Stephanie schenkt Einsamen einen Abschied in Würde
„Jedes Leben hat denselben Wert, kein Mensch ist vergessen“ - diese Grundsätze des christlichen Glaubens setzt Pastorin Stephanie Hecke (32) aus Stuttgart in ihrer Arbeit täglich um.
Fünfzehn schlichte schwarze Urnen und ebenso viele kleine Sonnenblumen in Vasen stehen auf einem Tisch in der Friedhofskapelle. Das „Chörle”, ein Chor, der zugleich die Trauergemeinde ist, singt einen Choral. Zusammen mit Pastorin Stephanie Hecke und ihrem katholischen Kollegen, Diakon Thomas Leopold, feiern sie einen ökumenischen Gottesdienst.
Hinterbliebene sind keine da. Dafür aber Freundinnen, Nachbarn, ehemalige Arbeitskollegen und eine Handvoll Menschen aus der Gemeinde, die an dieser Trauerfeier für unbedacht Verstorbene teilnehmen.
„Unbedacht Verstorbene”, so Pastorin Hecke, „sind die Menschen, die zum Zeitpunkt ihres Todes keine Angehörigen mehr hatten. Menschen, die oftmals einsam und allein die letzten Jahre ihres Lebens verbracht haben. Wir gestalten für diese Menschen eine Trauerfeier, denn es ist unsere christliche Überzeugung: Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod, bei Gott ist kein Mensch vergessen”.
Verstorbene aus allen Milieus der Gesellschaft
Seit drei Jahren veranstalten die evangelische und katholische Kirche in Stuttgart diese Trauerfeiern für unbedacht Verstorbene. Seit 2021 gemeinsam mit der Diakonie, der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart, in der Stephanie Hecke als Pastorin tätig ist.
„Die Diakonie steht anwaltschaftlich für die Menschen ein, die nicht gehört werden. Darum findet meine Arbeit auf der Straße statt”, erklärt die engagierte Seelsorgerin. „Ich gehe zu den Menschen in die Wärmestuben, in Begegnungsstätten für einsame ältere Menschen, treffe Wohnungslose und Drogenabhängige, gehe zu den Essensausgaben. Dort finden seelsorgerische Gespräche statt und ich halte auf Wunsch Gottesdienste. Die Menschen, die eines Tages unbedacht versterben, kommen jedoch aus allen Milieus der Gesellschaft.”
Initiiert wurden die Trauerfeiern von dem Chor „Chörle”. Die Sängerinnen und Sänger des Chores trafen sich, um für entfernte Bekannte, Nachbarn, ehemalige Kollegen, aber überwiegend für Fremde, die einsam verstorben waren, Lieder zu singen. Als die Zahl der einsam Verstorbenen immer größer wurde, wurden die einzelnen Trauerfeiern zu Gemeinschaftstrauerfeiern zusammengefasst. Seit 2020 richten Chor, Kirche, Diakonie (eva) und das Friedhofsamt der Stadt Stuttgart gemeinsam regelmäßig Trauerfeiern für unbedacht Verstorbene aus.
„Einsamkeit kann jeden treffen”, weiß Stephanie
Mittelpunkt jeder Trauerfeier ist ein Ritual des Erinnerns und würdevollen Verabschiedens. „Wir nennen jeden Namen der Verstorbenen. Damit würdigen und gedenken wir alle diejenigen, die niemanden mehr haben, die sie kennen und an sie denken. Denn fast alle hatten einmal eine Familie, Menschen, die sie liebten. Doch irgendwann, durch Scheidung, Todesfälle, Streit, Krankheit oder Alter kam die Einsamkeit. Und Einsamkeit kann jeden treffen.”
Die ökumenischen Trauerfeiern für unbedacht Verstorbene in Stuttgart sind in dieser Form einzigartig in Deutschland. „Wir hoffen sehr, dass sich auch in anderen Regionen Nachahmer finden”, so Stephanie Hecke. „Denn die Einsamen in unserer Gesellschaft werden immer mehr. Und jeder Mensch ist es wert, würdevoll verabschiedet zu werden.”
Autorin: Christine Bollhorn
Artikelbild und Social Media: Max Kovalenko/Lichtgut