Sexismus-Debatte: Warum sich Feministinnen sexy kleiden dürfen
Jennifer Lawrence stieß mit ihrem Outfit in London auf harsche Kritik. Sie reagierte mit Unverständnis - zu Recht! Warum Feministinnen sich schminken und sexy kleiden dürfen.
Es ist ein schwarzes Versace-Kleid, das die Schauspielerin Jennifer Lawrence mitten in die Sexismus-Debatte katapultiert hat. Der Ausschnitt geht scharf in Richtung Bauchnabel, die Schultern sind frei und der seitliche Beinschlitz des Kleides reicht so weit hoch, dass er sich in etwa Höhe der Vagina befindet. Ja, das Kleid von Jennifer Lawrence war definitiv sehr sexy, welches sie bei einem Fototermin für den Film Red Sparrow in London trug. Und die High Heels ließen ihr Outfit nicht bequemer aussehen. Doch das allein löste die kontroverse Sexismus-Debatte nicht aus.
Wer bestimmt "wahre Gleichberechtigung"? Lieber nicht Helen Lewis!
Es ging nicht nur um Lawrence' Kleid, sondern auch um die Männer, ihre Kollegen, neben ihr und um das Setting. Die Fotos wurden auf der Dachterrasse des Londoner Hotels The Corinthia geschossen - bei eisiger Kälte. Darauf zu sehen: Mittig Lawrence in dem freizügigen Kleid, rechts von ihr Matthias Schoenarts und Francis Lawrence, links von ihr Joel Edgerton und Jeremy Irons - vier Männer in langen Hosen, Shirts mit Hemden drüber, sowie Winterjacken und Schals. Das Foto scheint auf den ersten Blick vor allem eins auszudrücken: Männer dürfen sich wetterbedingt verhüllen, Frauen sollen dem Wetter trotzen und sexy sein - doch ist das wirklich wahr? Oder ist es doch zu kurz gedacht?
Eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern - das ist es, was Kritiker in diesen Fotos sehen. So etwa die britische Journalistin Helen Lewis, die sich sofort zu Wort meldete: "Wahre Gleichberechtigung bedeutet, dass Jennifer Lawrence entweder einen Mantel bekommen müsste - oder Jeremy Irons mit nacktem Hintern in Chaps für den Fotografen posieren müsste!"
Jennifer Lawrence postete ihren Kommentar zu der Debatte um ihr Kleid direkt auf ihrem Facebook-Account (s.u.):
"Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll bei der Debatte um 'Jennifer Lawrence trägt ein freizügiges Kleid in der Kälte'-Diskussion. Es ist nicht nur völlig lächerlich. Ich fühle mich auch beleidigt. Dieses Versace-Kleid war fantastisch - denkt ihr, ich bedecke es mit einem Mantel und einem Schal? Ich war da draußen für 5 Minuten. Für dieses Kleid wäre ich auch im Schnee gestanden, weil ich Mode liebe und es meine eigene Entscheidung war.
Diese Diskussion ist sexistisch und lächerlich - und es ist kein Feminismus. Überreaktionen zu allem, was jemand sagt oder tut, und zu dummen, harmlosen Dingen - wie etwa was ich trage oder eben nicht trage - bringen uns nicht weiter. Stattdessen wird dadurch von den wirklich wichtigen Problemen abgelenkt. Bekommt euch in den Griff, Leute. Alles, was ihr mich tragen seht, ist meine eigene Entscheidung. Und wenn ich will, dass mir kalt ist, ist auch das meine Entscheidung!"
Die 27-jährige Schauspielerin wurde als 14-Jährige von einem Modelscout entdeckt. Dass sie Mode liebt, ist bekannt. Man darf Lawrence also durchaus Glauben schenken, wenn sie an dieser Stelle die Fahne der modischen Freiheit schwenkt. Zumal die Kritiker wohl eins vergessen haben: Lawrence ist bekennende Feministin.
