Vorstellungsgespräch: "Es gibt nur zwei echte No-Gos."
Dipl. Ök. Petra Barsch ist Business-Coach und hat sich an ein ungewöhnliches Experiment gewagt: Sie absolvierte 50 Vorstellungsgespräche, um herauszufinden, welche No-Gos es wirklich gibt und was gut ankommt. Im Interview berichtet sie uns von den überraschenden Resultaten.
Business-Coach Petra Barsch hatte eine etwas ungewöhnliche Idee: Sie absolvierte 50 Vorstellungsgespräche als Personalerin in den unterschiedlichsten Branchen von Industrie, über Verlage bis zu Bildungseinrichtungen und Personalberatungen, um herauszufinden, welche No-Gos es gibt und womit man potenzielle Arbeitgeber für sich einnehmen kann. Wir haben mit der Ökonomin über ihr Projekt gesprochen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen 50 Vorstellungsgespräche zu absolvieren?
Petra Barsch: "In normalen Vorstellungsgesprächen, wo es um den Job geht, trauen sich die meisten ja gar nicht zu fragen, was sie wirklich interessiert, zum Beispiel zum Klima im Unternehmen, zur Aufgabe, die wirklich gestellt wird, was das Unternehmen von mir als Person erwartet, wie das Unternehmen reagiert. Ich wollte wissen, wie es ist, wenn ich sage: ‚Das kann ich überhaupt nicht, ich kann nur einen Teil von dem, was sie verlangen.‘ Ich wollte gucken, wie ungewöhnliche Antworten ankommen, wenn ich auf die Frage 'Wie sind Sie mit ihrem letzten Arbeitgeber auseinander gegangen?‘ antworte: 'Ich habe den verklagt.‘ Ich wollte einfach wissen, wie es weitergeht. Ich wollte schauen, wie weit ich im Vorstellungsgespräch wirklich gehen kann und was die tatsächlichen No-Gos sind."
Was sind die No-Gos im Vorstellungsgespräch?
Petra Barsch: "Es gibt nur zwei echte No-Gos: Man darf nicht sagen, dass man seinen vorherigen Arbeitgeber verklagt hat und man darf überhaupt nicht negativ über seinen Arbeitgeber reden.
Wie waren die Reaktionen, als Sie die No-Gos im Vorstellungsgespräch angesprochen haben?
Petra Barsch: "Da war ich überrascht. Als ich gesagt habe, dass ich meinen vorherigen Arbeitgeber verklagt habe, hat der Personaler das Gespräch trotzdem weiter durchgeführt. Bei einem anderen, als ich behauptet habe, dass das Klima bei meinem alten Arbeitgeber sehr schlecht war, es eine extreme Ellenbogengesellschaft und der viele Schimpfwörter benutzt hat, hat einer vorzeitig abgebrochen und gesagt, dass es wohl nicht passt und es besser ist, wenn das Gespräch beendet wird, einer hat das Gespräch trotzdem durchgehalten. Dann kam am nächsten Tag aber die Absage."
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für das No-Go?
Petra Barsch: "Der Arbeitgeber denkt, wenn es bei ihm nicht so rund läuft, spreche ich auch schlecht über ihn beim nächsten oder nach außen. Je konkreter ich das mache, desto schlimmer ist es für den potenziellen Arbeitgeber."
Was sollte ich unbedingt in einem Vorstellungsgespräch sagen?
Petra Barsch: "Am besten kam immer an, wenn ich gesagt habe, was mir auch wichtig ist. Zum Bespiel war gerade ein Unternehmen im Change, da wollte ich genau wissen, an welcher Stelle sie jetzt stehen, wie es von den Mitarbeitern aufgenommen wurde. Ich habe das gefragt, was mich wirklich interessiert und was für mich wichtig ist, um zu beurteilen, ob ich mich dort wohl fühle. Das kommt super an, weil das kaum jemand fragt."
Welche Unterschiede gab es auf Seiten der Unternehmen?
Petra Barsch: "Konzerne und Familienbetriebe ticken sehr unterschiedlich. Konzerne legen eher Wert darauf, dass ich nicht ganz so selbstständig entscheiden möchte, es ist sehr hierarchisch. Bei einem Mittelständler ist das anders, da ist mein Aufgabenbereich ja eh viel breiter aufgestellt, da ist es erwünscht, dass ich selbstständig entscheide und selbstständig handle."
Was war Ihr skurrilstes Vorstellungsgespräch und warum?
Petra Barsch: "Da gab es zwei. Bei dem einen gab es nur eine Frage die lautete 'Was verstehen Sie unter Controlling?‘ Es waren 15 Leute dabei und nach meiner Antwort haben sie gesagt: 'Danke, das war’s.‘ Den Job habe ich übrigens angeboten bekommen.
Bei dem zweiten war ich auch als Personalerin eingeladen, die haben mich gefragt, ob ich auch Gehaltsabrechnungen machen kann, mit Zahlen kann ich aber überhaupt nicht, das habe ich gesagt und möchte das nicht verantworten. Die sind mir dann sechs Wochen hinterhergelaufen, ob ich das nicht doch machen kann. Ich könnte mich doch einarbeiten. Die wollten das einfach nicht kapieren und haben mich immer wieder angerufen. Irgendetwas hat die wohl an mir sehr überzeugt. Spätestens dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Leistung gar nicht so wichtig ist, sondern dass es eher um die Person geht, die da sitzt."
Warum ist die Persönlichkeit im Vorstellungsgespräch wichtiger als die Leistung?
Petra Barsch: "Das, was wir mitbringen, ist durch die Unterlagen ja bereits abgecheckt. Wenn der Mensch vor mir sitzt, habe ich noch eine Frage im Hinterkopf und zwar ‚Will ich diesen Menschen jeden Tag auf dem Flur begrüßen und mit der Person jeden Tag zusammenarbeiten?‘ und passt die Person zu den Kollegen. Darum geht’s."
Woran erkenne ich, ob der Arbeitgeber der richtige für mich ist?
Petra Barsch: "Das erkennt man nur, wenn man sich vorher mit dem Arbeitgeber beschäftigt hat. Viele gehen in ein Vorstellungsgespräch und denken 'Die Aufgabe stimmt schon einigermaßen, das wird schon passen.‘ Ich muss aber vorher definieren, welchen Arbeitgeber ich brauche, dann kann ich auch die genauen Fragen stellen und schauen, ob das auch der Beruf ist, in dem ich mich entfalten kann. Dann spüre ich das vom ersten Moment an. Wie begegnen mir die Leute? Grüßen die mich? Sind die freundlich? Wird auch die Putzfrau begrüßt? Wenn ich weiß, worauf ich wertlege, kriege ich auch jede Kleinigkeit mit."
Was sollte wichtiger sein? Geld oder das Klima im Unternehmen?
Petra Barsch: "Das Klima sollte Priorität haben. Wenn Menschen kündigen, liegt das selten am Geld, es sei denn die Menschen werden wirklich sehr unterbezahlt. Zu 50 Prozent ist es der Umgang des Vorgesetzten mit dem Arbeitnehmer, wenn der Arbeitnehmer zu wenig werteschätzt wird. Das zweite Wichtige ist das gesamte Klima im Unternehmen, habe ich alle Informationen oder hat sich ein Herrschaftswissen aufgebaut? Ich würde sagen die meisten, die kündigen, kündigen deshalb."
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
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