Gefühlsausbruch: Warum Gefühle manchmal aus uns heraus platzen
Zack! Gehirn aus, Gefühle raus! Wahrscheinlich kennt jeder diese Situationen, wo die Gefühle nur so raus sprudeln. Doch warum haben wir diese Gefühlsausbrüche und was passiert da?
Mehmet Scholl nannte es einen "Gehirnschluckauf", als bei einem Live-Auftritt im Fernsehen im Rahmen der Europameisterschaft 2016 bei ihm seine Gefühle durchgingen und er den Taktikexperten Urs Siegenthaler etwas "zu hart" kritisierte.
Viele vergleichen ihre Gefühlswelt mit einem Fass und sprechen bei einem Gefühlsausbruch, der durch eine scheinbare Nichtigkeit ausgelöst wird, von einem "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt".
Doch ein Fass denkt nicht, steuert nicht bewusst...
Gefühlsausbruch = Der "Verkehrspolizist" im Gehirn ist überfordert
Das Bild eines Verkehrspolizisten ist vielleicht noch ein bisschen passender, um zu beschreiben, was in unserem Gehirn während eines Gefühlsausbruchs passiert:
Wir sind den ganzen Tag jeder Menge Eindrücken ausgesetzt. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen fast permanent. All diese Eindrücke werden von unserem Gehirn geprüft und gedeutet. Es entstehen Emotionen in uns. Stress. Je nach Intensität der Eindrücke.
Jetzt kommt der Verkehrspolizist ins Spiel. Stell dir unsere vielen, vielen Eindrücke und deren Verarbeitung in Impulsen und Emotionen als Autos vor, die durch eine Verkehrskontrolle wollen. Normalerweise ist das kein Problem. Der Verkehrspolizist kontrolliert jedes Auto, das durch will, nach und nach und winkt durch, was okay ist, und lehnt ab, was nicht okay ist. Autos, die durchgewunken werden, sind dann unsere Reaktionen.
Jemand fragt uns zum Beispiel, wie es uns geht. In unserem Bild fährt ein Auto mit der Antwort "Gut" und ein Auto mit der Antwort "Das geht dich gar nichts an, du Idiot" zum Verkehrspolizisten. Der Polizist winkt das Auto mit dem "Gut" durch und schickt das Auto mit dem "Geht dich gar nichts an" wieder weg. Von außen betrachtet antworten wir also auf die Frage "Wie geht es dir?" mit "Gut". Normal. Alltag. Floskel.
Nun stehen wir aber vielleicht unter besonderem Stress. Auf der Arbeit ist viel los, in unserer Beziehung gibt es Probleme... Wir brodeln voller Gefühle. Der Verkehr staut sich vor dem Verkehrspolizisten in unserem Gehirn. Lange Schlangen an Autos entstehen, es wird gehupt und geschimpft. Alle wollen durch. Autos auf denen diverse Antworten stehen, Autos auf denen viele Gefühle stehen wie "Wut" oder Reaktionen wie "Weinen". Autos auf denen unsere Gedanken über die Arbeit stehen. Autos auf denen unsere Gedanken über unsere Beziehung stehen. Ganz viele Autos mit ganz vielen Emotionen. Normalerweise würde der Polizist diese Autos zum Großteil wegschicken, doch er ist überfordert. Zu viele. Und so gelangen die falschen und zu viele Autos durch. Wir haben einen Gefühlsausbruch.
Der Verkehrspolizist ist in unserem Gehirn übrigens der Stirnlappen.
In ihm sitzen abstraktes und rationales Denken. Auch unsere Moral. Er schätzt ein, welche Autos gerade angebracht sind und welche nicht. Doch dafür muss auch Platz im Stirnlappen sein. In einer Stresssituation hat der Stirnlappen (Verkehrspolizist) zu viel zu tun.
Wie verhindere ich Gefühlsausbrüche?
Gefühle zu unterdrücken ist nie gut. Aber es gibt einfach Situationen, wo wir zumindest kurzzeitig gelassen bleiben müssen. Leider hilft dir dieser Tipp nicht bei einem 1:1-Streit mit deinem Partner. Aber im Job:
Wenn du das nächste Mal in einer Konferenz o.Ä. sitzt und du merkst, dass dich gerade etwas so aufregt, dass du gleich einen Gefühlsausbruch (weinen oder schreien, egal) haben wirst, dann hilft folgender Trick, den Gehirnforscher entwickelt haben: Schalte dein Gehirn einfach auf Durchzug!
Und das geht so: Betrachte irgendetwas möglichst unauffällig, aber durchaus konzentriert. Lese etwas, schaue dir die neue gelbe Strickjacke deiner Kollegin genauer an oder das Flaschenetikett auf deinem Mineralwasser. Wie ist die Jacke verarbeitet? Was für ein Motiv ist da hinter dem Text auf dem Etikett? Kurz: Sorge für einen starken visuellen Eindruck!
Denn ein solcher blockiert, wissenschaftlich gesprochen, starke akustische Signalreize, die emotionale Reaktionen auslösen. Das haben Forscher von der Friedrich-Schiller-Universität Jena herausgefunden.
Aber der Reihe nach: Die Konzentration auf eine visuelle Aufgabe verhindert in diesem Moment Aufnahme und Verarbeitung akustischer Reize. Im Experiment fanden die Wissenschaftler heraus: Besonders eine wütende Stimme aktiviert eine Hirnregion, die für die Verarbeitung emotionaler Reize zuständig ist. Zur Überraschung der Forscher fiel aber genau diese Region im Kopf komplett aus, wenn sich die Probanden beim Hören der zornigen Stimme auf ihre visuelle Aufgabe konzentrierten (die allein darin bestand, auf einem Bildschirm gezeigte Kreuze und Kreise voneinander zu unterscheiden).