Laut Expertin: So gelingt die Eingewöhnung in der Kita
Viele Eltern fragen sich zum Ende der Elternzeit: Wie wird die Eingewöhnung in der Kita laufen? Unsere Expertin gibt Tipps – und erklärt, wann eine Kita-Eingewöhnung abgebrochen werden sollte.
Als Eltern gibt es viele Meilensteine im Leben mit Kindern. Die Kita-Eingewöhnung ist einer davon. In dieser Phase wird dein Kind im Beisein eines Elternteils Schritt für Schritt an die Kita und ihre Abläufe gewöhnt. Die Erzieherin oder der Erzieher wird eine neue Bezugsperson, das Kind lernt neue Tagesabläufe und Strukturen kennen und kommt in Kontakt mit anderen Kindern.
Mit diesem wichtigen Schritt, steigt nicht nur die Anzahl an Fragen, sondern auch Sorgen: Wird sich mein Kind wohlfühlen? Wir lange dauert die Eingewöhnung? Haben wir uns für den richtigen Kindergarten entschieden? Wie läuft die erste Trennung ab? Und: Woran merke ich, dass mein Kind überhaupt bereit für die Kita ist?
Wir haben die wichtigsten Fragen mit Kirsty Wegener, Kita-Leiterin und Dozentin für Kindheitspädagogik sowie zertifizierte Business Coachin, geklärt.
Wie lange dauert eine Eingewöhnung in der Kita?
Es gibt in Deutschland zwei Eingewöhnungsmodelle, die in der Regel angewendet werden: das Berliner und das Münchener Modell (mehr dazu erfährst du im Info-Kasten). Beide Ansätze sind auf etwa vier Wochen ausgelegt. "Allerdings ist die Dauer der Eingewöhnung von Kind zu Kind unterschiedlich", erklärt Coachin Kirsty Wegener. "Das Kind gibt das Tempo an, nicht die Eltern oder die Erzieher."
Bei der Eingewöhnung geht es darum, dass das Kind lernt, dass es auch anderenBezugspersonen vertrauen kann und dass Mama und Papa wiederkommen. Dieser Prozess ist individuell und kann - je nach Kind - ganz unterschiedlich lang dauern.
Das bestätigt auch der Autor Remo H. Largo in seinem Buch "Babyjahre": "Die Bereitschaft, Beziehungen mit Erwachsenen und Kindern einzugehen, ist bei Kleinkindern unterschiedlich groß. So gibt es Zweijährige, die emotional selbstständiger und beziehungsbereiter sind als Sechsjährige."
Im Idealfall braucht dein Kind vielleicht wirklich nur die durchschnittlichen vier Wochen, bis es komplett an die Kita gewöhnt ist. Doch gerade die ungewisse Zeitspanne ist für viele Eltern oder Alleinerziehende mit Blick auf den Wiedereinstieg in den Job ein Stress-Faktor. "Ich rate Eltern, sofern es möglich ist, am Anfang im Homeoffice zu arbeiten und Backups wie Oma oder Tante zu haben", sagt Kirsty Wegener. "Wenn Zeitdruck wegen des bevorstehenden Wiedereinstiegs ins Berufsleben besteht, sprecht mit der Kita-Leitung über mögliche Lösungen."
Tipp: Alleinerziehenden stehen 14 statt 12 Monate Elterngeld zu. Die Differenz von zwei Monaten kann für die Eingewöhnung in der Kita geblockt werden, um Zeitdruck zu vermeiden. Wenn du in einer Partnerschaft lebst, könnte ihr mit den Partnermonaten das Elterngeld von 12 auf 14 Monate verlängern.
In Deutschland gibt es, wie oben bereits erwähnt, zwei gängige Eingewöhnungsmodelle, die sich in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt haben: Das Münchener Modell und das Berliner Modell. "Bei beiden Modellen geht es um das Wohlbefinden des Kindes, das an erster Stelle steht", so Kirsty Wegener.
So unterschieden sich die Eingewöhnungsmodelle:
Das Berliner Modell ist ein geschlossenes Konzept, bei dem das Kind durch eine*n Bezugserzieher*in eingewöhnt wird. Die Grundannahme des Berliner Modells ist, dass die Begleitung der Eltern die Voraussetzung für eine sichere Bindung des Kindes an den oder die Bezugserzieher*in darstellt. Die Gruppen finden sich in einem Raum ein, in denen verschiedene Bereiche mit verschiedenen Aktivitäten angeboten werden. Die Erzieher*innen entscheiden, was gemacht wird.
Das Münchener Modell ist ein offenes Konzept, bei dem das Kind aktiver Treiber des Eingewöhnungsprozesses ist, es gewöhnt sich also ein und wird nicht wie beim Berliner Modell eingewöhnt. Die Kinder suchen sich die Bezugserzieher*in selber. Es gibt verschiedene Räume für verschiedene Aktivitäten, wie Leseraum, Bauen, Malen oder Bewegung. Das Kind entschiedet, auf welche Aktivität es Lust hat.
Wie funktioniert eine Eingewöhnung in der Kindertagesstätte?
