Mareike läuft

"Ich hasse Laufgruppen - jetzt laufe ich mit 8.000 Menschen"

Wenn ich im Park eine Laufgruppe sehe, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Dabei jogge ich gerne, nur bitte alleine. Jetzt laufe ich den Halbmarathon - zusammen mit 8.000 anderen Menschen. Darüber hätte ich mir vielleicht vorher Gedanken machen sollen.

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Aktuell gehe ich dreimal die Woche laufen und mache Yoga. Sportlich, nech? Dass diese Frequenz mich selbst überrascht und, nun ja, auch etwas stolz macht, liegt vor allem daran, dass mein 14-jähriges Ich mich gerade verwundert mustern würde. Was ist denn mit dir passiert?

Laufgruppen und Mannschaftssport verstehe ich einfach nicht

Zugegeben: Früher war ich nicht besonders aktiv, um nicht zu sagen unsportlich. Im Schulsport freute ich mich, wenn ich mir bei dem Versuch, Volleyball zu spielen, zum wiederholten Mal die Kapsel riss, was mir ein Attest für ganze drei Monate einspielte. Brennball, Fußball oder andere vermeintlich spaßigen Sport-Spiele schreckten mich ab. Logische Konsequenz: Ich war einfach unsportlich. Jahre später merke ich jedoch, dass das ein Irrglaube war. Tatsächlich gibt Sport mir heute eine Ruhe, Klarheit und Zufriedenheit, wie ich sie im Alltag sonst selten finde. Unter einer Bedingung: Ich treibe ihn alleine. Die Menschen waren es, die mich störten. 

Ich gehe seit einigen Jahren laufen, wenn auch unregelmäßig. Letztes Jahr las ich einen Artikel über einen Halbmarathon. Und wie das so ist mit den Herausforderungen und mir: Wir können schlecht ohne einander. Miteinander aber auch nicht so recht, wie ich nun feststellen muss. Ich plane derzeit, am 30. Juni um die 21 Kilometer durch Hamburg zu laufen. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen Tina und Maren – und 8.000 anderen Menschen. 

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Kann ich den Halbmarathon bitte alleine laufen? Wäre das eine Option?

Dass das ein Problem sein könnte, fiel mir erst im Training – und damit viel zu spät – auf. Ich erinnere mich an einen Lauf, der irgendwie anders war. Statt Entspannung spürte ich plötzlich innere Unruhe. Der Grund war banal: Hinter mir lief eine Frau. Sehr, sehr lange. Selbst durch meine Kopfhörer konnte ich ihre tippelnden Schritte hören, bildete mir ein, ihren Atem zu spüren. Als ich endlich am Ziel ankam, hatte ich Wut im Bauch. Wut auf eine fremde Frau, die einfach nur dasselbe getan hatte, wie ich: Joggen. Nur eben hinter mir. Ich fühlte mich gehetzt und unruhig.

Als ich meinen mich belächelnden Freunden davon erzählte, traf mich das Offensichtliche wie ein Schlag: Ich kann einfach nicht mit anderen Menschen laufen. Nun erkläre das mal einem Wettkampfveranstalter: Entschuldigen Sie – ich bräuchte einen Safe-Space, nur für mich - könnten Sie die Strecke bitte vor und hinter mir absperren? Und Zuschauer bitte auch gleich verbieten? Vielen Dank auch.

Keine Option, merke ich selber. Will ich den Halbmarathon durchziehen, werde ich ihn wohl oder übel mit vielen anderen laufen müssen. Und eins muss ich mir ja lassen: Ich mache Fortschritte. Vor kurzem fragte mich ein Kollege, ob er mir seine alte Laufstrecke zeigen solle. Ich willigte ein. Da war es wieder, das Problem mit der Herausforderung. Und schwupps hatte ich den Salat. „Ich rede aber nicht mit dir“, waren meine mürrischen Startlaute. Knapp zehn Kilometer später lief er trotzdem noch neben oder vor mir. 

Ab und zu erzählte er mir etwas, was ich mit einem leichten Nicken würdigte, nach der Halbzeit wechselte er zu motivierenden Handzeichen, um mir zu signalisieren, dass ich mich steigerte. Am Ende des Laufs wollte ich Richtung Heimat abbiegen. Doch mein Kollege lief weiter – und weil ich nicht kommunizierte, hatte ich keine andere Wahl, als hinterherzurennen. Er hatte im Kopf, wofür ich schon längst die Motivation verloren hatte: Ich wollte die zehn Kilometer schaffen. Und wir schafften sie. Und über die Freude vergaß ich doch glatt meine Wut im Bauch.

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Werden Laufgruppen und ich doch noch Freunde?

Die Antwort lautet definitiv: Nein. Solltest du mich je in einer Laufgruppe sehen, ist es Zeit, sich ernsthaft Sorgen um mich zu machen. Auch jubelnde Zuschauer machen mir nach wie vor Angst. Den Sport, den ich betreibe, mache ich nur für mich. Ich laufe, um den Kopf frei zu kriegen. Um meinen Körper zu spüren und an seine Grenzen zu bringen. Vergleiche liegen mir und interessieren mich nicht. Wettkämpfe ebenso wenig, aber das ist eine andere Geschichte. Nun laufe ich also einen Halbmarathon. Wer hätte gedacht, dass der ganze Schlamassel Training und Therapie zugleich bietet? Ich halte euch über meinen physischen und psychischen Zustand auf dem Laufenden.

Teil 1 unserer Laufkolumne von Kollegin Tina kannst du hier nachlesen: "Ich hasse Laufen, jetzt trainiere ich für einen Halbmarathon"

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