Depressive Frau schreibt Entschuldigungs-Brief an ihren Ehemann

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Becci Nicholls schildert, wie sie unter ihren Depressionen leidet

Becci Nicholls ist 30 Jahre alt und Mutter von zwei kleinen Söhnen. Schon lange leidet sie an Depressionen. Wie es ihr und ihrer Familie damit geht, berichtet sie jetzt in einem offenen Brief an ihren Ehemann.

Depressionen sind eine grausame Krankheit. Wenn ein Mensch daran erkrankt, leidet nicht nur er - auch seine Mitmenschen werden in den düsteren Bann dieser Krankheit gezogen. Eine mutige Frau aus England hat jetzt den Mut gefunden, öffentlich davon zu berichten, wie sehr ihre Familie unter ihren Depressionen leidet. Auf ihrem Blog hat die zweifache Mutter Becci Nicholls einen Brief an ihren Ehemann veröffentlicht, in dem sie erstaunlich offen berichtet, wie die Krankheit sie quält.

Diese Frau entschuldigt sich bei ihrem Mann mit einem offenen Brief für die Auswirkungen ihrer Depressionen.
Diese Frau entschuldigt sich bei ihrem Mann mit einem offenen Brief für die Auswirkungen ihrer Depressionen. Foto: iStock

"Mit meinem Brief möchte ich allen Menschen einen Einblick geben, in die die chaotischen und irrationalen Gedankenprozesse, die mit Depressionen einhergehen", erklärt Becci Nicholls. Sie möchte ihrem Ehemann für seine liebevolle und geduldige Unterstützung danken und anderen betroffenen Mut machen, in ihrem Kampf mit der Krankheit Depression.

"Bitte hör nie auf, mir zu sagen, dass ich deine Liebe wert bin"

Dies ist der Brief von Becci Nicholls an ihren Ehemann

"Geliebter Ehemann,

ich liebe dich sehr, mehr als alles andere auf der Welt. Ich denke, das weißt du schon. Ich weiß, dass du mich auch liebst, ich vergesse es nur manchmal. Die Depression umwölkt meinen Verstand und füllt ihn mit schrecklichen Gedanken darüber, wie wenig ich es wert bin, geliebt zu werden. Manchmal glaube ich dir, manchmal glaube ich der Depression.

Ich weiß, du bevorzugst die Tage, an denen ich glücklich bin und nicht ängstlich oder schnippisch. Ich wünschte, ich könnte diese Tage jeden Tag haben, aber ich kann nicht. Ich kann fühlen, wie die Wolke näher kommt und es lässt mich versteinern. Manchmal sage ich es dir, manchmal nicht. Bitte, wenn du die Wolke früher siehst als ich, nimm mich fest in den Arm und sag mir, dass wir zusammen gegen die Wolke kämpfen werden. Bitte frag mich nicht, ob ich OK bin, denn ich werde automatisch mit Ja antworten, selbst wenn die Wahrheit ein großes NEIN ist. Eine Depression sorgt dafür, dass du dich für deine Gefühle schämst.

Ich weiß, manchmal reagiere ich bei Kleinigkeiten viel zu extrem und werde ärgerlich, bitte sei geduldig mit mir. Dass ich das Brot vergessen habe, wird nicht der wahre Grund für meinen Ärger sein, tatsächlich habe ich das Gefühl, die Kontrolle über meinen Verstand zu verlieren und das lässt mich verzweifeln. Eine Depression ist hinterhältig – sie baut Stück für Stück eine Mauer aus Ärger um dich herum und du merkst es solange nicht, bis die Mauer beginnt, über dir zusammenzustürzen. Es tut mir so leid, dass du an schlechten Tagen all diesen Ärger abbekommst. Bitte vergib mir. Bitte. Sag mir einfach, dass du mich liebst und lass mich allein, damit ich mich abregen kann.

Ich weiß, es ist schwierig, einem Menschen mit Depressionen zu helfen, wenn man selbst nie welche hatte. Ich verstehe das. Unterstütze mich einfach mit deiner Liebe, hör mir zu, frag mich nach den schweren Tagen. Ich kann nicht von selbst darüber sprechen. Die Depression vernebelt meinen Verstand. Ich brauche dich, um die Stille zu durchbrechen.

Es wird viele Momente geben, in denen ich das Gefühl haben werde, dass du ohne mich besser dran wärst und meine Kinder eine bessere Mutter verdienen. Manchmal werde ich dir davon erzählen. Aber meistens werde ich das nicht tun. Manchmal kann ich solche Gedanken monatelang von mir fernhalten, manchmal denke ich sie wochenlang in jeder Sekunde. Das ist die schreckliche Wahrheit. Es ist der erste Gedanke, der mir ständig durch den Kopf geht. Eine Depression ist ein grässliches Monster. Bitte hab immer ein Auge auf mich, aber denke daran, dass egal, wie oft du mir sagst, dass ich deine Liebe wert bin, ich es an schlechten Tagen trotzdem nicht glauben können werde – bitte hör trotzdem nie auf, es mir zu sagen. Niemals.

