Meine Erfahrung in den Zwanzigern

Quarterlife Crisis: Über das sich selbst Verlieren und Wiederfinden in den 20ern

Wieso fühle ich mich mit Mitte 20 so verloren? Wie mich die Quarterlife Crisis fest im Griff hat und was ich dadurch gelernt habe.

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Video: Glutamat

„Deine Zwanziger sind die besten Jahre deines Lebens!“ – So die Theorie. Doch was, wenn nicht? Können nicht auch meine 50er die besten Jahre meines Lebens sein? Warum jetzt? Weil ich „jung“ bin. Was genau soll das heißen?

Stopp: Bevor du weiterliest: Für die richtige Stimmung: Schnapp dir deine Kopfhörer und spiele das Lied „What was I made for“ von Billie Eilish ab. (Am besten in Dauerschleife.)

Mache ich etwas falsch, wenn sich die 20er nicht wie meine besten Lebensjahre anfühlen? Ich habe das Gefühl, ich muss feiern, jung sein und „das Leben genießen“. Dabei fühle ich mich oft müde und irgendwie schon viel zu alt. Ich habe das Gefühl, meine Zeit rennt mir weg.

In meinem Bekanntenkreis sind viele in langjährigen Beziehungen, heiraten, bekommen das erste Baby und ich? Ich hatte noch nie eine richtige Beziehung. Was will ich eigentlich vom Leben?

Viele meiner Freund*innen arbeiten in einem 40-Stunden-Job, scheinen ihr Leben unter Kontrolle zu haben. Ich arbeite in Teilzeit und mache nebenbei eine Schauspielausbildung. Mache ich das Richtige, müsste ich nicht langsam mal mehr „ankommen“? Was auch immer das bedeutet…

Doch spreche ich dann mit meinen Freund*innen, fragen die sich wiederum: „Will ich wirklich mein ganzes Leben lang im gleichen 9 to 5 Job bleiben?!“

Wie wir es auch machen, nichts scheint richtig. Oder in anderen Worten: Herzlich willkommen in den glorreichen Zwanzigern!

Sinnkrise in den 20ern: Ich fühle mich verloren

Und dann kommt der Selbsthass: Warum befasse ich mich eigentlich mit so Banalitäten? Schaue ich mir an, was so auf der Welt passiert… doch vielleicht ist es auch genau das: die Angst vor der Zukunft. Wie soll ich es in einer Welt aushalten, in der so viel Schreckliches passiert?

Und ich meine klar, es ist ein Privileg, so viele Möglichkeiten zu haben. Doch was sind die richtigen Entscheidungen für mich und mein Leben? Bin ich gut genug?

Okay, Stopp! Jetzt mal kurz durchatmen. Es ist doch alles nicht so schlimm! Eigentlich ist dieses Leben ziemlich gut!

Ich lebe allein und ich komme gut klar. Ich habe nicht nur einen Job, der mir Spaß macht, sondern sogar zwei! Naja, strenggenommen, verdiene ich zwar (bisher!) nur mit dem einen Geld, aber trotzdem! Ich habe tolle Freund*innen, die Welt steht mir offen. Eigentlich ist alles möglich und geht es nicht einfach nur darum, glücklich zu sein?

Mir geht’s gut. Ich bin glücklich… bis ich mir dann fünf Minuten später wieder folgende Frage stelle: Wer bin ich eigentlich? Warum fühle ich mich so lost? Was ist DIESES LEBEN?!

Ein ernstzunehmendes Phänomen: Die Quarterlife Crisis

Puh. Bin ich eigentlich verrückt geworden? Oder ist diese Gefühlsachterbahn vielleicht doch normal, wenn man in seinen 20ern ist? Zumindest muss ich feststellen, dass es vielen von meinen Freund*innen auch so geht. Und schaue ich mich auf TikTok und Co. um, wird mir schnell klar, ich bin nicht allein damit: Quarterlife Crisis heißt das Phänomen, das uns in den Wahnsinn treibt.

Das erste Viertel deines Lebens ist vorbei. Jetzt ist die „beste“ Zeit, die Zeit der großen Entscheidungen. Entscheidungen, die dein Leben in eine ganz bestimmte Richtung lenken können. Hinzu kommt die Angst vor der Zukunft. Kein Wunder also, dass viele junge Menschen in eine Sinnkrise geraten. Orientierungslosigkeit, Identitätskrise, Zukunftsfragen – die großen Themen der Quarterlife Crisis.

Doch was gilt es jetzt zu tun? Wie sich selbst finden, wenn man sich doch so verloren fühlt? Sicherlich gibt es hilfreiche Techniken und Maßnahmen der Selbstfindung, wie Meditation, Journaling und Co., die unterstützen können.

Sich selbst finden in den Zwanzigern: Meine Reise zu mir selbst

Ich frage mich aber, ob es nicht viel mehr ein Prozess ist, den wir nicht zu 100 % beeinflussen oder besser gesagt verkürzen können. Irgendwie glaube ich auch, dass man nur dann zu sich finden kann, wenn man sich zuerst verloren hat. So wie ein Puzzle, das erst dadurch seinen Sinn findet, dass es zuerst in alle Einzelteile zerlegt wurde, nur um dann zu einem wunderschönen Gesamtwerk zusammenzukommen.

Vielleicht ist das, was ich gerade erlebe, der entscheidende Moment in meinem Leben. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich stehe gerade an einem Wendepunkt. Ich habe mich nie so verloren gefühlt, wie in den letzten Monaten. Doch jetzt habe ich das Gefühl, gar nicht mehr so weit davon entfernt zu sein, mir selbst auf einer tieferen, ehrlicheren Ebene zu begegnen.

Ein großer Schlüssel für mich ist meine Schauspielausbildung. Nicht nur, weil ich mir damit einen Traum erfülle, sondern auch, weil ich durch das Schauspiel so viel über mich selbst lerne. Nie zuvor habe ich mich so intensiv mit all meinen Emotionen, mit meinen Schattenseiten und Glaubenssätzen beschäftigt.

Ich will nicht sagen, los, macht alle eine Schauspielausbildung. Aber ich denke, es ist entscheidend, sich die Zeit zu nehmen, sich selbst besser kennenzulernen. Auf welche Art auch immer. Denn ich glaube, viel zu oft laufen wir aus Bequemlichkeit oder aufgrund von gesellschaftlichen Erwartungen mit Scheuklappen durch die Welt und sind nicht ehrlich zu uns selbst. Wir merken nicht, was uns blockiert, was uns antreibt und verpassen womöglich die Chance herauszufinden, was möglich wäre, wenn wir uns dessen bewusst wären.

Ich glaube die 20er sind die Zeit, um das herauszufinden. Nicht zwangsläufig natürlich. Diese Fragen beschäftigen uns sicher unser Leben lang. Doch anstatt uns unter Druck zu setzen, die 20er zur besten Zeit unseres Lebens zu machen, könnten wir sie vielleicht als Zeit der Heilung betrachten. Sich selbst verlieren und sich selbst finden. Vielleicht nicht nur einmal, sondern zwei, drei, vier ... Mal. Bis das Puzzle langsam sichtbar wird.

Artikelbild und Social Media: Stephanie Verhart/iStock