Persönliche Kolumne

Comfort Binge: Wieso gucken wir eigentlich immer wieder die gleichen Serien?

Was sagt es über mich aus, dass ich eine bestimme Serie immer wieder schaue? Dem Phänomen „Comfort Binge“ auf der Spur.

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Video: Glutamat

Was gibt es Besseres als sich nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag im Herbst oder Winter in eine Decke einzukuscheln, ein paar Kerzen anzuzünden und eine Serie zu schauen?! Gerade wenn das Wetter schlecht und es draußen bereits dunkel ist, sehne ich mich am Ende des Tages vor allem nach einem: Erholung!

Doch öffne ich dann gängige Streaming-Anbieter oder Mediatheken, dann ist Erholung meist erstmal nicht in Sicht. Viel zu groß ist das Angebot an Filmen und Serien! Oft habe ich dann keine Lust, mich noch stundenlang durch Filmbeschreibungen zu klicken. Nur um dann einen Film oder eine Serie auszuwählen, bei der ich nach zehn Minuten Schauen denke: „Gefällt mir irgendwie doch nicht…“ Doch was ist die Alternative?

Hmm, wieso nicht mal wieder eine Folge Gossip Girl schauen?! Das geht immer! Außerdem kann ich mir sicher sein, dass mir das, was ich sehe, gefallen wird. Irgendwie verbinde ich den Herbst auch ein bisschen mit der Serie. Wenn ich sie also wieder schaue, dann bin ich außerdem direkt in allerbester Herbststimmung… Klingt super, oder?!

„Ich schaue Filme und Serien gerne mehrmals“ – Ist das ein Problem?!

Doch vor ein paar Wochen sah ich ein Video auf der Social Media Plattform TikTok. Dort sagte jemand sinngemäß: „Wenn du es liebst, immer wieder die gleiche Serie zu schauen, dann ist das ein Anzeichen dafür, dass du schwer die Kontrolle loslassen kannst.“ Autsch! Das hat gesessen.

Ich liebe es, Serien, Filme oder auch Bücher, die ich gerne mag, immer und immer wieder zu schauen bzw. zu lesen. Kann ich also schwer die Kontrolle loslassen oder Veränderungen zulassen? Ich fühlte mich irgendwie ertappt.

Doch was ist da wirklich dran? Ich wollte dem nachgehen und bin auf den Begriff „Comfort Binge“ gestoßen.

Comfort Binge: Wenn du die gleiche Serie immer wieder schaust

Comfort Binge setzt sich aus den Wörtern Comfort (engl. Komfort, Bequemlichkeit) und Binge (von ‚Binge-Watching‘: das Schauen vieler Folgen einer Serie hintereinander) zusammen.

Der Begriff beschreibt, dass man eine Serie oder einen Film, die oder den man bereits kennt, aus Komfort noch einmal schaut. Und das vielleicht nicht zum zweiten, sondern bereits zum dritten, vierten, fünften … Mal.

Das kenne ich sehr gut! Doch wo liegt hier das Problem?

Comfort Binge: Ersatz für echte Beziehungen?!

Das vermeintliche Problem beginnt mit dem Grund, wieso wir zum Comfort Binging neigen. Als soziale Wesen geht es uns nämlich vor allem darum, dass wir uns mit den Protagonist*innen auf der Leinwand identifizieren können. Wir wollen mitfühlen, mitfiebern und bauen dadurch sogar Beziehungen zu den Charakteren auf der Leinwand auf.

Oh ja, das stimmt! Ich führe zahlreiche Beziehungen mit meinen liebsten Filmfiguren. Und bevor jemand denkt „Ist sie jetzt total verrückt?!“, stellt euch folgende Fragen: Wart ihr jemals traurig, als eine Serie geendet ist? Hat euch der Film- oder Serien-Tod einer Figur emotional sehr mitgenommen? Wart ihr jemals vorfreudig, eine neue Folge zu sehen, weil ihr gerne wissen wolltet, wie die Geschichte von XY weitergeht?!

Aha! Erwischt! Dann habt auch ihr eine besondere Bindung zu den Protagonist*innen im Fernsehen.

„Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass das wiederholte Lesen von Büchern das Ziel verfolgen kann, unerfüllte Beziehungen und ein unbefriedigendes Sozialleben zu kompensieren.“
Studie: "Back where I belong: Rereading as a risk-free pathway to social connection."

Das Team um Psychologin Lauren M. Ministero hat in einer Studie herausgefunden, dass sich Menschen, die Bücher immer wieder lesen, nach sozialen Bindungen sehnen. Die Teilnehmer*innen der Studie gaben außerdem an, dass sie keine starken Verbindungen zu den Menschen in ihrem Leben haben oder persönlichem Stress ausgesetzt waren.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass das wiederholte Lesen von Büchern das Ziel verfolgen kann, unerfüllte Beziehungen und ein unbefriedigendes Sozialleben zu kompensieren.

