeführt):
Zugegeben: Auf Plattformen wie Tinder, Lovoo und Co. gibt es die Fleischbeschauung für Nutzer mit den Basis-Funktionen gratis. Da wird dann fast geswiped bis zum Umfallen - oder Nickerchen. Dating-Apps sind eben auch ein toller Zeitvertreib, wenn man an einem Sonntag verkatert auf dem Sofa liegt, und wer sich dutzende Matches klar macht, pusht auch sein Selbstvertrauen. Doch einige der Männer, die mich auf Dating-Apps angeschrieben haben, haben offenbar etwas zu tief ins Selbstbewusstseinsgläschen gegriffen oder aber leicht einen an der Waffel. Wird mir in manchen Gesprächen direkt nach einem "Hey" ein vierstelliger Geldbetrag für den Beischlaf angeboten ("Hast du Lust dir etwas Geld dazuzuverdienen?"), probieren es andere Männer eher mit der Methode Macho:
Er: Hi, da haben wir beide ja einen guten Geschmack!
Ich: Wie kommst du darauf, dass ich einen guten Geschmack habe?
Er: Sonst hättest du mich ja nicht gematcht.
Ein anderer sieht in mir direkt die Frau fürs Leben:
Er: Hallo du Hübsche, wollen wir direkt zum Standesamt oder soll ich dich erst auf ein Getränk einladen?
Online-Flirts nur mit Kommunikationsstudium
Letzterem erwiderte ich, dass ich auf einen Ehevertrag bestehe, damit ich mein Vermögen behalten kann. Fand er irgendwie nicht so lustig und hat das Match aufgelöst. Humor ist beim digitalen Kennenlernen sowieso so eine Sache. Auch diverse unterschiedliche Interpretationen von Smileys und vermutlich über 2.632 Emojis machen das Flirten 2.0 nicht einfacher - eher im Gegenteil. Denn jetzt mal ehrlich: Wer sich dem digitalen Flirt hingibt, kann eigentlich nur verlieren. Ich kann schon im Familienchat einige Emoji-Reaktionen nicht interpretieren.
Wie soll ich dann denn wissen, ob Philipp, 31 (war natürlich gerade erst für drei Monate in Asien backpacken, trainiert jeden Tag zwei bis drei Stunden und zeigt deshalb gerne Oben-Ohne-Fotos aus der Gym-Umkleide und geht - wenn es sein Job als Produktmanager in einem Start-Up denn erlaubt - gerne zu Diskussionen über Gentrifizierung in seinem Viertel) jetzt schmunzelt oder mich auslacht? Und dann ist da ja noch so etwas wie der persönliche Kommunikationsgeschmack. Was erwidert man auf ein “Na du”? Welcher normale Mensch schreibt Smilies mit Nasen? Und wieso bekomme ich ständig Gifs mit Szenen aus 'Game of Thrones'? Irgendwie sind Dating-Apps für mich dann ja doch so wie die HBO-Serie: ganz in Ordnung für einen langweiligen Sonntag, aber so wirklich viel verstehe ich nicht.
"Bitte melde dich nicht" - Hier geht's zum zweiten Teil der Kolumne.
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