Lavinia Wilson: "Es geht im Leben nicht um straffe Hintern"
Für diesen Film hat Lavinia Wilson sich gern ausgezogen
Neu im Kino: der Film "Schoßgebete" nach dem zweiten Buch von Charlotte Roche. Es gibt Sex und es wird eklig, aber es wird auch unglaublich bewegend und traurig. Die Hauptrollen spielen Lavinia Wilson und Jürgen Vogel. Wunderweib.de hat Lavinia zu Sex, Liebe und Schauspiel ausgefragt.
Ab dem 18. September gibt es einen neuen Film im Kino: Schoßgebete. Was immer Sie über Charlotte Roche und ihr erstes Buch Feuchtgebiete denken, vergessen Sie das jetzt, bitte. Ihr zweites Buch ist anders und der Film dazu haut einem eine Geschichte um die Ohren, die atemlos macht!
Radikal offen, selbstbewusst und voller grimmigem Humor erzählt Schoßgebete die außergewöhnliche Geschichte einer jungen Frau, die versucht, allem und jedem gerecht zu werden, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Es ist eine tief berührende und tragikomische Geschichte über Ehe, Familie und Sex - und darüber, wie eine große Katastrophe das Leben für immer verändern kann.
Lavinia Wilson spielt in diesem Film die weibliche Hauptrolle: Elizabeth Kiehl. Diese Frau hat mehr Spleens als andere Leute Schuhe. Ihr Alltag besteht aus Kindererziehung, Biokost, Dildos, Therapiesitzungen und Sex mit ihrem Mann Georg, der von dem grandiosen Jürgen Vogel gespielt wird. Was diese Rolle mit ihr gemacht hat und ob Puff-Besuche wirklich helfen, eine Beziehung lebendig zu halten, verriet uns Lavinia zur Premiere des Films im Telefoninterview.
Dies ist der offizielle Trailer zum Film Schoßgebete:
Wunderweib: Lavinia, ich entschuldige mich schon mal, privat würde ich diese Fragen nie stellen!
Lavinia: Oook, da bin ich gespannt! Aber privat würde ich viele Antworten bestimmt auch nicht geben ...
Ok, los geht’s: Würmer und Nacktszenen, haben Sie beim Lesen des Drehbuchs zu „Schoßgebete“ nie gedacht „Um Himmels willen, das kann ich nicht spielen!“?
Ich hatte viel von den Büchern gehört und war schon skeptisch, weil ich nicht wusste, ob das filmisch Sinn macht. Aber dann habe ich beim Lesen des Drehbuchs in Elizabeth Kiehl eine Frauenfigur entdeckt, die schlau und komisch und selbstironisch und stark und gleichzeitig verletzlich ist. Das ist so eine facettenreiche Figur, wie sie mir selten angeboten wird, und wie es sie im deutschen Film und Fernsehen selten gibt. Da ist es als Schauspielerin völlig egal, ob man sich für die Rolle ausziehen oder so tun muss, als hätte man Würmer … Ich bin jauchzend im Quarre gesprungen, als ich die Zusage für diese Rolle bekommen habe! Erst als ich danach den Roman gelesen habe, habe ich gespürt, welche Verantwortung ich da übernommen habe, weil diese Geschichte so eine große Bedeutung für CharlotteRoche hat. Das hat mich eher umgetrieben, ob ich dem gerecht werden kann. Und ob da jetzt jemand meinen Po sehen kann – mein Gott … Da gehe ich recht entspannt mit um.
Nun haben Sie ja eine fantastische Figur, aber vielleicht waren Sie auch nicht immer ganz glücklich mit ihrem Körper – wie sind Sie an den Punkt gekommen, zu sagen „Ich fühle mich so wohl mit meinem Körper, den zeige ich auch vor der Kamera“?