Insofern kann man durchaus davon sprechen, dass es beim Comfort-Binge um ein Bedürfnis nach Kontrolle geht. Ein Bedürfnis nach Sicherheit, klaren Strukturen und Vorhersehbarkeit (in Beziehungen). Da das „echte Leben“ diesen Schutz nicht immer bietet, kann eine Flucht in die vermeintlich behütete Film- oder Buchwelt verlockend sein.

Kontrollsucht, Stress, Einsamkeit: Ist Comfort Binging „gefährlich“?

Ist Comfort Binging gefährlich? Sollte ich es vermeiden? Von einer echten Gefahr zu sprechen ist vermutlich etwas übertrieben. Dennoch sollte man die Folgen nicht unterschätzen. Forscher*innen haben herausgefunden, dass Binge-Watching und das Aufbauen von Beziehungen zu Filmfiguren zu Stress, Einsamkeit und Depressionen führen kann.

Das Ende einer geliebten Serie kann ein Gefühl der Leere hinterlassen. Wenn du erstmal eine Verbindung zu den Protagonist*innen aufgebaut hast und sie ein Teil deines Alltags geworden sind, kann sich ihre Abwesenheit schmerzlich anfühlen.

Auch könne es passieren, dass diese „Beziehungen“ irgendwann deine echten Beziehungen immer mehr ersetzen. Schließlich ist auf die Personen in Filmen und Serien stets Verlass. Auch musst (und kannst) du keine echten Auseinandersetzung mit ihnen führen. Denn zwischen euch findet keine soziale Interaktion statt.

Aber genau das solltest du dir auch immer wieder bewusst machen. Denn so schön das vertraute Gefühl zu Personen im Fernsehen auch sein kann, es kann nie richtige Beziehungen ersetzen.

Schluss mit Comfort Binging? Eine Frage der Balance

Darf ich eine Serie jetzt nie wieder doppelt schauen?! Habe ich etwa Angst vor der Realität, vor echten Beziehungen in meinem Leben?

Wie bei allem im Leben kommt es wohl hier auch auf das gesunde Mittelmaß an. Wir alle haben einen Lieblingsfilm oder ein Lieblingsbuch und darauf sollten wir auch nicht verzichten.

Wenn du merkst, dass das Comfort Binging dazu führt, dass du dich mehr und mehr vor der Realität verschließt und lieber Zeit mit Serien-Charakteren verbringst, als mit echten Menschen, dann solltest du hellhörig werden und die Gründe dafür hinterfragen.

Doch ansonsten gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen! Nach dem Motto: Hin und wieder in der Komfortzone zu kuscheln, ist vollkommen okay, wenn du dich traust, sie immer mal wieder mutig zu verlassen. Vertrautheit und Komfort ist nichts Schlechtes, so lange man sich nicht bis in alle Ewigkeit darauf ausruht und Herausforderungen und Wachstum vermeidet.

Comfort Binge: Mein persönliches Fazit

Ich würde mich als offene Person beschreiben, die sich durchaus immer wieder aus der Komfortzone wagt. Doch diese Recherche hat mich zum Nachdenken angeregt. Gibt es Lebensbereiche, in denen ich lieber in meiner Fantasiewelt lebe und echte Begegnungen vermeide?

Nun ja … wenn es um Liebesbeziehungen geht, halte ich mich zu oft zurück. Das muss ich zugeben. Mich auf einen anderen Menschen einzulassen, macht mir Angst. Trotzdem schaue ich besonders gerne romantische Filme. Ironisch, oder?!

Wenn sich das nächste Mal eine Gelegenheit ergibt, dann möchte nicht mehr ängstlich wegrennen. Denn nur so habe ich die Chance, die tolle Liebesromanze meiner liebsten Protagonist*innen selbst zu erleben.

In anderen Lebensbereichen bin ich aber durchaus mutiger. Und wenn ich mein Streaming-Verhalten nochmal analysiere, dann muss ich genauso miteinbeziehen, dass ich durchaus gerne neue Serien und Filme schaue und meinen Filmhorizont erweitere.

Also, nochmal gut gegangen! Die Mischung machts! Beim Streaming wie im echten Leben.

Serien und Filme: Meine Lieblingstipps für den Herbst und Winter

Welche Serien und Filme bei mir auf der Liste stehen? Hier verrate ich es euch.

Artikelbild und Social Media: whitebalance.oatt/iStock

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