Operationen

Narkose: Welche Risiken birgt eine Anästhesie?

Wann ist eine Narkose notwendig? Und welche Risiken gehen mit einer Narkose einher? Alles, was du über die Anästhesie (Schmerzbetäubung) wissen musst.

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Vor unangenehmen medizinischen Eingriffen werden den Patienten Narkosemittel (Anästhetika) verabreicht. Sie dienen dazu, das Bewusstsein des Patienten einzuschränken und sein Schmerzempfinden zu betäuben.

Als Erfinder der heutigen Narkose (altgriechisch für "erstarrt") gilt der amerikanische Zahnarzt William Thomas Green Morton. Er operierte im Oktober 1846 am Massachusetts General Hospital der Harvard-Universität einen Patient, dem er zuvor Ätherdämpfe zum Inhalieren verabreichte.

Welche Narkosemittel gibt es?

Narkosemittel wirken sich in erster Linie auf das zentrale Nervensystem aus. Narkosen bestehen in der Regel aus Gas-Luftgemischen und Medikamenten. So ergeben sich 3 Gruppen von Narkosemitteln:

  • Hypnotika (Schlafmittel): schalten das Bewusstsein und das Gedächtnis aus (z.B. Propofol - das am häufigsten eingesetzte Narkosemittel)
  • Analgetika (Schmerzmittel): unterdrücken das Schmerzempfinden des Patienten (z.B. Opioide)
  • Muskelrelaxantien: entspannen die Muskulatur und machen den Patienten bewegungsunfähig

Wann wird eine Narkose durchgeführt?

In der Regel wird eine Vollnarkose bei Operationen verwendet. Dazu gehören:

  • diagnostische Eingriffe / Untersuchungen (z.B. Darm-, Bronchien- oder Magenspiegelung)
  • chirurgische Eingriffe (z.B. Operationen am offenen Herzen, Gehirn, inneren Organen)
  • einige zahnärtliche Behandlungen
  • Kernspintomografien (als Kurznarkose v.a. bei Säuglingen und Kindern, damit sie ruhig liegen bleiben)
  • in der Notfallmedizin (z.B. nach einem Herzstillstand oder einem schweren Unfall)

Wie wird eine Anästhesie eingeleitet?

Bevor eine Narkose verabreicht wird, darf der Patient 6 Stunden vor der OP nichts mehr essen (auch keine Bonbons, Kaugummis etc.), nicht rauchen, keine Milch und keinen Alkohol trinken.

2 Stunden vor der Narkose darf der Patient auch kein Wasser und keinen Tee mehr trinken. Einzige Ausnahme: Wenn ein Medikament mit einem Schluck (!) Wasser noch eingenommen werden muss.

Vor einem operativen Eingriff muss der Patient zudem seinen Zahnersatz, Kontaktlinsen, Schmuck (auch Piercings) und künstliche Haarteile abnehmen.

Eine Vollnarkose (Allgemeinanästhesie) kann auf verschiedene Weisen eingeleitet werden:

  • Intravenös: Narkosemittel wird über eine Hohlnadel oder einen Katheter in die Vene gespritzt (bei längeren Eingriffen wird das Mittel während der Operation kontinuierlich zugeführt)
  • Maskennarkose: Narkosemittel wird als Gas mit Sauerstoff vermischt und über eine Atemmaske über Mund und Nase verabreicht
  • Narkose mit Kehlkopfmaske: Nach einer intravenösen Narkosevergabe kann ein Beatmungsschlauch (Tubus) durch den Mund des Patienten bis über den Kehlkopfeingang eingeführt werden
  • Inkubationsnarkose: Der Tubus wird über Mund und Nase eingeführt und zwischen den Stimmbändern bis in die Luftröhre geschoben. Dieses Verfahren vermindert das Risiko, dass Speichel oder Mageninhalt  in die Lunge fließt.

Patienten müssen vor der Narkose einen Aufklärungsbogen lesen und einige Fragen zum Gesundheitszustand und der Lebensweise beantworten (z.B. Rauchen Sie? Trinken Sie Alkohol? Welche Medikamente nehmen Sie ein? Haben Sie eine Patientenverfügung?). Eine Narkose darf nur mit der schriftlichen Einwilligung des Patienten durchgeführt werden.

Bevor der Patient das Narkosemittel eingeflößt bekommt, wird ihm reiner Sauerstoff eingeführt, damit eine Sauerstoffreserve im Blut für das Einlegen des Schlauchs besteht. Sind alle nötigen Schläuche (Tuben) eingeführt, beginnt die Einführung des Narkosemittels.

Wie lange dauert eine Narkose?

Das am häufigsten verwendete Narkosemittel Propofol wirkt innerhalb von 30 Sekunden. Der Patient ist damit 5 bis 10 Minuten wie weggetreten. Soll die Wirkung länger anhalten, wird dem Patienten kontinuierlich während des Eingriffst Propofol verabreicht.

Weitere intravenöse Narkosemittel sind z.B. Barbiturate, Etomidat und Ketamin. Narkosemittel zum Einatmen sind u.a. Isofluran, Sevofulran und Desfluran.

Während der Narkose werden Blutdruck, Puls, Herztätigkeit und Atemfrequenz des Patienten konstant überwacht, um mögliche Komplikationen schnellstmöglich zu erfassen.

