Was passiert, wenn du dich in deinen besten Freund verliebst
Wer sich in den besten Freund verliebt, steht vor einer Reihe von Fragen. Sollte ich es ihm sagen? Kann eine Beziehung mit dem besten Freund funktionieren? Und wenn ja, wie? Ein Experte und seine Antworten.
Es war ein ganz normaler Samstagabend. Wir saßen auf dem Sofa, lagen, meine Beine über deinen, müde, aber nicht zu müde, um die dritte Dokumentation des Abends anzufangen. 01:37 zeigte die Uhr, als mir auffiel, dass ich schon lange nicht mehr wusste, worum es in der Sendung eigentlich ging. Wie waren wir hier gelandet? Und wenn es nicht das spannende TV-Programm war, was hielt mich dann um diese Uhrzeit noch auf deinem Sofa?
Es war etwa eine Stunde später, als ich durch den Nieselregen nachhause lief – ein Klassiker, ich weiß, aber in Hamburg nicht ungewöhnlich – und realisierte, dass ich mich selbst belogen hatte. Darin, dass ich schlichtweg nichts Besseres zu tun hatte, an diesem Samstagabend. Hatte ich nicht. Weil ich mir nichts Besseres vorstellen konnte, als mit dir auf diesem Sofa zu sitzen. Es waren nicht die Artisten der Zirkus-Doku, die mich so faszinierten, sondern deine Hand auf meinem Bein.
Auch wenn es damals noch lange dauern sollte, bis ich es mir eingestehen würde, wusste ich an diesem Abend bereits, was ich heute weiß: Ich hatte mich in meinen besten Freund verliebt. Und das war absurd – schließlich kannten wir uns doch schon knapp zehn Jahre, du und ich.
Freundschaft ist etwas Wunderbares. Sie steht für Vertrauen und Loyalität, lachen und weinen. Gute und schlechte Zeiten. Ein Team. Alles Dinge, die man auch einer Beziehung zuordnen würde. Nur eben platonisch. Doch was tut man, wenn die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe verwischen?
Sich in den besten Freund verlieben, das klingt nach ganz großem Kino. Meistens ist es das auch. Nur dass dir vorher keiner verrät, welches Genre sich daraus entwickelt. Romanze oder Drama?
Man sagt, mit jeder neuen Liebe würde man gewinnen – einen Seelenverwandten oder eben an Erfahrung. Bei einer Beziehung mit dem besten Freund ist das anders. Verlierst du, verlierst du doppelt – deinen Partner, aber auch die Person, der du nun eigentlich dein Herz ausschütten würdest.
Wer sich in seinen besten Freund verliebt, steht also immer vor einem Risiko. Wie geht man also damit um, wenn die Gefühle plötzlich nicht mehr rein freundschaftlicher Natur sind? Kann eine Beziehung mit dem besten Freund funktionieren? Und was, wenn nicht? Ich habe bei Paarberater Eric Hegmann nachgefragt.
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Wie finde ich heraus, ob ich mich wirklich in meinen besten Freund verliebt habe?
"Einen Beziehungspartner kennenlernen kann – etwas vereinfacht dargestellt – auf zwei Arten geschehen. Da ist der schicksalsorientierte Weg, das heißt, sexuelle Anziehungskraft, die unvermittelt und sehr stark zur Bindung führt, auch gerne als „Liebe auf den ersten Blick“ bezeichnet. Und der wachstumsorientierte Weg, der bei Sympathie beginnt, dann zu Zuneigung, Freundschaft und Liebe erwachsen kann. Der letztere Weg geschieht häufiger und führt zu stabilen Partnerschaften, der erste wird allerdings heute überromantisiert, auch wenn er meist nur zu kurzen Beziehungen führt, die beendet werden, wenn die erste Anziehungskraft nachlässt und der Alltag einkehrt.
Wenn Sie also vermuten, Sie sind in Ihren besten Freund verliebt, dann erleben Sie vermutlich eine wachstumsorientierte Verbindung.
Allerdings kenne ich aus der Praxis durchaus Fälle, in denen der beste Freund dann besonders attraktiv wurde, weil man gerade selbst eine schmerzhafte Trennung erlebt hat. Deshalb sollten Sie ehrlich gegenüber sich selbst prüfen, ob Sie vielleicht aus Furcht vor Einsamkeit oder auch aus Bequemlichkeit gerade einen Lückenfüllerpartner suchen."