Es ist so, es gibt diese Puffszene und so, aber es geht in dem Film nicht hauptsächlich um Sex, es geht um mehr, es geht ums Sichfallenlassen. Diese Puffszene ist eine Art Mutprobe für Elisabeth und ihren Mann, sie sagt sich „Wenn wir das schaffen, dann schaffen wir alles“. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Außerdem glaube ich, dass niemand 150-prozentig mit seinem Körper zufrieden ist, was damit zu tun hat, was uns in den Zeitschriften vorgesetzt wird - diese völlig unnatürlichen Photoshop-Frauen. Ich habe mal angefangen Yoga zu machen, um fit zu bleiben, einen straffen Hintern zu bekommen – und während du so dein Yoga machst, realisierst du, dass es im Leben gar nicht um straffe Hintern geht. Das andere ist, Charlotte hat sich mit diesen Büchern ja gerade gegen den Schönheitswahn aufgelehnt. Ihre Aussage war etwa „Das läuft alles völlig aus dem Ruder, das ist doch völlig bescheuert, sich die ganze Zeit mit seinem Aussehen zu beschäftigen“. Ich persönlich glaube auch, dass es im Leben viel Interessanteres gibt, als sich immer mit seinem Aussehen zu beschäftigen. Und dann ist es so, dass ich im Film nicht nur perfekt sein will, das finde ich langweilig. Ich will Figuren sehen, die mich berühren, ich will in die Geschichte und das Leben von jemandem eingesaugt werden und dafür ist es ganz wichtig, dass nicht alles perfekt ist. Mit der Einstellung lässt es sich leicht in solche Szenen gehen.
Das heißt, wir Frauen dürfen gerne mitnehmen, dass kleine Brüste völlig Ok sind?
Ja!!!! Natürlich! Dass man das heutzutage noch sagen muss!!!
Ja, echt, das ist furchtbar, aber leider ist das so! In dem Film kommt das Thema „Kleine Brüste“ auch immer wieder vor, das ist ja echt ein Trauma.
Aber das Gute ist, dass sie auch dieses Trauma mit Humor nimmt! Das macht sie auch modern, dass sie sich selbstreflektierend darüber lustig macht, das ist sympathisch. Das mochte ich auch ganz besonders an ihr. Ich kann allen Frauen nur raten: Mädels, ich glaube, es tut uns gut, sich nicht allzu ernst zu nehmen!
Jürgen Vogel und Lavinia Wilson als Georg und Elizabeth beim Kauf eines hübschen Dildos.
Wenn Sie sich „Schoßgebete“ jetzt anschauen, welches ist Ihre Lieblingsszene?
Im Spielen, muss ich leider zugeben, hat die Szene am Anfang großen Spaß gemacht, die Schießerei mit Lara Soft. So haben wir die Figur wegen dem pinken Anzug genannt. Im deutschen Fernsehen hat man selten die Chance dazu, so eine Schuss- und Actionszene zu spielen und es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht! Wenn ich den Film gucke, da bin ich großer Fan von den Szenen mit doppeltem Boden, die gleichzeitig lustig und traurig sind. Ich mag zum Beispiel die Szene, wo sie nachts völlig hysterisch zur Apotheke rennt und versucht, Medizin für Ihre Familie zu bekommen, weil das alles Gute und Schlechte an dieser Figur so auf den Punkt bringt. Sie ist gleichzeitig ein Stehaufmädchen, reagiert oft völlig überzogen, ist dabei aber nie auch nur eine Sekunde berechnend, weil sie einfach so eine grundehrliche Haut ist, und das sieht man in der Szene ganz schön.
Als Elizabeth durfte Lavinia durch einen Puff für Frauen spazieren.
Im Film durften Sie durch einen speziell für Frauen designten Puff mit verschiedenen Männertypen in stilvoll dekorierten Räumen spazieren. Würden Sie da reingehen, wenn es das real geben würde?
Aaaalso, für mich wär das nichts, muss ich ehrlich sagen. Aber jedem das Seine!