Die Wirkstoffe werden durch Leber und Niere biochemisch wieder abgebaut und ausgeschieden. Nach durchschnittlich 4 Stunden hat der Körper des Patienten den Großteil des Wirkstoffs wieder ausgeschieden.

Welche Nach- und Nebenwirkungen hat eine Narkose?

Nach dem Eingriff mit Vollnarkose kommt der Patient in den sogenannten Aufwachraum (manchmal auch auf der Intensivstation), in dem seine lebenswichtigen Körperfunktionen überwacht werden.

Mögliche Nebenwirkungen einer Narkose sind:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Fieber
  • Schüttelfrost
  • erschwerte Atmung
  • Brustschmerzen
  • Anzeichen von Lähmungen
  • Halsschmerzen
  • Heiserkeit
  • Sprechstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Nackensteife
  • Rückenschmerzen
  • Missempfindungen (an Einstichstelle)

Wegen der möglichen Nebenwirkungen muss sich der Patient - im Falle einer ambulanten Behandlung - von einer erwachsenen Person abholen und für 24 Stunden betreuen lassen. Meist kommen hierfür Eltern, volljährige Kinder oder der / die LebenspartnerIn in Frage.

In den ersten 24 Stunden nach dem Aufwachen darf der Patient nicht Auto- oder Radfahren oder alleine als Fußgänger im Straßenverkehr teilnehmen. Zudem raten Ärzte davon ab, "gefährliche Tätigkeiten" auszuüben oder "wichtige Entscheidungen" zu treffen.

Wann kann man nach einer Anästhesie wieder trinken und essen?

Wann man nach einer Narkose wieder essen und trinken kann, ist individuell unterschiedlich. Es können schon 30 Minuten nach Beendigung der Narkose sein - oder aber mehrere Stunden oder Tage (z.B. bei Eingriffen in den Magen-Darm-Trakt).

Welches Risiko besteht bei Narkosen?

Laut dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten besteht nur ein sehr geringes Risiko bei Narkosen: "Insgesamt gesehen ereignet sich bei zehntausenden Anästhesien nur ein folgenschwerer Anästhesiezwischenfall."

Trotzdem können folgende Risiken einer Vollnarkose nicht völlig ausgeschlossen werden:

  • Blutungen / Blutergüsse an Einstichstelle (selten)
  • leichte Nervenschäden an Einstichstelle (z.B. Taubheitsgefühl, Schmerzen, Bewegungsstörungen) (selten)
  • Infektionen, die zur Blutvergiftung (Sepsis) führen (extrem selten)
  • chronische Schmerzen oder bleibende Lähmungen (extrem selten)
  • Haut- und Gewebeschäden durch die Lagerung auf dem OP-Tisch
  • allergische Reaktionen (bis hin zum allergischen Schock und folgendem Organversagen) oder Überempfindlichkeiten (z.B. Juckreiz, Ausschlag, Übelkeit, Atem- und Kreislaufprobleme)
  • Einfließen von Speichel / Mageninhalt in die Lunge
  • krampfartiger Verschluss der Luftwege
  • Stoffwechselentgleisung und Fieber
  • bleibende Stimmstörungen (Heiserkeit)
  • Atemnot
  • Zahnverlust (durch Schäden an Kronen, Brücken, Prothesen, lockeren Zähnen, Implantaten, festem Zahnersatz)
  • sonstige Komplikationen wie z.B. Organschäden, Embolie

Bekommen auch Kinder und alte Menschen eine Narkose?

Auch Kinder können eine Narkose bekommen - etwa im Falle eines Nabelbruchs, einer Blinddarmentzündung oder bei der Entfernung der Rachen- bzw. Gaumenmandeln.

Bei Kindern wird das Narkosemittel meist durch die Vene gespritzt. Manchmal bekommen Kinder vor der eigentlichen Narkose ein Beruhigungsmittel verabreicht, z.B. als Zäpfchen oder "Schlafsaft" (v.a. bei Babys und Kleinkindern).

Rund 10 Prozent der Kinder leiden nach einer Narkose unter Übelkeit und Erbrechen. Schwere Narkose-Komplikationen sind in routinierten Kinderkliniken sehr selten.

Übrigens: Bei Schwangeren sollte eine Narkose nur im absoluten Notfall durchgeführt werden, da das Narkosemittel über die Nabelschnur und Plazenta in den Blutkreislauf des Babys gelangen kann.

Bei älteren Menschen besteht die Gefahr, nach einer Narkose verwirrt zu sein. Ärzte sprechen von einem Delir, wenn folgende Symptome bei einem älteren Patienten nach einer Narkose auftreten: Bewusstseins- oder Wahrnehmungsstörung, psychomotorische Störungen, Schlafprobleme. Die Risiken für Folgeschäden nach Operationen sind zudem höher als bei Menschen mittleren Alters.

Welche Alternativen gibt es zur Anästhesie?

Es gibt wenige Alternativen zur klassischen Vollnarkose. Allerdings werden sie aus unterschiedlichen Gründen kaum angewendet:

  • Narkose mit Edelgas Xenon: Schont Herz, Kreislauf und Hirn, ist aber kostspieliger als herkömmliche Narkosemittel
  • Hypnose statt Narkose: Die Hypnotisierbarkeit aller Menschen ist umstritten
  • Teil- statt Vollnarkose: Bei kleineren Eingriffen reicht auch eine Regionalanästhesie aus - bei größeren Eingriffen reicht das allerdings nicht aus

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