Michael Degen: Als Kind lebte er in Angst und Schrecken, später machte er allen Mut
Noch Ende Januar zu seinem 90. Geburtstag hat Michael Degen gesund und munter gewirkt. Am 9. April ist er friedlich eingeschlafen.
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Er sah sagenhaft gut aus, war sehr charmant und ein hinreißender Erzähler. Noch Ende Januar – zu seinem 90. Geburtstag – hat Michael Degen gesund und munter gewirkt. Da sagte er, es gehe ihm „in Anbetracht meines Alters ganz ordentlich“. Nun starb der Künstler in Hamburg. Zuletzt war er in der ARD-Krimireihe „Donna Leon“ zu sehen. Darin verkörperte er jahrelang den eitlen Vice-Questore Patta.
Aber er spielte auch Adolf Hitler und Holocaust-Überlebende – Erinnerungen an eine Zeit, in der er selbst durch die Hölle ging. Jahrzehnte nach dem Krieg schrieb der Star seine Geschichte auf. „Nicht alle waren Mörder – Eine Kindheit in Berlin“ wurde 1999 zum Bestseller. Als Kind lebte er in Angst und Schrecken, später machte er allen Mut.
Michael Degen: "Es ist besser, ein Opfer als ein Täter zu sein!"
Michael Degen kam am 31. Januar 1932 in Chemnitz als Sohn von Jakob Degen – ein Sprachen-Professor jüdischen Glaubens – und dessen Ehefrau Anna zur Welt. 1933 zogen die Eltern mit ihm und seinem acht Jahre älteren Bruder Adolf nach Berlin-Tiergarten. Im Winter 1939/40 wurde sein Bruder von der Mutter nach Palästina geschickt, um ihn vor der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu retten.
Im September 1939 hatte die Gestapo seinen Vater deportiert. Er überlebte zwar das Konzentrationslager Sachsenhausen, starb aber kurz nach seiner Freilassung an den Folgen der erlittenen Folter. „Meine Mutter hatte es sogar noch geschafft, ihn aus dem Lager rauszuholen. Leider war es schon zu spät, mein Vater ist kurz darauf gestorben. Im Krankenbett – sein Kopf war schon auf Babygröße geschrumpft – hat er mir aber einen wichtigen Satz mitgegeben: ,Denk daran: Es ist besser, ein Opfer als ein Täter zu sein!‘ Diese Ansicht teile ich bis heute.“
Michael Degen: "Wir hatten wenig zu essen, haben im Winter gefroren, aber wir lebten"
Michael Degen besuchte die jüdische Schule bis zu ihrer Schließung im Jahr 1942. Angesichts von Zwangsräumungen ihrer Nachbarn durch die Gestapo im Jahr 1943 tat seine Mutter alles, um sich und ihren Sohn vor dem Zugriff zu retten. Acht Mal mussten sie auf ihrer Flucht unter falscher Identität das Versteck wechseln, bis sie in einer Laubenkolonie bei nichtjüdischen Freunden im Berliner Ortsteil Kaulsdorf bleiben konnten. „Wir hatten wenig zu essen, haben im Winter gefroren, aber wir lebten.“
Bereits 1946 begann Michael Degen mit Hilfe eines Stipendiums eine Schauspielausbildung am Deutschen Theater in Berlin. 1949 emigrierte er auf Wunsch seiner Mutter nach Israel. „Ich war 17 Jahre alt und wurde gleich zum Militärdienst eingezogen. Aber ich habe mich geweigert, den Eid zu leisten, und viele Tricks gefunden, um keine Waffe in die Hand nehmen zu müssen.“ Während dieser Zeit fand er auch seinen älteren Bruder in einem Lazarett wieder und lernte mit dessen Hilfe Neuhebräisch. Nach zwei Jahren kehrte er aber nach Deutschland zurück und machte hier Karriere.
Michael Degen: Der Schauspieler ist im Alter von 90 Jahren friedlich eingeschlafen
Michael Degen war in dritter Ehe mit der Journalistin Susanne Sturm verheiratet und lebte in Hamburg. Vier Kinder hatte er aus zwei vorangegangenen Ehen, drei Töchter und einen Sohn, wobei er sich erst spät seiner Verantwortung stellte. „Ich war zu viel von zu Hause weg – das hat mir auch mein Sohn, mein jüngstes Kind, vorgeworfen“, sagte der Schauspieler.
Was ihn einst in seiner Eitelkeit störte: sein Hörgerät. „Früher habe ich mich immer gescheut, diese Ohrgehänge zu tragen.“ Aber irgendwann war alles nur noch „dumpfer Brei“. Und als er erfuhr, dass auch Bill Clinton eins trug, fand er es völlig in Ordnung.
Bis zuletzt liebte er es, zu reisen, und verriet: „Schon vor der Pandemie haben wir uns ein kleines Wohnmobil gekauft. Im Herbst waren wir in Kroatien, und als dort das Wetter schlechter wurde, sind wir kurzerhand nach Italien gefahren. Venedig, Florenz, Rom – alles bequem in den eigenen vier Wänden.“
Jetzt hat der Künstler seine letzte Reise angetreten. Nun trauern seine Fans um einen Gentleman, Kavalier und den Grandseigneur der deutschen Schauspielkunst.
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