Interview

Justin Baldoni über "Nur noch ein einziges Mal", Colleen Hoover und seine Rolle als Ryle Kincaid

Er spielt nicht nur eine Hauptrolle, sondern führte für die Verfilmung von "It ends with us" gleichzeitig Regie. Hier mehr dazu!

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Video: Junket Productions Inc / Xcel Production

An diesem Film und ihm kommt dieser Tage kaum eine*r vorbei: "Nur noch ein einziges Mal" ("It ends with us") und Justin Baldoni. Letzterer spielt im Film nicht nur eine der Hauptrollen (Ryle Kincaid), sondern führte für die Adaption von Colleen Hoovers gleichnamigen Bestseller zudem Regie. An der Seite von niemand geringem als der Schauspielerin Blake Lively (Lily Bloom), die den Film mit produzierte. Der Kinostart am 15. August wird nicht nur von der immensen Menge an Buchfans heiß erwartet. Wir sprachen mit Justin Baldoni u. a. über die Umsetzung des Themas der häuslichen Gewalt im Film und seine umstrittene Rolle als Ryle Kincaid. Mehr dazu im Interview!

"Nur noch ein einziges Mal": Darum geht's im Film

"Nur noch ein einziges Mal" (Originaltitel: "It ends with us") erzählt Lily Blooms (Blake Lively) Geschichte. Sie möchte ihre traumatische Kindheit hinter sich lassen, indem sie sich in Boston ein neues Leben aufbaut. Dort erfüllt sie sich ihren langjährigen Wunsch: die Eröffnung eines eigenen Blumenladens. Eines Abends begegnet sie dem charmanten, sexy Neurochirurgen Ryle Kincaid (Justin Baldoni). Zwischen den beiden fliegen schnell die Funken. Aus Zufall stellt Lily unbewusst Ryles Schwester als Aushilfe in ihrem Laden ein. Eine weitere Begegnung mit Ryle scheint unausweichlich.

Lily und Ryle verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Alles scheint perfekt zu laufen, doch nach und nach bemerkt Lily negative Seiten an Ryle, die sie an die Beziehung ihrer Eltern erinnern. Außerdem taucht plötzlich auch noch Lilys erste große Liebe Atlas Corrigan (Brandon Sklenar) wieder in ihrem Leben auf. Dadurch wird auch ihre Beziehung zu Ryle auf den Kopf gestellt. Lily erkennt, dass sie lernen muss, auf ihre eigenen Stärken zu vertrauen. Und sie muss eine überaus schwierige Entscheidung für ihre Zukunft treffen: Soll sie gehen oder bleibt sie?

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Blake Lively und mehr: Der Cast von "It ends with us"

Wir erleben im Film, ganz gemäß der Buchvorlage, zwei separate Erzählstränge: Einen aus Sicht der jungen Lily, gespielt von Isabela Ferrer, zu der Zeit, in der sie Atlas (Alex Neustaedter) kennenlernte. Sowie einen aus der Perspektive der gegenwärtigen Lily (Blake Lively), die auf Ryle (Justin Baldoni) trifft und später auch wieder auf Atlas (Brandon Sklenar). Nach und nach verweben sich die Erzählstränge ineinander und ergeben ein klares Bild.

Weitere wichtige Nebenrollen sind Lilys Mutter Jenny (Amy Morton), Ryles Schwester Alyssa (Jenny Slate) und deren Ehemann Marshall (Hasan Minhaj).

So wurde das Thema der "häuslichen Gewalt" im Film umgesetzt

Justin Baldoni spielt im Film Ryle Kincaid, der zum Gewalttäter wird: "Ryle ist nicht ganz der, den die Zuschauer*innen zunächst in ihm sehen", sagte der Schauspieler. "Ich wollte ihn als einen komplexen, intelligenten Mann darstellen, der sich nie mit alten Traumata auseinandergesetzt hat. Für das, was er im Film tut, gibt es absolut keine Entschuldigung. Wir wollten ein Beispiel für eine komplexe und scheinbar unmögliche Situation zeigen, die so viele Menschen durchleben. Wir haben versucht zu zeigen, dass es echte Liebe geben kann, ohne vor der Tatsache wegzulaufen, dass es auch echtes Unheil gibt."

Wie Baldoni im Gespräch mit Variety verriet, baten die Wayfarer Studios die internationale, gemeinnützige Organisation "No More" darum, eine Beraterrolle bei der Entwicklung und Produktion von "It Ends With Us" zu übernehmen. "No more" setzt sich für die Beendigung von häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen ein. Baldoni und Lively arbeiteten bei den Dreharbeiten zu ihren Szenen, in denen es um häusliche Gewalt geht, sowohl mit einem Intimitäts- als auch mit einem Stuntkoordinator zusammen.

