Tipps für die Gehaltsverhandlung & Co.: Das sagt Finanzbloggerin Natascha Wegelin
Über Geld spricht man nicht? Im Gegenteil! Wir haben mit Natascha Wegelin ('Madame Moneypenny') über Finanzen, die Rentenlücke und die Vorbereitung zum Gehaltsgespräch gesprochen.
Wir müssen reden – und zwar über Finanzen, findet Wunderweib-Redakteurin Kerstin.
"Das ist mir alles viel zu kompliziert, da kümmert sich doch mein Freund drum und um die Rente mache ich mir jetzt noch gar keine Gedanken." Autsch, diese Annahmen solltest du ganz schnell aus deinem Kopf streichen. Geld ist nämlich - ob man es möchte oder nicht - ein wichtiger Aspekt, der viele Lebensbereiche betrifft. Deshalb sollten wir uns lieber früher als später darüber Gedanken machen. Zumindest möchte ich nicht irgendwann verwundert den Brief mit meiner berechneten Rente öffnen und mich fragen, warum ich keine Vorsorge geleistet habe. Doch auch ich kann die Furcht vor den so kompliziert wirkenden Themen rund um Finanzen nachvollziehen. Aber ich weiß auch: Die Gender-Pay-Gap ist ein Problem und auch im Alter wird es mit der Gender-Pensions-Gap nicht besser. Laut einer Studie der Deka-Bank, dem Wertpapierhaus der Sparkassen, bekommen Frauen 36 Prozent weniger Rente. Doch wo fange ich denn überhaupt an, wenn ich mich informieren möchte? Und welche Möglichkeiten zur Vorsorge gibt es? Das sind alles Fragen, die sich mir stellten. Also habe ich mit Finanzbloggerin Natascha Wegelin gesprochen, die mit ihrer Bewegung "Madame Moneypenny" mittlerweile tausende Frauen im Web erreicht. Neben dem Madame-Moneypenny-Blog, Büchern und einer Facebook-Gruppe, gibt es seit ein paar Monaten auch einen Finanzpodcast der Unternehmerin (sie hat u.a. wg-gesucht.de gegründet) - extra für Frauen. Warum ihr die finanzielle Unabhängigkeit für Frauen so ein großes Anliegen ist, wie du ganz leicht sparen kannst und was ETFs sind, hat sie uns im Interview erzählt.
Let's talk about money
Kerstin: Was bedeutet dir Geld?
Natascha Wegelin: Geld ist für mich Freiheit: Freiheit, über Dinge zu entscheiden, Freiheit, mir Dinge zu leisten, Freiheit, Nein zu sagen und Freiheit, über meine Zeit zu bestimmen.
Also würdest du sagen, dass Geld eine wichtige Rolle in deinem Leben spielt?
Ja, definitiv. Ich glaube, es hat eine wichtige Rolle in dem Leben von vielen Menschen. Vielleicht nehmen es einige nicht für so wichtig wahr, aber mit Geld kommen wir jeden Tag in Berührung. Vieles dreht sich darum, viele Sorgen, die wir uns machen, kreisen darum. Ich denke schon, dass Geld ein sehr sehr wichtiges Thema ist.
Ich bin gedanklich mal durch meinen Tag gegangen und habe festgestellt, dass Geld immer thematisiert wird. Meistens in Form von Wert oder Wertigkeiten, dass etwas teuer ist, oder billig. Oder man kommentiert, dass man kein Geld hat.
Ja, stimmt. Oder wenn man sich über die hohe Miete ärgert oder die Deutsche Bahn wieder die Preise erhöht. Ich würde sagen, dass man sich auf oberflächlicher Ebene schon mit Geld beschäftigt, aber die wenigsten auf etwas tieferer Ebene, zum Beispiel, wie man mit Geld umgehen möchte.
Wieso ist dir die finanzielle Unabhängigkeit so ein großes Anliegen?
