Romy Schneider: Was wirklich ihre Kindheit zerstört hat
Bereits als Internatsschülerin ist Romy Schneider († 43) eine eifrige Tagebuchschreiberin. Ihrem Buch kann sie ihre geheimsten Gefühle anvertrauen. Sie bleibt diesem Ritual ihr Leben lang treu.
„Ich muss auf jeden Fall Schauspielerin werden“, weiß sie schon mit 13. Mit 15 hat sie ihren ersten großen Film abgedreht. Die unbeschwerte Kindheit ist auf einen Schlag vorbei. Ihre Tagebucheinträge zeugen bereits von der inneren Zerrissenheit, die sie ihr Leben lang belasten sollte: „Ich weiß, dass ich in dieser Schauspielerei aufgehen kann. Es ist ein Gift, das man schluckt, an das man sich gewöhnt und das man doch verwünscht.“ Gerade war sie noch bei der Omi in Berchtesgaden, spielte ausgelassen mit ihrem Dackel Seppl. Nun sitzt sie mit ihren Freundinnen im Kino und sieht ihren Namen groß auf der Leinwand. Konnte sie früher noch in der Märchenwelt des Films versinken, stellt sie im Juni 1955 fest: „Die Illusion war futsch. Der weine ich heute noch nach.“
Romy Schneider: Mutter Magda und Stiefvater Hans Herbert Blatzheim überwachten sie mit Argusaugen
Sie ist 16, als sie in die Rolle schlüpft, die sie unsterblich macht: „Sissi“. Noch ist alles aufregend. Sie freut sich über den Luxus, im Hotel „Sacher“ in Wien wohnen zu können, über die Aufmerksamkeit, die man ihr schenkt. „Die Leute sind reizend zu mir.“ Und sie träumt, wie viele junge Mädchen, von der Liebe. „Wann ich wohl heiraten werde? Und vor allen Dingen, wen?! Es ist ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass derjenige bereits irgendwo lebt und auch nichts von seinem Glück ahnt!“
Dass sie nicht zu früh ins Schwärmen für das andere Geschlecht gerät, darauf achten Mutter Magda und Stiefvater Hans Herbert Blatzheim mit Argusaugen. Denn sie soll Karriere machen und Geld in die Kasse bringen. Romy bekommt lediglich ein Taschengeld, ist aber zufrieden. „Mit dem ganzen Geldkrempel hat man nur Ärger“, notiert sie naiv.
Erste Schattenseiten des Ruhms
Die „Sissi“-Dreharbeiten erweisen sich als anstrengend. Für die mittlerweile 17-Jährige eine enorme Belastung. Allein die Perücke, die sie als Sissi tragen muss, wiegt so schwer, dass sie Nackenschmerzen bekommt. Auch der geplante Urlaub, die ersehnte Erholung, fallen ins Wasser. Die Dreharbeiten ziehen sich hin. Die letzten Einstellungen, die Hochzeitsszene, bringen sie aber wieder ins Schwärmen: „In so einem Kleid möchte ich einmal auf meiner Hochzeit tanzen!“. Nach der erfolgreichen Premiere ist sie überzeugt „Meine Lehrlingszeit ist vorbei.“ Sie ist nun ein Star und erkennt die damit verbundenen Schattenseiten. Jeder ihrer Schritte wird beäugt. „Ich kann kein Leben einer normalen 17-Jährigen führen.“ Sie will nicht auf die süße Prinzessinnenrolle festgelegt werden, sagt kategorisch: „Ich drehe ,Sissi II‘ nicht.“ Noch kann sie sich nicht durchsetzen – und spielt grandios.
Die perfekte Sissi
„Sissi“ erwies sich als Kassenschlager: 25 Millionen Kinozuschauer lagen Romy Schneider und Karlheinz Böhm zu Füßen. Bis heute gelten die drei Filme mit dem einstigen Traumpaar als Weihnachtsklassiker mit Traumeinschaltquoten im TV. Romy Schneider schlüpfte 1972 noch einmal in die Rolle der Kaiserin Elisabeth: In dem vierstündigen Epos „Ludwig II“ strahlte sie an der Seite von Helmut Berger. Zurzeit wird u. a. in Lettland die Neuverfilmung „Sisi“ mit der jungen Schweizerin Dominique Devenport gedreht
Ausbruch in Alain Delons Arme
Als die Klappe zum letzten Teil der „Sissi“-Trilogie fällt, nimmt ihr Leben eine Wendung. Romy klagt: „Ich bin nicht so naiv.“ Sie möchte sich stärker bei der Auswahl ihrer Filmstoffe einbringen. „Ich habe die Sissi gerne gespielt, aber ich fühlte mich abgestempelt.“
In dieser Phase der Selbstfindung tritt 1958 Alain Delon in ihr Leben. Verrückt, unverschämt, wild. Romy mag ihren Filmpartner in „Christine“ zunächst nicht: „Wir stritten uns, dass die Fetzen flogen.“ Dann ist es um sie geschehen. Und sie erkennt glasklar: „Die Bevormundung durch meine Eltern muss ein Ende haben.“ Sie bekennt sich gegen alle Widerstände zu ihrer Liebe, flieht in Delons Arme: „Ich war ausgebrochen.“ Die Ernüchterung stellt sich nach dem ersten Liebestaumel ein. „Zwischen Alain und mir lag eine Welt.“ Romy kann ihre Wurzeln, die Familie nicht völlig hinter sich lassen. Er findet ihre Einstellung zu gutbürgerlich. „Deshalb war schon am Anfang unserer Liebe das Ende unausweichlich.“ Der Rest ist Geschichte.
Romy Schneider: „Ehe und Mutterschaft können einen Menschen nur verbessern“
Sie sucht weiter nach Geborgenheit. In dem 14 Jahre älteren Harry Meyen findet sie einen Mann, der wie einst die Mutter, wieder stärker über ihr Leben bestimmen will. Sie glaubt, das sei der richtige Weg. „Ehe und Mutterschaft können einen Menschen nur verbessern“, notiert sie als Hochschwangere und überlegt, das Filmen endgültig sein zu lassen. „Jetzt habe ich endlich einen Mann, der mich bis ans Ende meiner Tage lieben wird.“ Als Sohn David zur Welt kommt, ist sie außer sich vor Freude. Zwei Jahre lang ist sie zufrieden, Ehefrau und Mutter zu sein: „Wir sind für manche bestimmt ein spießiges Ehepaar geworden.“ Doch sie beginnt sich in der familiären Idylle zu langweilen. Harry und David reichen doch nicht, um sie glücklich zu machen. Sie ist in ihren Sohn vernarrt, es zieht sie aber auch wieder zum Film: 1968 steht sie erst etwas unsicher vor der Kamera. Doch findet sie sich rasch in das Leben am Set ein, dreht „Swimmingpool“ mit Alain Delon. Harry Meyen reagiert mit Eifersucht, was Romys Freiheitsdrang nur anstachelt. 1971 erkennt sie, dass sie und ihr Mann sich entfremden: „Harry ist ganz froh, wenn ich manchmal nicht da bin.“
1973 kommt es zur Trennung, aber noch nicht zur Scheidung: „Ich will nicht ewig unter der Knute von Herrn Meyen leben.“
Ihre Zerrissenheit zwischen Beziehungsglück und Freiheit begleitet sie lebenslang …
Autor: Redaktion Retro
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