Einsam trotz Beziehung: Das Problem der emotional verschlossenen Männer
Einsam trotz Beziehung! Zieht sich dein Partner zurück, wenn du Nähe suchst? Wir erklären, woran es liegen könnte und wie du das Problem löst.
Paarberater Eric Hegmann spricht mit uns über emotional nicht erreichbare Partner.
Einsam trotz Beziehung: Wenn er seine Gefühle nicht teilen kann
Dein Partner sitzt neben dir, aber du merkst, da ist eigentlich keine Verbindung. Er ist in seiner Welt – und die bleibt dir verschlossen. Wenn du ihn fragst, wie sein Tag war, berichtet er dir von seinen Terminen, als würde er den Kalender ablesen. Ja, du weißt, was er macht, aber du hast keine Idee, was ihn beschäftigt, was in ihm vorgeht – weil er seine Gefühle nicht mit dir teilt.
Auch in einer Beziehung kannst du dich einsam fühlen.
Fast alle Frauen sind davon überzeugt, gefühlsmäßig das größere Repertoire zu haben als Männer. Vermutlich stimmt das nicht, die Geschlechter sind nicht in ihrem Empfinden unterschiedlich, jedoch in ihrem Ausdruck.
Was sicher ist: Mädchen lernen früh über ihre Gefühle zu sprechen, während Jungen üben müssen, sie zu unterdrücken. Das liegt daran, dass Mädchen danach gefragt werden – Jungs dagegen sollen sie früh kontrollieren können. Wir wissen aus der Hirnforschung, dass Männer und Frauen gleichermaßen von Emotionen überwältigt werden können, und dass es bei Männern statistisch gesehen länger dauert, bis die Botenstoffe abgebaut werden, die diese Informationen überbringen.
„Ich gehe mal um den Block, um mich zu beruhigen“, ist nicht nur ein Spruch, es ist Biochemie, denn Bewegung unterstützt die Verstoffwechselung. Wenn Männer im Streit aufspringen und durchs Zimmer laufen, dann setzen sie dies unbewusst um. Was dabei auch geschieht: Frauen fühlen sich durch diesen Bewegungsdrang häufig bedroht. Bei ihnen festigt sich die Information: Mein Mann zeigt erst gar keine Gefühle und wenn doch, dann wird er leicht aggressiv. Eine typische Beschreibung eines emotional nicht erreichbaren Partners.
Wovor die verschlossenen Männer sich fürchten
Was in vielen scheinbar emotional nicht erreichbaren Männern vorgeht: Sie scheuen die Konfrontation, weil sie fürchten, ihre Gefühle nur bis zu einem gewissen Maße kontrollieren zu können. Also sagen sie lieber nichts und machen dicht. Sie mauern, sie schweigen und ziehen sich zurück. Jeder Versuch der Partnerin, diese Distanz zu überbrücken und wieder Bindung zu schaffen – jeder kennt das berühmte „Du hast doch was, sag doch!“ – unterstützt jedoch den Wunsch nach Rückzug. Warum Rückzug? Weil der Mann die Beziehung bedroht fühlt. Er wird unsicher, will keinen Fehler machen und das Abschotten wird zur Schutzstrategie.
Fühlen Menschen sich bedroht, reagieren sie mit Flucht, mit Angriff oder mit Starre. Flucht ist, wenn er aufsteht und den Raum verlässt. Angriff kann verbal oder körperlich erfolgen und Starre erzeugt dieses ohnmächtige Gefühl, einfach nicht zu ihm durchdringen zu können.
Wie rede ich mit einem verschlossenen Mann (über Gefühle)?“
Wie kommst du da raus? Schritt eins ist, das Muster zu erkennen und zu begreifen, dass es nicht allein sein Verhalten ist, sondern das Zusammenspiel der Verhaltensweisen beider Partner, das diesen „Tanz“, wie dieses Forderung-Rückzug-Szenario von der amerikanischen Therapeutin Dr. Susan Johnson bezeichnet wird, choreografiert.
Wenn dein Partner sich dir nicht öffnen kann, dann befürchtest du ganz verständlich, eure Beziehung ist bedroht. Weil du Emotionen nicht als etwas erfahren hast, das unterdrückt werden muss, kannst du leicht offensiv auf ihn zugehen und nachhaken. Eine typische Reaktion von ihm könnte nun sein, dass er das Problem zunächst „weglacht“ oder sich abfällig über Gespräche über Gefühle äußert, was dich verletzt, weil du dich nicht ernst genommen fühlst. Diese Furcht, da gäbe es ein größeres Problem zwischen euch, führt eher zu einer Verstärkung deiner Bemühungen, als zu einem Rückzug. Das wiederum bedrängt ihn und ihr seid mitten drin in eurem Tanz.
Wenn du dieses Muster erkennst, das sich in vielen Beziehungen beispielsweise abends wiederholt, wenn ihr nach der Arbeit nach Hause kommt, dann ist wichtig zu verstehen, dass ihr beide damit auf eure Ängste reagiert – aber eben gänzlich unterschiedlich.
Ihr beide fühlt euch bedroht. Und genau das solltet ihr euch sagen. „Es macht mich unsicher, wenn du dich zurückziehst. Ich fühle mich allein und ohne Verbindung zu dir.“ – „Mich beschäftigt deine Furcht. Es macht mir Angst, dass ich dich verliere, wenn ich dir zeige, wie unsicher mich das macht.“ Keine Frage, so sprechen Paare vielleicht in der Therapie, aber nicht am Esstisch oder auf dem Sofa. Es ist aber völlig egal, wie ihr das ausdrückt, solange ihr es in einer Art und Weise macht, die ihr beide versteht.
Vielleicht braucht es in einer solchen Situation erst einmal eine Umarmung. Die senkt nämlich den Blutdruck, lindert den Stress, beruhigt und sorgt für ein Gefühl von Sicherheit – also genau das Gegenteil der Furcht, die euch in diesem Moment sonst antreibt.
Findet für euch einen Weg, der zu euch passt und vermeidet, euch dabei noch mehr unter Druck zu setzen. Findet ein Ventil und sorgt für emotionalen Kontakt. Eine Beziehungsberatung bei einem professionellen Coach kann dir helfen, die Gefühle deines Partners zu entschlüsseln und offener zu kommunizieren.
Die meisten Paare müssen das üben, denn ihr Tanz folgte bisher den gelernten Schritten und eine neue Choreografie lernt sich nicht von einem Moment auf den anderen. Es braucht Geduld, weil man sich eben doch mal auf den Fuß tritt, aber am Ende finden die Partner einen gemeinsamen Rhythmus, sie verschmelzen und werden zu einer Einheit. Ohne Geduld und gegenseitiges Verständnis klappt das nicht, doch wer das aufbringt, wird belohnt durch eine starke Verbindung, die so leicht nichts mehr trennen kann.