Was meinen Sie, wie vertreibt man einen Mann todsicher und wie schafft man es, lange zusammen glücklich zu bleiben?
Ich glaube der Ansatz - wie vertreibe ich - ist falsch, denn es geht ja nicht darum jemanden zu halten. Der muss ja freiwillig bei mir bleiben. An anderen Leuten bewundere ich ihre Unabhängigkeit, also wenn jemand eigenständig seinen Weg geht – aber beim eigenen Partner gilt das plötzlich nicht mehr. Den will man besitzen und verändern. Da wird die Liebe ein bisschen zu einem eifersüchtigen Tier ... Entscheidend ist, dass man den anderen sein lässt und Achtung hat, dann bleibt auch die Liebe frisch.
Meinen Sie es hilft wirklich, wenn man in Sachen sexuelle Freiheit so weit geht, dass man mit dem Mann zusammen in den Puff geht?
ICH habe KEINE AHNUNG. Wirklich nicht. Ich kann’s nicht sagen. Ich wünsche es den beiden aber sehr, der Elizabeth und dem Georg.
Auf diesem Bett wird die Puff-Szene gespielt.
Dieser Film hat Sie bestimmt auch sehr zum Grübeln gebracht. Es raubt einem ja schier den Atem, wenn man realisiert, was für Schuldgefühle diese Frau hat, weil sie meint, für den Tod ihrer Geschwister verantwortlich zu sein.
Ja, es ist ein schmaler Grat, den wir da versuchen zu balancieren. Man sagt, die tollste Komödie funktioniert nur, wenn großes Drama darunter liegt. Aber in dem Fall ist das Drama natürlich besonders groß, weil es an die wahre Geschichte von Charlotte Roche angelehnt ist. Ich habe den größten Respekt dafür, wie Charlotte und auch die Figur Elisabeth mit dieser Geschichte umgehen. Ich wünsche es niemandem, dass ihm jemals auch nur ansatzweise so etwas passiert.
Die Tränen von Ihnen, die sind so überzeugend, sind die immer echt?
Ja! Es gibt ja auch so Gel, das man sich unter die Augentupfen kann, aber davon schwellen meine Augen so schnell zu und das ist auch gegen meine Schauspielerehre! Wenn ich eine Figur ernst nehme, dann muss ich auch wirklich heulen!
Dieser Film hat Lavinia Wilson schauspielerisch richtig gefordert.
Im Film leben Sie eine Patchwork-Familie mit zwei Vätern. Was halten Sie selbst von Patchwork-Familien?
Ich komme selber aus einer ziemlich heilen Familie, aber ich habe jetzt selber ein Kind bekommen und mein Freund hatte auch schon eine Tochter, also wir leben jetzt auch so eine Patchwork-Situation … Ich denke: Hauptsache, es ist genug Liebe da! Ich glaube überhaupt nicht an diese traditionellen Muster und Institutionen wie die Ehe, damit kann ich nichts anfangen. Der Wille zum gemeinsamen Leben und die Liebe müssen stimmen, dann ist es völlig wurscht, welches Geschlecht man hat oder den gleichen Hintergrund oder ob man verheiratet ist oder nicht.
Ich finde es ja kurios, wie Elisabeth in ihrem Testament festlegt, dass die beiden Papas zusammenziehen sollen, wenn sie mal stirbt.
Es ist kurios, aber auch sehr charmant! Weil das total unerschrocken ist. Letztlich will sie ja nur das Beste für ihre Tochter. Dafür können die beiden Typen doch mal ihr Ego überwinden!
Sollte man sich denn heute noch trauen, ein Kind zu bekommen, bei allem, was dem passieren kann?
JAA! Wieso kann dem jetzt mehr passieren als früher? Soweit ich weiß, ist die Lebenserwartung höher und wir sind gesünder als wir es jemals waren, zumindest im Westen. Von daher: Leute, macht Kinder! Macht Spaß! Ich hätte echt nicht gedacht, dass es so lustig ist.