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Darum berührte Colleen Hoover mit Lily Blooms Geschichte so viele Leser*innen

In "Nur noch ein einziges Mal" erzählt Colleen Hoover Lily Blooms Geschichte, die das Trauma der häuslichen Gewalt zweifach verarbeiten muss. Nachdem sie jahrelang hilflos mit ansehen musste, wie sich ihr Vater an ihrer Mutter verging, muss Lilly schockiert feststellen, dass sie sich als Erwachsene in einer sehr ähnlichen Situation wiederfindet. Im Film wie im Buch ist Lilys Überlebenstory der zentrale Aspekt der Handlung. Colleen Hoovers eindringlicher Schreibstil begeisterte über 10 Millionen Leser*innen.

Allerdings hatte Hoover nicht die Absicht, einen Bestseller zu schreiben. Vielmehr wollte sie mit dem Roman ihre Mutter besser verstehen, die die schwere Entscheidung traf, eine gewalttätige Beziehung zu verlassen, als Hoover noch jung war. "Ich hatte keine Ahnung, dass diese Geschichte so viele Menschen erreichen würde, wie sie es getan hat", sagte sie. Die Autorin wollte mit Lilys Geschichte vor allem verdeutlichen, dass es jede*n treffen kann – auch starke, selbstbewusste, unabhängige Frauen. "Meine Mutter war immer ein großes Vorbild für mich. Sie ist extrem unabhängig, klug und verantwortungsbewusst. Ich habe nie verstanden, wie sie in eine Beziehung mit meinem Vater geraten konnte.", erzählte sie. Sowohl Hoover als auch ihrer Mutter gelang es durch das Schreiben und Lesen des Buches das gemeinsame Trauma aufzuarbeiten. "Das Schreiben dieses Buches hat mir geholfen, meine Eltern besser zu verstehen, aber vor allem hat es viel in meiner Mutter geheilt", so die Autorin.

Das Interview mit Justin Baldoni über die CoHorts, häusliche Gewalt und seine umstrittene Rolle als Ryle Kincaid

Justin Baldoni als Ryle Kincaid im Film Nur noch ein einziges Mal.
Justin Baldoni als Ryle Kincaid im Film "Nur noch ein einziges Mal". Foto: Sony Pictures / 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved

Wunderweib.de: Es hat fünf Jahre gedauert, bis ihr Lilys Geschichte aus dem Buch auf die Leinwand gebracht habt. Was war für dich der schönste Moment während dieser Zeit?

Justin Baldoni: Ich glaube, der einprägsamste Moment war, als ich Colleen fragte, ob sie nach L.A. fliegen würde, um mit mir Superfans, die CoHorts, für eine spezielle, erste Lesung des Drehbuchs auszuwählen. Es war der allererste Entwurf, den wir fertiggestellt hatten, und ich wollte wirklich verstehen, was den Fans gefiel. Denn schließlich haben wir den Film für sie gemacht. Die Buch-Fans sind der Grund, warum wir diesen Film überhaupt machen konnten. Und es gab so viele Menschen, die dieses Buch so sehr liebten, und denen dieses Buch so viel bedeutet hat, dass ich unbedingt wissen wollte, was für sie im Film funktionieren würde und was nicht.

Daher war einer meiner Lieblingsmomente, als Colleen diese 12 Superfans des Buches in unserem Büro in L.A. traf und wir gemeinsam das Drehbuch lasen und danach ein sehr interessantes Gespräch führten. Wir unterhielten uns, und sie waren sehr ehrlich über die Dinge, die ihnen gefielen, und die, die ihnen nicht gefielen. Und dann blieb Colleen und redete stundenlang mit ihren Leser*innen.

Ich fand, dass das so ein großes Geschenk war, dass sie sich diese Zeit für ihre Fans genommen hat. Dadurch habe ich verstanden, was dieses Buch den Fans bedeutet und auch, was Colleen ihren Fans bedeutet.

Und wenn es diesen Tag nicht gegeben hätte, wäre der Film wahrscheinlich nicht so geworden, wie er heute ist, weil wir so viel darüber gelernt haben, was die Fans erwarten und sich wünschen. Auf der Grundlage dieses Treffens haben wir eine Menge am Film geändert. Das war also eine meiner schönsten Erfahrungen.

Ich weiß nicht, ob viele (Drehbuch-)Autor*innen so vorgehen und sich die Kritik der Leser*innen zu Herzen nehmen, bevor der Film überhaupt erschienen ist.

Ja, ich liebe es, Dinge anders zu machen. Ich stelle mir das Filmemachen so wie das Kochen vor. Man kann in ein Restaurant gehen und in fünf verschiedenen Restaurants das gleiche Gericht bestellen. Aber was unterscheidet dieses eine Gericht von den anderen vier? Was macht dieses eine Gericht so gut? Ich glaube, die Antwort liegt in der Aufmerksamkeit und der Liebe, die man in das Gericht steckt. Und genauso versuchen wir bei Wayfarer Studios Filme zu machen, indem wir versuchen, so viel Liebe, Leidenschaft und Sorgfalt wie möglich in die Herstellung von etwas zu stecken. Und in diesem Fall war die Idee: "Okay, wenn wir diesen Film zu Ehren der Fans machen, dann sollten wir auch dafür sorgen, dass sie ein Mitspracherecht haben".

