Trauer-Bilder: Katrin Langowski fotografiert Sternenkinder
Katrin Langowski: „Mit meinen Bildern möchte ich trauernden Eltern helfen“
Ehrenamtliche Fotografen von "Now I lay me down to sleep" und "Dein Sternenkind" machen Fotos von Babys, die viel zu früh sterben müssen. Warum sie sich das antun? Eine Fotografin aus Hamburg berichtet von ihren Begegnungen mit diesen Babys.
Ihre Finger und Nasen sind noch ganz klein, die Gesichter noch ganz weich. Sie sind kaum Mensch und doch schon wieder auf dem Weg in den Tod. Jeden Tag kommen in Deutschland und auf der ganzen Welt Kinder zur Welt, die nicht leben können. Mal ist ein Herzfehler schuld, ein anderes Mal sterben sie wegen einer Schwangerschaftsvergiftung.
Es gibt viele verschiedene Ursachen für einen so frühen Tod, manchmal können die Ärzte nicht mal sagen, woran es gelegen hat. Manche Kinder sterben schon im Bauch der Mutter, andere leben noch einige Stunden oder Tage. Oft kämpfen die Ärzte lange um ihre kleinen Leben – doch viel zu oft kommt der Moment, in dem die Eltern und die Ärzte erkennen müssen, dass ein Kind nicht stark genug ist, um zu überleben. Dann bleibt nur Abschied nehmen von diesem Kind, das zu einem der so genannten Sternenkinder wird.
Es sind selten die Eltern, die in diesen Stunden an Fotos denken. Manchmal greifen die Krankenschwestern oder Hebammen zur Kamera, um wenigstens ein Bild zu machen, etwas, das die Eltern nach dem Tod ihres Kindes behalten können, um sich zu erinnern und zu zeigen: Da war ein Kind. Es durfte nicht leben, aber es war da und wir werden es immer in unseren Herzen tragen. Doch manchmal bleibt nicht genug Zeit, bevor das Kind geht – oder die Amateur-Bilder zeigen die Realität zu hart. Das sind die Momente, in denen die Krankenhäuser bei Menschen wie Katrin Langowski anrufen.
Katrin Langowski (Foto: privat) ist eine von tausenden von professionellen Fotografen auf der ganzen Welt, die ehrenamtlich Sternenkinder fotografieren, um den Eltern eine greifbare Erinnerung an ihr Baby zu geben.
Die Fotografin lebt in Hamburg und arbeitet für die zwei Organisationen „Now I lay me down to sleep“ (NILMDTS) und „Dein Sternenkind“. Die erste ist eine amerikanische Organisation mit rund 1600 aktiven Fotografen weltweit, die zweite wurde von einem Deutschen ins Leben gerufen und ermöglicht gezielt den Kontakt zu Fotografen in Deutschland. Viele dieser Fotografen haben selbst erleben müssen, wie es ist, ein Kind zu verlieren. Darum wollen sie anderen Eltern das Geschenk einer bleibenden Erinnerung machen.
Die Fotografin musste sich für das Ehrenamt bewerben
Für Katrin Langowski entstand der Kontakt zu NILMDTS bei einer Weltreise. In Amerika traf sie eine andere Fotografin der Organisation, die sagte: „Du mit deinem offenen Wesen und deinem Wissen zu Körper-Fotografie, du wärst perfekt für diese Aufgabe!“ Also bewarb sich die Fotografin mit einigen Bildern ihrer bisherigen Arbeiten – und nach sechs Wochen wurde sie in die NILMDTS -Datenbank aufgenommen. „Als die Zusage kam, habe ich mich geehrt gefühlt“, erinnert sich die Fotografin.
Tote oder sterbende Babys fotografieren? Die weinenden Eltern trösten und für die Fotos dirigieren?