Lawrence: "Wir sollten alle Feministen sein"
Erst 2015 schrieb sie einen Gastbeitrag für Lena Dunhams feministischen Newsletter Lenny Letter, in dem sie die schlechte Bezahlung von Frauen in Hollywood kritisierte. Auf dem folgenden Foto trägt die Oscar-Preisträgerin ein Dior-Shirt mit der Aufschrift: "We should all be feminists" (dt.: Wir sollten alle Feministen sein) und hält ein Schild hoch mit der Aufschrift "A woman's place is in the Revolution" (dt.: Der Platz einer Frau liegt in der Revolution - bzw. Die Frau gehört in die Revolution, als Anspielung auf Die Frau gehört in die Küche). Dazu eine Jeans, eine schwarze College-Jacke und schlicht zurückgesteckte Haare.
Zu diesem Foto ist kein kritischer Kommentar bezüglich des Outfits bekannt. Kein Shitstorm, nichts, nada, niente. Anscheinend wurde diese Kleidung im stillen genehmigt - schließlich passe es zu dem feministischen Auftritt auf dem Bild. Doch wer entscheidet schon, welches Outfit feministisch ist und welches nicht? Wo steht es geschrieben, dass ein sexy Kleid per se frauenfeindlich ist, Jeans und Shirt dagegen ein Zeichen des Feminismus? Und vor allem: Warum sollten wir ein Stück Stoff bestimmten lassen, was feministisch ist - und nicht unsere Hirnzellen?
Das Prinzip, eine Feministin müsse per Definition ungeschminkt, unrasiert und unmodisch daher kommen, hat ausgedient. In der Feminismus-Debatte des 21. Jahrhunderts sollte klar sein, dass Feminismus in erster Linie bedeutet, selbst zu entscheiden, was man trägt, wie man es trägt und ob man es überhaupt trägt. Es geht nicht so sehr um das Ergebnis, sondern um den Ursprung eines Kleidungsstils, einer Aussage oder einer Tat.
Welche Intention steckt hinter der Kleidung? Hat man es angezogen, weil man glaubt, damit dem sexistischen Frauenbild entsprechen zu müssen - möglichst dünn, schön und sexy zu sein - oder weil einem das Kleid einfach nur gefällt? Weil es einem ein gutes Gefühl gibt, es zu tragen? Weil man sich in das Kleid verliebt hat, als man es zum ersten Mal gesehen hat?
Wäre Alice Schwarzer im Minirock weniger feministisch?
Eine Frau nach ihrem Aussehen zu beurteilen - und gleichzeitig zu verurteilen - ist nicht feministisch, sondern sexistisch. Ist es nicht gerade das, wofür Feministinnen rund um den Globus kämpfen? Dass Frauen nicht nur auf ihr Aussehen reduziert werden? Dass sie für ihre Taten und Worte respektiert werden und nicht für ihr Aussehen? Wäre Alice Schwarzer weniger feministisch, wenn sie plötzlich eine Vorliebe für Miniröcke und roten Lippenstift entwickeln würde?
Wer Frauen in Miniröcken als "Nutten" abwertet, glaubt auch, dass vergewaltigte Frauen "selber Schuld seien, da sie so freizügig angezogen waren." Beide Aussagen haben denselben Ursprung, denselben Gedanken: Frauen haben sich anzupassen - an die uralten "gesellschaftlichen Normen", die im Grunde von Männern erschaffen wurden. Das ist die alte Denkweise, die Frauen über Jahrhunderte eingetrichtert wurde: Pass dich an! Fall nicht auf! Tu, was dein Mann dir sagt!
Selbstbestimmung ist das Herz des Feminismus
Von dem Leitfaden "Kleider machen Leute" sollten wir uns im Jahr 2018 schleunigst verabschieden. Wer wie Jennifer Lawrence an einem Tag ein sexy Kleid trägt und am nächsten Tag in seine Lieblingsjeans schlüpft, ist deutlich feministischer als jemand, der sich konsequent darüber Gedanken macht, wie er möglichst wenig bei anderen aneckt und wenig auffällt.
Wer den Feminismus nicht nur propagiert, sondern lebt, zieht an, was ihm selbst aufrichtig gefällt! Der sagt, was er selbst wirklich denkt! Der tut, was er selbst allein für richtig hält! Denn die Selbstbestimmung der Frau ist das Herz des Feminismus - und nicht ihre Kleiderwahl...
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