Überforderung statt bessere Bildung

Jiwa-Eltern: Was dieser Erziehungstrend unseren Kindern antut

Wenn Eltern der Ehrgeiz packt, bleiben Kinder oft auf der Strecke. Sogenannte "Jiwa-Eltern" machen Pädagogen und Erziehungsexperten Sorgen.

Jiwa-Eltern: Gefährlicher Erziehungstrend. (Themenbild)
Foto: fizkes/iStock
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"Jiwa Parenting" oder auch "Chicken Parenting" wird hauptsächlich in China praktiziert. Für viele Familien heißt es im Reich der Mitte: bessere Bildung, gleich besseres Leben. Viele Eltern verlieren sich mit diesem Vorsatz im Wettstreit um die Aus- und Weiterbildung ihrer Kinder. Oft mit prekären Folgen. China versucht jetzt sogar mit einem Verbot, diesem Debakel entgegenzuwirken.

Was sind "Jiwa-Eltern"?

"Jiwa-Eltern" mischen sich obsessiv in das Leben ihrer Kinder ein, um möglichst viel Potenzial aus ihnen herauszuholen und das oft schon in einem sehr jungen Alter. Früher war "Jiwa" eine Therapieform in China, bei der Kindern Hühnerblut injiziert wurde, um sie zum Lernen anzuspornen. Diese fragwürdige Therapieform ist mittlerweile zum Glück verboten!

Doch die Grundeinstellung ist geblieben. "Jiwa-Eltern" sind regelrecht von der Erziehung, Bildung und dem Sozialleben ihrer Kinder besessen. Es gilt: höher, schneller, weiter. Die Kinder sind oft mit schulischen und vor allem außerschulischen Aktivitäten so vollgepackt, dass schon Kinder im Grundschulalter an Burn-out-Symptomen leiden. Auch die Selbstmordrate unter Chinas Jugendlichen ist erschreckend hoch.

Welche Folgen hat "Jiwa Parenting" für die Kinder?

Um später eine renommierte Universität in China besuchen zu können, stehen schon Grundschüler unter enormen Druck. Zwischen Schulunterricht, privater Nachhilfe und außerschulischen Aktivitäten wie zum Beispiel Musikunterricht, bleibt den wenigsten Kindern Zeit, um einfach mal Kind zu sein. Aus diesem Teufelskreis auszubrechen ist fast unmöglich, denn der Konkurrenzkampf im Streben nach Bildung und der damit einhergehenden Hoffnung auf ein besseres und erfüllteres Leben ist brutal. Im Durchschnitt geben "Jiwa-Eltern" bis zu 50 Prozent ihres Einkommens für ergänzende Bildung ihrer Kinder aus. Der finanzielle Druck, der dabei auf Familien lastet, ist immens und schürt die Angst vor Versagen der Kinder zusätzlich.

Und dieser Druck geht dauerhaft auf die Gesundheit der Kinder. Viele Kinder leiden in China an Übergewicht, rund 40 Prozent aller Grundschüler und 70 Prozent aller Mittelschüler sind kurzsichtig. Die Selbstmordrate unter Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren ist erschreckend hoch. Laut einer Studie ist in 93 Prozent der Fälle der Leistungsdruck und die Angst zu versagen die Ursache.

"Jiwa Parenting": Kommt jetzt ein Verbot?

Die kommunistische Partei in China scheint das Problem erkannt zu haben und bemüht sich, diesen Kreislauf für kommende Generationen zu durchbrechen. Das Ziel: Die Geburtenrate soll in China wieder steigen. Allerdings können sich "Jiwa-Eltern" meist nicht mehr als ein Kind leisten, da die Ausgaben schon jetzt die meisten Familien in finanzielle Bedrängnis bringen.

Der Staat versucht durch verschiedene Maßnahmen wie der Schaffung von Ausbildungsplätzen, der Einschränkung von Nachhilfe-Unterricht und sogar einem Verbot von Hausaufgaben Abhilfe zu schaffen. Doch der Konkurrenzgedanke bleibt. Wie hilfreich sind die Einschränkungen aber, wenn die Angst bei den Eltern bestehen bleibt, ihre Kinder könnten den Anschluss verpassen und so auf die Aussicht auf ein besseres Leben?

Welche 10 Erziehungsfehler deinem Kind besonders schaden, erfährst du im Video!

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Gibt es "Jiwa-Eltern" auch in Deutschland?

Rasenmäher-, Helikopter-, Gießkannen- und U-Boot-Eltern sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Und natürlich gibt es auch hierzulande Eltern, bei denen die schulische- und außerschulische Ausbildung ihrer Kinder an erste Stelle steht, um ihre Kinder in ihren Augen möglichst optimal auf unsere Leistungsgesellschaft vorzubereiten.

Ehrgeiz und der Wunsch nach Erfolg ist nicht das Problem. Wichtig ist, die Mischung. Hat ein Kind Spaß am Lernen, geht gerne zum Beispiel zum Musikunterricht und hat auch selbst den Wunsch, ein Musikinstrument zu lernen, ist es in der Regel mit Freude dabei und verspürt weniger Druck. Aber alles in Maßen. Wichtig für die gesunde Entwicklung ist immer: Ein Kind sollte auch immer Kind sein dürfen.

Artikelbild und Social Media: fizkes/iStock (Themenbild)