Diese Aufgabe klingt alles andere als einfach. Doch Katrin hatte keine Angst davor. „Ich habe vor 25 Jahren meinen Vater über anderthalb Jahre im Sterben begleitet, er hatte einen Hirntumor. Dieses Erlebnis Tod war unglaublich traurig, aber es hatte nicht dieses Schreckliche. Er ist im Rahmen seiner Familie gestorben, wir haben ihn alle begleitet und es war einfach ein ganz schönes Miteinander. Später war ich auch dabei, als der Sohn meiner besten Freundin starb. So war ich dem Tod immer wieder sehr nahe und habe die Angst davor verloren.“ Schon in dieser Zeit entstand bei der Hamburgerin der Wunsch, sterbende Menschen zu fotografieren. „Das ist schon krass, aber irgendwie müssen wir mit diesem Thema ja umgehen.“
Dieser Vater hält ebenfalls ein Sternenkind in den Armen. Der Name des Babys: Logan Bostrom. (Foto: Julie Williams / NILMDTS)
Außerdem möchte sie den trauernden Eltern helfen. „Bei Sternenkindern haben die Eltern nachher oft gar nichts. Manchmal bringt eine Frau ein Kind zur Welt und die Ärzte merken direkt, dass es einen schweren Herzfehler hat. Dann kommt es auf die Intensivstation, da wissen die aber schon, dass dieses Kind nur ein paar Stunden oder Tage zu leben hat. Die Eltern nehmen dann natürlich jeden Moment mit diesem Kind wahr und haben überhaupt keine Gedanken für Fotos. Schließlich stirbt dieses Kind und es bleibt nichts, woran die Eltern sich nachher festhalten können.“
Wenn Katrin Langowski noch ins Krankenhaus gerufen wird, beginnt sie die Aufnahmen mit einem Gespräch. „Ich fasse nie direkt das Baby an, sondern spreche erst mit den Eltern und frage nach dem Namen. Dann schlage ich ihnen zum Beispiel vor, ihr Baby in den Arm zu nehmen und spreche dabei auch direkt mit dem Kind, sage sowas wie ,Komm Sophia, wir legen mal deine Händchen übereinander, ich lege mal den Ring deiner Eltern hinein‘.“
Manchmal entstehen die Bilder erst im Trauerraum
Manchmal wird Katrin Langowski aber auch erst später von dem Hamburger Bestattungsunternehmen GBI gerufen. Dann fährt sie in das Institut und fotografiert zusammen mit der Filialleiterin Susanne Reichmann dort Babys, die schon einige Tage tot sind. „Da gibt es einen Trauerraum, in dem wir die Babys fotografieren können. Ich lege oft die Eheringe der Eltern in die Hände der Babys, mache Portraits und fotografiere Details wie die Augen, die Füße oder den Mund. Nachher bearbeite ich alle Bilder und setze sie in Schwarz-Weiß. Das nimmt den Bildern den Schrecken und lässt sie friedlicher wirken. So ein Bild können sich die Eltern später auf die Kommode stellen und zeigen ,Hier, das war unser Baby‘.“
Seit zwei Jahren macht die herzlich wirkende Frau die Aufnahmen von diesen Babys, schon sechs Mal wurde sie in ein Krankenhaus oder in das Institut von GBI gerufen, um ihre kurze Zeit auf Erden in Bildern festzuhalten.
All die toten Kinder – hat sie nie mit Albträumen zu kämpfen?
„Nein … Wenn das Telefon klingelt und jemand sagt, wir haben hier ein verstorbenes Kind, dann rast mein Herz. Ich weine jedes Mal, wenn ich so einen kleinen Menschen vor mir habe, frage mich, warum dieses Kind gehen muss – aber dann bin ich einfach Fotografin, konzentriere mich auf das Licht und die Aufnahmen. Außerdem bin ich nie alleine, oft ist zum Beispiel eine Hebamme dabei, die mir hilft, und unsere Gespräche lenken mich ab. Trotzdem ist es jedes Mal schrecklich und es begleitet mich oft noch Tage danach, aber es gehört irgendwie dazu… und die Eltern sind nachher so froh und dankbar für diese Bilder. Außerdem gibt mir diese Tätigkeit auch irre viel, es macht mich glücklich, dass ich mit dem, was ich kann, dem Fotografieren, den Eltern so viel geben kann – und es lässt mich das Leben viel mehr schätzen, macht jeden Moment kostbar.“
In diesem Video berichten die Gründer von „Now I lay me down to sleep“ von den Anfängen ihres Projekts und betroffene Eltern erinnern sich an ihre Babys:
INFO
Mehr Informationen und die Kontaktdaten der Fotografen von „Now I lay me down to sleep“ und „Dein Sternenkind“ gibt es jeweils auf den Internetseiten: nowilaymedowntosleep.org und dein-sternenkind.eu . Beide Organisationen suchen dringend nach weiteren Fotografen, die sich diesem Ehrenamt widmen wollen und freuen sich über Spenden.
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