Für mich persönlich ist es ein Anliegen, weil ich diese Freiheit natürlich schätze. Und darüber hinaus ist es mir wichtig, dass am besten alle Frauen finanziell unabhängig werden. Damit mehr Frauen in eine Selbstbestimmtheit kommen und beispielsweise nicht mehr so abhängig von ihrem Partner sind, was sehr oft der Fall ist. Viele realisieren das vielleicht gar nicht, zum Beispiel junge Mütter, die erstmal Teilzeit arbeiten oder komplett raus sind. Das ist eine extreme Abhängigkeit vom Partner - und das ist nicht gut. Es kommt ja vor, dass Ehen auch mal geschieden werden … Dann ist da noch die starke Abhängigkeit vom Staat, dass ich später einmal eine Rente bekommen werde. Meine Mission auf Madame Moneypenny ist Aufklärung und Motivation, dass Frauen sich um ihre Finanzen kümmern.
Was ist dein einfachster Spartipp, den ich direkt umsetzen kann?
Das Einfachste ist zunächst das Führen eines Haushaltsbuchs. Das kann man rückwirkend machen, indem man sich die Kontoauszüge der letzten drei Monate vornimmt und rekonstruiert, wofür man in den vergangenen Monaten Geld ausgegeben hat. Dazu schreibt man in Echtzeit auf, wofür das Geld die ganze Zeit draufgeht. Da sind einige Aha-Momente vorprogrammiert. Entweder sind das zu hohe Fixkosten, wie zum Beispiel ein zu teurer Handyvertrag, oder die variablen Kosten, wie ein coffee to go, Benzin und so weiter. Der erste Schritt ist also erst einmal die Analyse: Wo geht mein Geld überhaupt hin? Um dann im zweiten Schritt Sparpotential auszumachen: Kriege ich einen günstigeren Handyvertrag? Sich fragen, ob man immer mit dem Auto fahren muss oder warum ich mir jeden Tag für 2,50 Euro einen coffee to go kaufe.
Dieser Artikel ist Teil der Aktion #wunderbarECHT. Mehr Infos bekommst du hier.
Ein coffee to go oder ein Franzbrötchen auf die Hand ist für viele ein kleiner Wohlfühlmoment. Darauf muss ich aber jetzt nicht verzichten, oder?
Nee, gar nicht. Mir geht es nur darum, dass man diese Entscheidung achtsam und aktiv trifft. Ich glaube, es ist nicht gut, dass man irgendwann gar nicht mehr mitbekommt, wie viel Geld man dafür ausgibt. Sparen ist nicht unbedingt verzichten. Sparen hat mit Prioritäten zu tun. Ist mir das Franzbrötchen wichtig? Ist es mir das wert? Dann sollte ich es nicht streichen. Dann gibt es vielleicht einen anderen Posten, an dem ich sparen kann, der mir nicht so wichtig ist.
Für die meisten ist das größte aktive Einkommen das Gehalt, das wir monatlich beziehen. Allerdings habe ich nicht das Gefühl, dass unter Frauen viel darüber gesprochen wird, wie viel man tatsächlich verdient. Findest du das gut oder schlecht?
Ich finde schon, dass uns ein bisschen mehr Offenheit gut tun würde - gerade auch Frauen untereinander. So kann ich einschätzen, ob ich zu wenig verdiene im Vergleich zu Kollegen oder meiner Freundin, die in der gleichen oder ähnlichen Branche bei einem anderen Unternehmen beschäftigt ist. Da finde ich Transparenz sehr wichtig. Nur wenn ich eine gewisse Gehalts-Benchmark habe, weiß ich, wieviel Potential da noch drinnen steckt. Da kann ich dann nachfragen: Wie hast du das denn gemacht? Wie hast du so ein Gehalt ausgehandelt? Was muss ich tun, um auch so ein Gehalt zu bekommen? Das sind tolle Daten und Informationen, mit denen man weiterarbeiten kann.
Mehr: Gender-Pay-Gap-Experiment beweist: Wir müssen über Gehaltsunterschiede reden
Viele Frauen die ich kenne haben ein Art “schlechtes Gewissen”, wenn es darum geht eine Gehaltserhöhung zu erfragen. Weißt du woher das kommt und wie man das abschalten könnte?
Ich denke, das ist fehlendes Selbstwertgefühl und fehlendes Selbstbewusstsein. Die Frauen wissen nicht um ihren Wert im Unternehmen. Natürlich macht ein Job auch Spaß, aber von irgendwas muss ich leben. Wir wollen alle angemessen bezahlt werden für unsere Leistung. Wenn jemand so eine innere Barriere hat und einem das unangenehm ist, ist das für mich ein Coaching-Thema. Ich muss nicht zu meinem Chef gehen, wenn ich selbst nicht einmal davon überzeugt bin, dass ich das wert bin. Wie soll ich ihn dann überzeugen? Der sieht das doch auf 2,50 Meter. Dann ist das Gespräch nach zwei Minuten beendet, indem er sagt: “Nee, ist nicht drinnen.”