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Wie sage ich es meinem besten Freund? Sollte ich es ihm überhaupt sagen?
"Wenn es Ihr bester Freund ist, dann können Sie mit ihm über alles reden. Deshalb ja. Und wie? Mut zusammen nehmen und ansprechen. Das ist ja noch kein Heiratsantrag, sondern zunächst eine Beschreibung der aktuellen Situation und Ihrer Gefühle. Daran ist nichts dramatisch und nichts, wofür Sie sich schämen müssten. Ebenso wenig wie das Verlieben in einen Arbeitskollegen."
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Was ist das Schwierige an einer Beziehung mit dem besten Freund?
"Ich bin gar nicht der Meinung, dass das so schwierig ist. Wissen Sie, die meisten Beziehungen scheitern nicht an einem zu wenig an Liebe, sondern an einem zu wenig an Freundschaft. Und eine der wichtigsten Säulen langfristiger Beziehungen ist die tiefe Freundschaft der Partner. Freundschaft lässt nämlich die unlösbaren Konflikte einer Partnerschaft einfacher akzeptieren. Mit Ihren Freunden streiten Sie doch meist viel respektvoller, umsichtiger und weniger aufgeheizt als mit einem Partner, wo Ihre Verlustangst für starke emotionale Verhaltensweisen sorgt.
In der Paartherapie lernen Paare häufig, miteinander zu streiten wie Partner und nicht wie Feinde, denn sie sind ja ein Team, das miteinander arbeitet und nicht gegeneinander. Davon ist aber oft nicht viel zu spüren, selbst wenn es nur um das Ausräumen des Trockners geht. So würden manche Menschen mit ihren Freunden niemals umgehen."
Wie kann eine Freundschaft weiterhin funktionieren, wenn einer die Gefühle nicht erwidert?
"Niemand erlebt gerne eine Zurückweisung und je mehr man einander kennt und füreinander empfindet, umso schmerzhafter ist es. Aber Freundschaften zerbrechen leider meist erst recht, wenn ein Partner nur heimlich verliebt ist und der Schwarm die veränderten Verhaltensweisen nicht einschätzen kann und sich durch diese bedroht fühlt. Damit etwas besser werden kann, muss etwas verändert werden. Nutzen Sie Ihre Chancen und sehen Sie nicht nur die Gefahren."
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Und was, wenn eine Beziehung in die Brüche geht? Kann die Freundschaft eine Trennung überleben?
"Das kommt auf die Trennungsgründe an. Nach meiner Erfahrung hat das viel mit dem verletzten Selbstwert zu tun, ob und wie die ehemaligen Partner miteinander auskommen. Letztlich muss sich jede Beziehung am Ende noch einmal beweisen, da ist die Vorgeschichte der Partner nicht ausschlaggebend.
Das hat aber auch etwas mit Lebens- und Beziehungserfahrung zu tun. Wenn Sie jung sind, dann ist eine Freundschaft, die Sie seit fünf Jahren vereint, vielleicht die längste Beziehung, die Sie in Ihrem Leben abseits Ihrer Familie geführt haben. Haben Sie aber erst einmal während einer 20jährigen Beziehung auch mehrere Freundschaften kommen und gehen sehen, dann bewerten Sie das ganz anders."
Eine Beziehung mit dem besten Freund bedeutet: All In!
Liebe bedeutet immer Einsatz. Entsteht sie für den besten Freund, ist er vermutlich höher – der Gewinn aber ebenso. Seien wir mal ehrlich: Ist man verliebt, entscheiden letztendlich ohnehin die Gefühle.
Heute weiß ich, was passieren kann, wenn man sich in seinen besten Freund verliebt. Dass viele rosarote, aber auch viele Gewitterwolken auf dich warten. Dass du immer wieder Neues an einem Menschen entdecken wirst, den du in und auswendig kennst. Dass du eine Vertrautheit schaffst, die andere Beziehungen erst nach Jahren erreichen – und diese täglich wachsen kann. Dass du Entscheidungen aber auch hinterfragen oder sogar verfluchen wirst. Dass du dich verletzlich machst. Dass ihr als Paar im Streit getrennte Wege geht, um sich als beste Freunde an der nächsten Ecke wiederzutreffen. Dass eine Beziehung Arbeit bedeutet – und eine Freundschaft nach einer Beziehung noch viel mehr. Vor allem weiß ich aber, dass ich damals auf dem Sofa nichts anders gemacht hätte.
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