Wie gefährlich ist Dreck eigentlich für unsere Kinder?
Was ist eigentlich dran an dem Mythos: "Dreck reinigt den Magen"? Wie gefährlich ist es, wenn unsere Kinder Dreck in den Mund nehmen? Wird das Immunsystem gestärkt oder machen die Keime krank?
Welche Eltern kennen das nicht? Auf dem Spielplatz wird die Reiswaffel genüsslich in den matschigen Sand getaucht und anschließend in den Mund gesteckt und getrunken wird auch gerne mal Regenwasser. Unsere Kinder sind da einfach viel unbedachter als wir.
Doch manche Eltern versuchen ihre Kinder akribisch von Dreck fernzuhalten, jeder Keks, der auf dem Boden landet, fliegt sofort in den Mülleimer, ständig werden die Finger mit Feuchttüchern abgewischt und gefühlt 50 mal am Tag "Nimm das nicht in den Mund!" gerufen. Doch wie sollen Eltern mit Dreck umgehen und wann ist es wichtig aufzupassen?
Ist Dreck wirklich schädlich?
Professor Eckard Hamelmann von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Kinderzentrum Bethel in Bielefeld rät im Interview mit der FAZ von einer übertriebenen Angst vor Keimen ab. Es gibt Bakterien, die vom Körper zwar wahrgenommen werden, aber zu keinen Krankheiten führen. Aber es gibt auch Viren und Bakterien, die zu Krankheiten führen und teilweise sogar gefährlich sein können.
"Allerdings leben auf uns auch zehn Mal mehr Mikroben, als wir eigene Körperzellen haben", erklärt Professor Hamelmann. Und zu viel Sauberkeit schadet den Kindern eher, da das Immunsystem so nicht richtig eingeschaltet wird. "Allergien und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ 1 treten heute viel häufiger auf, als das früher noch der Fall war. Genetisch kann dies nicht begründet werden. Es sind Umweltfaktoren, die dazu beitragen", sagt Hamelmann. Der Grund: In der frühen Kindheit fehlt oft der Kontakt zu Mikroben und Pilzen, die das kindliche Immunsystem anregen und regulieren.
Wie lange überleben Viren & Bakterien auf den Händen?
Länger als wir glauben! "Wenn man einen Handabdruck in einer Petrischale nimmt, um zu sehen, welche Bakterien auf der Haut angesiedelt sind, dann kann man sich über das rege Leben auf uns schon wundern", erklärt Professor Hamelmann. Keime überleben auf Oberflächen wie Türklinken oft tagelang.
Daher ist es besonders ratsam nach der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause besonders gründlich die Hände zu waschen. "Seife ist sinnvoll, da damit das Fett besser weggeht, in dem sich die Keime gerne aufhalten. Beim Abtrocknen sollte man allerdings von bereits gebrauchten Handtüchern eher Abstand nehmen, da sie oft ein eigener Infektionsherd sein können", so Hamelmann weiter.
Wie vorsichtig sollten Eltern bei der Hygiene sein?
Viele Eltern stellen sich die Frage, ob sie einen Keks oder den Schnuller, der auf den Boden gefallen ist, ihrem Kind noch geben dürfen oder ob sie die Sachen lieber in den Mülleimer werfen sollten. Wenn es im öffentlichen Raum herunterfällt, rät der Experte davon ab, es den Kinder wiederzugeben, geschieht das jedoch in der eigenen Wohnung, ist es ungefährlich, wenn dort die Straßenschuhe ausgezogen werden.
Laut einer Studie haben Kinder, deren Mütter regelmäßig den Schnuller ablecken, tatsächlich weniger Allergien. "Es ist bekannt, dass eine höhere Vielzahl von Keimen auf unseren Körperoberflächen – also ein vielfältiges Mikrobiom – das Immunsystem von Säuglingen positiv beeinflusst und das Risiko von Allergien und Autoimmunerkrankungen wahrscheinlich senkt", erklärt Professor Hamelmann. Wer also den Schnuller seines Kindes ableckt, gibt dem Immunsystem des Kindes die Chance sich mit mehr Keimen auseinanderzusetzen. Aber Vorsicht: Leidet die Mutter an Karies oder krank, gibt sie so die Keime an den Sprössling weiter.
Bei Spielsachen, mit denen auch andere Kinder spielen, wie beispielsweise in der Kita oder Geldstücke, die durch viele Hände gehen, verhält es sich ähnlich. Die meisten Keime tun einem gesunden Kind nichts. Gerade im Winter sollten Eltern bedenken, dass fünf bis sechs Erkältungen, die bis zu einer Woche andauern können, völlig normal sind. Mangelnde Hygiene ist also nicht schuld an den Infekten, sondern einfach der Grund, dass sich ein kindliches Immunsystem erst noch entwickeln muss. "Anders ist es natürlich, wenn ein Kind einen echten Immundefekt hat und auch auf harmlose Keime keine richtige Antwort findet, da müssen Eltern natürlich auch bei Geld wachsam sein", so Hamelmann.
Auch der Austausch von Körperflüssigkeiten, wenn ein Kind etwas von einem anderen in den Mund steckt, ist harmlos und lässt sich im Alltag nicht immer vermeiden. Wenn eines der Kinder jedoch krank ist – dann sollte man aufpassen.
Wie oft sollte ich mein Kind waschen/ baden?
Kinderärzte und Hebammen predigen immer die Faustregel: nicht zu oft, nicht zu heiß und nicht zu lange. "Einmal die Woche baden ist aber okay. Wichtig ist, dass Kinder nicht zu lange baden, da sonst die Haut aufweicht und wichtige Keime des Mikrobioms auf der Haut verlorengehen können", rät Professor Hamelmann.
Täglich sollten jedoch Gesicht und Hände mit einem feuchten Waschlappen, klarem Wasser oder pH-neutraler Seife gereinigt werden. Ist das Kind doch ein bisschen dreckiger, kann man es auch kurz abduschen.
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