Je nach Kita kann der Eingewöhnungsprozess variieren, die Basis bilden aber in der Regel das Berliner oder das Münchner Modell, nach dem sich die Kitas orientieren.
Das Münchner Modell ähnelt dem Berliner Modell, setzt aber nicht auf eine einzelne Person als Bezugserzieher*in. Das Kind lernt in den ersten Tagen gemeinsam mit einem Elternteil die ganze Kindergruppe und das Fachpersonal kennen. Die erste Trennung findet frühestens am sechsten Tag satt.
Das Berliner Modell gilt als das älteste und am häufigsten umgesetzte Eingewöhnungsmodell in Deutschland, das in den 1980er-Jahren auf Grundlage von Erkenntnissen aus der Bindungs- und Hirnforschung entwickelt wurde.
Die fünf Schritte der Eingewöhnungsphase nach dem Berliner Modell:
Gespräch mit den Eltern: Dient dem Austausch und Kennenlernen. Ablauf, Wünsche, Sorgen Allergien, etc. können besprochen werden.
Grundphase: Die Bezugsperson begleitet das Kind drei Tage für jeweils etwa zwei bis drei Stunden in die Einrichtung. Die*die Bezugserzieher*in nimmt innerhalb einer kleinen Gruppe (in der Regel sind noch zwei oder drei andere Kinder anwesend) Kontakt zum Kind auf. Der begleitende Elternteil verhält sich passiv.
Erste Trennung: Die Bezugsperson und das Kind werden frühestens am vierten Tag (das ist ganz individuell) getrennt. Die Bezugsperson verlässt nach einer einer Verabschiedung für etwa zehn Minuten (läuft die Trennung reibungslos, wird um maximal 30 Minuten verlängert) den Raum und kehrt dann zurück. Das Verhalten des Kindes wird beobachtet. Lässt sich das Kind nach einer Trennung nur schwer beruhigen, wird die Trennungszeit verkürzt. Nach der Trennung geht die Bezugsperson mit dem Kind nach Hause.
Stabilisierungsphase: In dieser Phase wird das Wickeln von der Erzieherin oder dem Erzieher übernommen. Das Kind lernt Frühstück und Mittagessen kennen. Die Trennungsphasen werden so in den folgenden Tagen behutsam gesteigert, bis das Kind zum Mittagsschlaf bleibt.
Schlussphase: Die Bezugsperson ist nicht mehr anwesend, aber jederzeit erreichbar. Das Kind hat die neue Bezugsperson akzeptiert, lässt sich trösten und hat sich an die Abläufe der Kita gewöhnt.
Wann ist das beste Alter für eine Kita-Eingewöhnung?
Für die meisten Eltern stellt sich nicht die Frage, ob ihr Kind eine Kita besucht, sondern wann. Die Zahlen zeigen: Rund 91 Prozent der drei- bis fünfjährigen Kinder besuchen in Deutschland eine Kindertagesstätte. Der Anteil der unter Dreijährigen Krippenkinder lag laut Statista 2024 bei rund 18 Prozent (717.200 Kinder), das entspricht mehr als einem Drittel.
Das Problem: Nicht alle Eltern finden für ihr Kind einen Krippenplatz. Das kann insbesondere für alleinerziehende Eltern zu einer monetären und mental anspruchsvollen Herausforderung werden. Faktoren, wie Arbeitszeiten, Netzwerke (Betreuung durch etwa Oma oder Tante) sowie das eigene Bauchgefühl spielt eine Rolle – ganz unabhängig davon, ob dein Kind ein Jahr oder drei Jahre alt ist.
Doch es gibt auch Mütter und Väter, die in einer Luxus-Situation sind und selber entscheiden können: Was ist das beste Kita-Alter?
Laut der Psychologin Stefanie Stahl schade es Kindern, wenn sie unter zwei Jahren eine Krippe besuchen. Doch jedes Kind ist anders und reagiert unterschiedlich auf eine frühkindliche Fremdbetreuung: Die einen gehen darin auf, für andere Kinder bedeutet es Stress. "Das perfekte Kita-Alter gibt es nicht", sagt Kirsty Wegener. "Grundsätzlich gilt: Gute Kitas begleiten das Kind individuell, egal, wie alt es ist."
Kirsty Wegener empfiehlt für das Krippenalter von 0 bis 3 Jahren ein geschlossenes Konzept mit konkreten Bezugserziehern und kleineren Gruppen: "Die vielen neuen Abläufe und Eindrücke können für die Kinder am Anfang überfordernd sein. Jedes Kind ist unterschiedlich, aber in kleineren Gruppen und mit direkten Bezugserziehern fühlen sich die Kinder schneller sicher."

Wann ist mein Kind bereit für die Kita?
Ob dein Kind bereit für die Kita ist, merkst du laut Kirsty Wegener an diesen Faktoren:
Dein Kind interagiert auf einem regelmäßig besuchten Spielplatz mit anderen Kindern.
Dein Kind krabbelt auch mal von dir weg oder geht auf andere Kinder zu.
Dein Kind ist entdeckerlustig.