Colleen Hoover und Justin Baldoni am Set von It ends with us
Colleen Hoover und Justin Baldoni am Set von "It ends with us". Foto: 2023 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Für einen Film zu schauspielern und gleichzeitig Regie zu führen – ist das etwas, das du wieder machen würdest? War es eine zu hohe Arbeitsbelastung oder macht es Spaß, gleichzeitig vor und hinter der Kamera zu stehen?

Es war aus vielerlei Gründen eine sehr herausfordernde Erfahrung. Es ist sehr schwer, bei einem Film Regie zu führen. Geschweige denn, Regie zu führen und zu schauspielern. Man ist immer in einer Situation, in der man so viele Persönlichkeiten unter einen Hut bringen muss und es passieren sehr viele Dinge auf einmal am Drehort. Das ist generell eine große Herausforderung. Aber diese Herausforderung ist auch schön. Wir alle haben zusammengearbeitet, um am Ende des Tages dieses wunderschöne Kunstwerk zu schaffen. Das ist es alles wert. Würde ich es noch einmal machen wollen? Ich wäre offen dafür, aber ich denke, wenn ich es noch einmal machen würde, würde ich keine so dunkle und problembehaftete Figur wie Ryle spielen wollen.

Hast du anfangs davor zurückgeschreckt, Ryle zu spielen, etwa vor der Verantwortung der Rolle und der Darstellung des Themas der häuslichen Gewalt im Film?

Ja, schon. Ich war sehr nervös. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich in der Lage sein würde, ihn auf eine authentische Weise zu spielen. Als Schauspieler möchte man immer Rollen annehmen, die einen herausfordern.

Ich glaube, ein Teil von mir wollte Ryle schon spielen, nachdem ich das Buch gelesen hatte. Aber es war eine E-Mail, die ich von Colleen erhielt, die mir das Selbstvertrauen gab, Ryle tatsächlich darzustellen. Sie war es, die mir vorschlug, es in Betracht zu ziehen. Es hat ungefähr zwei Jahre gedauert, bis ich mich darauf eingelassen habe, weil ich hin und her gerissen war und nicht sicher war, ob ich Regie führen und gleichzeitig schauspielern könnte. Ich wollte sichergehen, dass ich mich nicht überfordere und mir genug Freiraum für beides lasse. Schließlich entschied ich mich, Ryle zu spielen und dieser komplexen Figur so viel Menschlichkeit zu verleihen, wie ich konnte.

Und was war das Schwierigste daran, Ryle zu spielen? 

Das Schwierigste an der Rolle war es, sicherzustellen, dass die schrecklichen Dinge, die er im Film tut und die unentschuldbar und unverzeihlich sind, so dargestellt werden, dass man den Grund für seine Taten irgendwie versteht. Das ist etwas, was man nicht oft sieht, wenn jemand in einem Film Schlimmes tut.

Blake Lively und Justin Baldoni im Film Nur noch ein einziges Mal.
Justin Baldoni in "Nur noch ein einziges Mal": Hier an der Seite von Blake Lively. Foto: Sony Pictures / 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved

Du hast 2017 in einen TED-Talk über das Thema "Warum ich es leid bin, zu versuchen 'männlich genug' zu sein" gesprochen, hast seitdem zwei Bücher zu dem Thema geschrieben und setzt dich in deinem Podcast "We are man enough" mit dem Thema der "positiven Männlichkeit" auseinander. Welchen Rat würdest du Ryle zu diesem Thema geben wollen?

Es wird dir nie leid genug tun können. Zeig es durch deine Taten. Fass nie wieder eine Frau an. Vergreif dich nie wieder an einer Frau. 

Würdest du Ryle ein weiteres Mal spielen wollen? 

Nun zu der Frage, ob ich Ryle ein zweites Mal spielen möchte, würde die Antwort "Nein" lauten. Es macht keinen Spaß, sich auf eine derartige Rolle einzulassen. Manchmal träume ich immer noch, dass ich Ryle bin, weil er in meinem Unterbewusstsein lebt und ich ihn aus meinem Bewusstsein entfernen muss. Es macht also keinen Spaß. Ryle ist keine angenehme Rolle, die man spielt. Er hat eine Menge Schmerz und eine Menge Traumata in sich. Die Antwort auf die Frage "Würde ich das wollen?" wäre also: " Nein, denn es würde keinen Spaß machen".

Und was die Produktion des zweiten Films angeht - wenn ihr den zweiten Film machen könnt – wärst du daran interessiert? Schließlich hat das Buch "Nur noch ein einziges Mal" eine Fortsetzung…

Im Moment gibt es keine Gespräche darüber, und ich habe die Geschichte noch nicht im Kopf. Aber du weißt ja, alles ist möglich.