Ich liebe unsere Kinder mehr als alles andere, aber manchmal fühle ich mich wie eine Versagerin. Ich fühle mich wie eine Rabenmutter. Mein Verstand quält mich und flüstert mir ein, dass andere Mütter ihren Job viel besser machen, dass sie ihre Kinder besser lieben als ich. Ich habe ständig das Gefühl zu wenig zu tun. Bitte sag mir, dass ich ihnen genug Liebe gebe. An dunklen Tagen finde ich es so schwer, eine gute Mutter zu sein, aber ich versuche so hart, sie nichts merken zu lassen. Ich hoffe, du weißt, dass ich das versuche.

Seit Februar 2010 habe ich mich selbst nicht mehr verletzt, aber der Drang danach beschäftigt mich oft. Wenn die dunkle Wolke da ist, überwältigt sie meinen Verstand. Ich kämpfe so hart dagegen, ich kämpfe für mich, für die Kinder, für dich. Ich weiß, es ist hart zu verstehen, warum ich diesen Drang verspüre, wenn ich ehrlich bin, kann ich es nicht mal mir selbst wirklich erklären. Es ist wie eine Sucht, die mir wehtun will, wenn sie die dunkle Wolke spürt. Ich hoffe, eines Tages diese Sucht loszuwerden.

Ich weiß, ich bin ein Albtraum, wenn ich nicht von dir berührt werden will, wenn ich verärgert bin, oder mich von der Dunkelheit bombardiert fühle, aber bitte versuche trotzdem, mich zu umarmen, ich brauche das. Ich tue so, als wäre ich stark, aber du weißt, dass das nicht wahr ist. Umarme mich immer wieder.

Ich weiß, ich spreche nicht oft von den dunklen Wolken, obwohl ich das möchte. Ich hasse die Stille, in die sie mich zwingen. Über dieses Monster zu sprechen, verschafft mir ein bisschen Erleichterung. Bitte hilf mir, diese Erleichterung zu finden.

Manchmal sage ich dir, dass ich das Haus nicht verlassen möchte. Ich weiß, dass du das nicht verstehen kannst, trotzdem danke ich dir dafür, dass du versuchst, verständnisvoll zu sein. Die Wolken verdunkeln meine Sicht der Dinge. Sie machen die einfachsten Dinge beängstigend. Es ist, als wenn die Depression ihre beste Freundin, die Angst , in mein Zuhause einlädt und dann machen mir die beiden zusammen das Leben schwer. Sie lassen mein Herz rasen und trocknen meinen Hals aus. Sie geben mir das Gefühl verrückt zu sein. Es ist, als hätte die Haustür ein unsichtbares Kraftfeld um sich herum. Bitte vergiss nicht, dass ich wirklich versuche, da rauszukommen. Ich versuche es so sehr.

Manchmal lassen die Wolken alles Gute verschwinden. Manchmal will ich nicht mal mehr meine Haare waschen. Bizarr, ich weiß, aber meine Leidensgenossen werden dieses Motivationsloch kennen, das mich so oft beherrscht. Sag mir, dass ich meine Haare waschen soll!

Manchmal liege ich nachts wach und mache mir Sorgen um Dinge, die niemals geschehen werden. Wenn du dann auch wach liegst, dann drück bitte meine Hand.

Manchmal nimmt mir die Depression jeden Funken an Motivation morgens aufzustehen, aber ich sage dir nie etwas davon. Ein neuer Tag macht mir oft Angst. Ich frage mich, ob ich ihn überstehen werde. Wird der Himmel grau oder blau sein? Wird das Wetter schön? Das Wetter hat großen Einfluss auf meine Gefühle und ich weiß nicht mal warum! Jeder einzelne Morgen ist schwierig, aber dich zu sehen, macht es einfacher.

Ich möchte dir in aller Öffentlichkeit für deine Liebe und deine Unterstützung danken.

Du bist der Beste.

Für immer dein x

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Da! Ich habe den Brief geschrieben! Ich hoffe, er wird jemandem da draußen helfen, mir hat es geholfen, ihn zu schreiben. In der Wahrheit liegt Freiheit."

***

Hilfe für Betroffene und Angehörige

Wenn Sie sich in einer akuten Krise befinden, wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten, die Ambulanz der nächstgelegenen Psychiatrischen Klinik oder die Telefonseelsorge (in Deutschland 0800 111 0 111 / 0800 111 0 222; in Österreich 142; in der Schweiz 143). Wenn diese nicht erreichbar sind, rufen Sie den Notarzt (in Deutschland 112, in Österreich und der Schweiz 144).

Weitere Informationen sowie eine aktuelle Liste der psychiatrischen Kliniken in Deutschland finden Sie zum Beispiel auf den Seiten der Deutschen Depressionshilfe . Diese bietet auch Informationen zur Behandlung am Info-Telefon Depression an: 0800 / 3344533 (Mo, Di, Do: 13.00-17.00 Uhr; Mi, Fr: 8.30-12.30 Uhr)

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