Dein Kind weint nicht jedes Mal, wenn ihr euch kurz trennt, z.B. weil du auf Toilette gehst und es beim anderen Elternteil bleibt.
Es kann passieren, dass ein Kind nicht in der Kita ankommt und eine fremde Betreuung nicht akzeptiert. In diesen Fällen sollte eine Eingewöhnung abgebrochen werden, rät Kirsty Wegener:
Das Kind kann sich nicht von dem Elternteil lösen, lässt ich auch nach längerer Zeit nicht beruhigen.
Die Trennungsphasen können auch nach mehrmaligen Versuchen nicht ausgedehnt werden.
In 80 Prozent aller Eingewöhnungen macht es beim Kind nach etwa zwei Wochen "klick". Kommt dieser Schalter auch nach über vier Wochen nicht, sollte die Eingewöhnung verschoben werden.
Die Eingewöhnung macht auch nach einem Wechsel der Begleitung (statt der Mutter übernimmt z.B. der Vater) keinen Fortschritt.
Wie kann ich meinem Kind die Eingewöhnung erleichtern?
Zunächst sollten Eltern sich immer fragen: Bin ich bereit, mich von meinem Kind zu lösen? Denn eigene Trennungsängste und Unsicherheiten übertragen sich auf das eigene Kind und könne die Eingewöhnung erschweren.
"Manchmal hilft es, wenn gerade nicht die Mutter, wie es meistens der Fall ist, die Eingewöhnung übernimmt", sagt Coachin Kirsty Wegener. "Die Bindung zur Mutter ist eine andere. Den Vätern fällt es oft leichter, sich vom Kind zu lösen und das wirkt sich positiv aus."
Was die Eingewöhnung allerdings erschweren kann, ist die Einstellung zum Loslassen: "Die Baucheinstellung zur Kita und zu dem Prozess, das Kind in Obhut anderer Menschen zu geben, sollte positiv sein", sagt Wegener. "Wenn Eltern selber noch nicht so weit sind, sich von ihrem Kind zu lösen, wirkt sich das auch auf das Kind aus. Kinder sind die Spiegel der Eltern." Das bedeutet: Selbst, wenn die Eltern ein Lächeln aufsetzen, es jedoch aber nur „vorspielen“ und nicht dahinterstehen, merkt das Kind, dass etwas nicht stimmt. "Das kann die Eingewöhnung erschweren."
Diese Tipps können die Eingewöhnung laut Kirsty Wegener erleichtern:
Jede Kita hat einen geregelten Tagesablauf, den du vorab bekommen kannst. "Es lohnt sich, die Schlafenszeiten zu Hause in kleinen Schritten zu üben, genau wie Zeiten zum Mittagessen und Frühstück", rät Wegener.
Ein Kuscheltier oder ein getragenes T-Shirt hilft deinem Kind, da es etwas Vertrautes ist.
Verabschiede dich zügig und zögere die Trennung nicht hinaus.
Bestimmte Rituale, die nur zum Verabschieden eingesetzt werden, wie etwa "High Five" oder ein Kuss auf die Stirn, helfen deinem Kind.
Woran erkenne ich eine gute Kita?
Eine gute Kita kann förderlich für die Entwicklung des Kindes sein und diese gut unterstützen. "Aus diesem Grund sollte bei der Besichtigung einer Kita auch stets nach dem Betreuungsschlüssel und Angeboten gefragt werden", rät Kirsty Wegener. Auch die Stimmung, die man während der Besichtigung und dem Gespräch mit der Kita-Leitung mitbekomme, sollte in die Kita-Entscheidung mit einfließen.
Folgende Fragen kannst du dir stellen, um herauszufinden, ob die Kita die richtige für dein Kind ist:
Fühle ich mich wohl hier?
Wie ist die Stimmung unter den Kolleg*innen?
Wie geht die*der Bezugserzieher*in auf mein Kind ein?
Wie wird mein Kind emotional abgeholt? Gibt es geregelte Tagesabläufe?
Die Optik ist nicht ausschlaggebend für die richtige Kita. "Dein Kind wird sich nicht dafür interessieren, ob alte oder neue Möbel in den Kita-Räumen stehen", sagt Kirsty Wegener.
Es gibt Kitas in Deutschland, die zuckerfrei sind, deren Konzept auf Natur und Bewegung ausgelegt ist. Die eigenen Werte dürfen eine Rolle spielen, sollten aber nicht ausschlaggebend für die Wahl der Kita sein. "Am Ende zählt das eigene Bauchgefühl", sagt die Pädagogin Kirsty Wegener. "Wenn du dich wohl fühlst und ein gutes Gefühl hast, ist es die richtige Kita."

Kirsty Wegener ist Kita-Leiterin und Dozentin für Kindheitspädagogik sowie zertifizierte systemische Business Coachin aus Hamburg. Sie begleitet Mütter in den Wiedereinstieg und während der Berufstätigkeit in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bietet. Erziehungsberatung für Eltern an. Mehr Informationen und die Kontaktdaten findest du unter k-wegener.de.
Quellen
Remo H. Largo, Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren, Piper Taschenbuch, 2021, 576 Seiten.
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