Ich denke auch, dass man erst einmal in Vorleistung gehen muss. Ich bin Arbeitgeberin und war mal Arbeitnehmerin. Ich muss erstmal zeigen, was ich kann. Ein Quick-Fix, der mir da einfällt, ist auf jeden Fall ein Erfolgstagebuch. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die negativen Dinge mehr im Gedächtnis bleiben. Es ist ein guter Selbstbewusstseinsboost, wenn ich tagsüber oder am Abend reflektiere, was alles gut gelaufen ist und das aufschreibe.
Video: Das ist der 5-Euro-Spartrick
Es geht ja nicht nur um das Jetzt, sondern auch um die finanzielle Absicherung im Alter und die Vorsorge. Da schwebt oft der Begriff Rentenlücke im Raum. Was ist das genau und warum sollte ich mir darüber Gedanken machen?
Die Rentenlücke ist der Geldbetrag, der mir im Alter fehlen wird, wenn ich nur die gesetzliche Rente bekomme, um meinen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, gemessen an meinem aktuellen Gehalt. Ein Beispiel: Ich brauche 2.000 Euro im Monat, bekomme aber nur 500 Euro, dann habe ich eine Rentenlücke von 1.500 Euro. Der nächste Schritt ist dann sich zu überlegen, wie ich diese Rentenlücke füllen kann. Ein Teil davon ist zum Beispiel die private Rentenversicherung, aber auch privater Vermögensaufbau.
Welche privaten Vorsorgemaßnahmen kann ich denn jetzt schon treffen, um mich für die Zukunft abzusichern?
Das sind zum Beispiel Versicherungen, die für eine Grundsicherung zuständig sind. Da muss ich überlegen, was ich gerne hätte und mich dann beraten lassen. Aber bitte von einem Honorarberater und nicht von einem Provisionsberater (lacht). Wenn ich da gut aufgestellt bin, dann – so mache ich es jedenfalls – sind Börseninvestments, also Aktien und ETFs interessant, um Vermögensaufbau zu betreiben. Das geht natürlich auch durch Immobilieninvestments oder ein eigenes Unternehmen, für den Ottonormalverbraucher sind es aber eher ETFs.
Was sind ETFs?
ETFs sind Aktienfonds. Es gibt aktive und passive Fonds. Aktive Fonds sind relativ teuer. ETFs sind sogenannte passive Fonds. Das Konstrukt funktioniert so, dass ganz viele einzelne Aktien, zum Beispiel von Facebook, Apple, Microsoft, Lufthansa und so weiter, in einem Korb gebündelt werden, ich muss sie also nicht einzeln kaufen. Stattdessen kaufe ich mir einen Anteil an diesem Korb, an diesem ETF, und investiere, zum Beispiel, meine monatliche Sparrate von 100 Euro in diesen Korb. Ich muss mir nichts einzeln zusammensammeln und auch nicht hin und her verkaufen, da geht es um ein passives Investieren: einmal aufsetzen und dann laufen lassen. Erst wenn ich in Rente gehen möchte, muss ich nochmal tätig werden. Für Privatanlegerinnen, die keine Lust haben den ganzen Tag am Laptop zu sitzen und irgendwelche Aktien hin und her zu verkaufen, ist das ein schönes Produkt.
Wenn ich über Aktien mit anderen sprechen, kommt häufig der Einwand, dass das doch viel zu risikoreich wäre und ob ich nichts von den Leuten gehört hätte, die tausende Euro an der Börse verloren haben. Ein bisschen risikofreudig muss ich bei dieser Form des Investments schon sein, oder?
