Gewalt & Missbrauch auf der Straße: Das unwürdige Leben von obdachlosen Frauen
Deutschland gehört zu den 20 reichsten Ländern der Welt, trotzdem schaffen wir es nicht, die ärmsten der Armen zu schützen. Vor allem für obdachlose Frauen fehlen Hilfseinrichtungen, die ihnen den Schutz bieten, den sie brauchen und verdienen!
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAGW) leben derzeit rund 860.000 Menschen auf der Straße – das ist Anstieg um 150 Prozent seit 2014. 2018 soll die Zahl um weitere 40 Prozent auf 1,2 Millionen anwachsen. Knapp ein Drittel der Obdachlosen in Deutschland sind Frauen und auch hier steigt die Zahl.
Frauen geraten oft in die Obdachlosigkeit, wenn ihnen aufgrund einer Trennung oder eines Schicksalsschlags der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Vor allem Frauen, die vor häuslicher Gewalt flüchten, landen immer öfter auf der Straße. Ein Grund: Die Frauenhäuser sind komplett überfüllt. Rund 360 Einrichtungen bieten 6.800 Plätze. Der Bedarf liegt weiter darüber und vor allem in Großstädten fehlen viele Hundert Plätze.
Misshandlungen & sexuelle Übergriffe stehen auf der Tagesordnung
Offizielle Zahlen über Misshandlungen und sexuelle Übergriffe auf obdachlose Frauen gibt es nicht, weil die meisten Delikte nicht angezeigt werden, aus Scham, und weil die Frauen fürchten, man könnte ihnen nicht glauben. Und weil nur wenige Delikte angezeigt werden, finden sie in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Beachtung. Im November 2017 wurde beispielsweise eine 51-jährige Obdachlose in Delmenhorst zu Tode misshandelt. Ein Jahr zuvor sorgte ein Fall in München für Aufsehen. Eine obdachlose Frau wurde im Vorraum einer Bank vergewaltigt. Kunden der Bank waren der Frau, die regungslos am Boden lag, zur Hilfe gekommen. Die beiden obdachlosen männlichen Täter wurden festgenommen.
Übergriffe dieser Art sind leider nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" berichtet eine Betroffene Schockierendes: Angelika Krüger war drei Jahre lang obdachlos, lebt am Kasseler Hauptbahnhof. Eines Nachts wird sie von einer Gruppe Jugendlicher vergewaltigt. "Die haben geglaubt, sie können das einfach mit mir machen, weil ich obdachlos bin. Nichts wert", sagt sie im Interview.
Besonders grausam: Immer wieder werden obdachlose Frauen Opfer einer besonders perfiden Masche. Ihnen werden vermeintlich sichere Schlafplätze angeboten als Gegenleistung für Sex. Doch die gibt es dann gar nicht. Statt einem Dach über dem Kopf werden die Frauen ausgenutzt und gedemütigt von skrupellosen Menschen, die sich ihre Hilflosigkeit schamlos zunutze machen.
Unterkünfte bieten kaum Schutz für die Frauen
Gerade in gemischten Unterkünften kommt es immer wieder zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. Vor dem Essener Landgericht muss sich derzeit ein Obdachloser aus Bottrop verantworten, der mehrfach eine Frau vergewaltigt haben soll, die mit ihm zusammen in einer gemischten Unterkunft lebte.
Obdachlosen Frauen droht von allen Seiten Gefahr: auf der Straße, in den klassischen Unterkünften, von anderen Obdachlosen und von Passanten.
Eine Lösung könnten Einrichtungen allein für Frauen sein, doch davon gibt es bisher leider viel zu wenig. Aktuelle Zahlen aus Berlin machen das besonders drastisch deutlich: In der Hauptstadt gibt es laut der “Berliner Zeitung” (“BZ”) unter Berufung auf den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) rund 3000 obdachlose Frauen. Dem gegenüber stehen 54 Schlafplätze in speziellen Einrichtungen nur für Frauen.
Doch fast die Hälfte dieser Einrichtungen ist mittlerweile von Schließung bedroht, weil die Vermieter der Immobilien die Verträge kündigen. Der Grund sind die Vorurteile der Immobilieneigner: "Die denken an Verwahrlosung und Drogen. Dabei suchen die meisten Frauen bloß Schutz", sagt Natalie Kulik, Leiterin des Frauen-“Obdach" gegenüber der "BZ".
Die Zustände in den Großstädten sind dramatisch
In Köln gibt es laut SkF etwa 5000 Obdachlose, davon sind rund ein Viertel Frauen. Kurz vor Weihnachten 2017 hat eine neue Unterkunft speziell für Frauen eröffnet, mit 25 Plätzen. In München sieht es ähnlich dramatisch aus. Rund 9000 Menschen leben hier auf der Straße, 2200 davon sind Frauen. In Hamburg weiß man offiziell gar nicht, wie viele Menschen von Obdachlosigkeit betroffen ist. Laut der Hamburger Sozialbehörde geht man von 2000 bis 2500 Menschen aus, zehn Prozent davon seien Frauen. Dieser Anteil sei konstant, aber wie gesagt nicht offiziell.
Immerhin: Die bayrische Landeshauptstadt bietet zusammen mit verschiedenen Trägern ein differenziertes Hilfesystem für Frauen, Familien und Mütter mit Kindern. Doch die extrem hohen Mieten sorgen dafür, dass die Frauen in diesem Teufelskreis gefangen bleiben. Sie können nicht in eine Wohnung weitervermittelt werden, weil es keinen bezahlbaren Wohnraum gibt.
Wie kann man obdachlosen Frauen helfen?
Das Allerwichtigste zuerst: Nicht wegschauen! Wer eine Notsituation erkennt, sollte sofort die Polizei (110) rufen und erst dann andere Passanten um Hilfe bitten und selbst eingreifen. Handelt es sich um eine gesundheitliche Notsituation, sollte man sofort den Rettungsdienst (112) rufen.
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