Man muss sich schon dessen bewusst sein, dass das Geld jetzt nicht irgendwo auf einem Bankkonto liegt und es schlagartig weniger wert sein kann. Aber auf dem Bankkonto wird das Geld ja auch ständig weniger wert durch die Inflation, dieses Risiko ist auf jeden Fall schon einmal sicher. Aber klar, Rendite kommt ja auch von Risiko. Je mehr Risiko ich eingehe, desto mehr Rendite kann ich auch erwarten. Aktien sind aber nicht per se enorm risikoreich. Da muss man immer schauen, in welche Aktien, in welche ETFs, ich investiere. Breit investieren, lange halten, Krisen aussitzen: Es gibt ein paar Grundregeln, die man natürlich kennen muss. Ansonsten passiert nämlich genau das, was du erzählt hast: “Oh, jemand hat Geld an der Börse verloren.” Aber die Börse macht mit deinem Geld gar nichts. Du investierst es, du triffst die Entscheidungen und wenn man ein paar Grundregeln kennt, kann man sehr fundierte und souveräne Entscheidungen treffen. Geld ist ja auch nicht weg und verschwindet nicht einfach in den Erdboden. Wenn es mal zu einer Krise kommt und zu denen kommt es ja regelmäßig, was auch okay ist, dann muss ich einfach wissen, was ich da zu tun habe, nämlich gar nichts und einfach zu warten bis die Krise wieder vorbei ist.
Wie sieht es denn mit Frauen aus, die lange in Elternzeit waren und danach vielleicht reduzierte Stunden arbeiten, um sich um die Kinder bzw. Familie zu kümmern. Wie kann da die private Altersvorsorge aussehen? Da sieht es mit der Rentenlücke ja wahrscheinlich noch etwas schlimmer aus.
Im besten Fall ist es schon in der Elternzeit oder Teilzeit so gelaufen, dass der Mann, Vater oder die andere Mama einen Ausgleich gezahlt hat für die Zeit, in der ich zu Hause war, das Kind gehütet habe, den Haushalt geschmissen habe und noch dreizehntausend andere Dinge gemacht habe, aber eben nicht für Geld gearbeitet habe. Wie du schon sagst, kann ich in der Zeit nicht in meine Altersvorsorge einzahlen. Deshalb ist dieser Ausgleich so wichtig. Und ansonsten greifen die selben Mittel, wie bei allen anderen: Versicherungen und privater Vermögensaufbau. Obwohl es dann natürlich schwieriger werden kann, wenn ich weniger verdiene und keinen Ausgleich bekomme. Deshalb am besten vorher überlegen, wie lange man Pause machen möchte und warum ich das überhaupt mache und nicht der Papa.
Mehr: Arbeiten nach der Elternzeit: Warum es härter ist, als ich dachte
In diesem Fall ist die Kommunikation mit dem Partner wahrscheinlich essentiell. Sich zusammen hinsetzen, einen Finanzplan aufsetzen und so weiter.
Ganz genau, und das am besten vorher, um dann gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Meiner Meinung nach ist das auf jeden Fall ein Thema, das eine Frau ansprechen muss in einer Partnerschaft. “Wie wollen wir das denn überhaupt machen?” Und da ist natürlich wieder verhandeln und für sich einstehen sehr wichtig, so dass es erst gar nicht zu so einer Abhängigkeit und finanziellen Verschiebung kommt - so weit wie das eben möglich ist. Klar, wenn ich Geld von meinem Partner bekomme, ist das auch eine gewisse Abhängigkeit, aber dann habe ich das Geld auf meinem eigenen Konto und nicht nur ein gemeinsames Konto und keiner weiß, wofür das eigentlich draufgeht.
Die Themen, die du in deinem Podcast und auf deinem Blog anschneidest, sind ja eigentlich wirtschaftliche Grundlagen. Glaubst du, dass das in der Schule zu kurz kommt?
Ja, absolut. Das ist ein Thema, das meines Wissens nach gar nicht thematisiert wird. Wenn man Glück hat, ist ein bisschen Wirtschaft dabei, bei mir gab es das aber nicht. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind aber nur das Eine. Eigentlich muss es auch ein Schulfach geben, das “Umgang mit Geld” heißt oder so. Wie funktioniert Geld? Wie gehe ich damit um? Wo lauern die Gefahren? Dispo heißt zum Beispiel nicht, ich habe 2.000 Euro mehr zur Verfügung. Schulden sind teuer. Vielleicht auch “Das kleine Einmaleins der Geldanlage”. Generell liegt die Verantwortung natürlich bei den Eltern. Aber das Problem ist leider, dass die Eltern es auch nicht besser wissen …
Vielen Dank für das Gespräch!
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