Sex FOMO: Die Angst im Bett etwas zu verpassen
FOMO gibt es nicht nur in der Freizeit. Manche Menschen haben mit Blick aufs eigene Sexleben Angst, etwas zu verpassen. Das sagt unsere Expertin dazu!
Bist du noch beziehungsunfähig oder hast du schon Sex FOMO? Die Angst etwas zu verpassen hört bei Urlauben, Freuden und Konzerten nicht auf. In der Wissenschaft ist sexuelle FOMO ein relativ neues Phänomen. Wir haben Lana Weber, Hamburger Beziehungs- und Kommunikationscoach, zu dem Thema befragt.
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FOMO Bedeutung: Was steckt hinter Fear Of Missing Out?
"Das Akronym FOMO steht für 'Fear Of Missing Out' und beschreibt die Angst, etwas Wichtiges oder Interessantes zu verpassen, etwa aufregende Ereignisse, Erfahrungen, Chancen und Möglichkeiten", fasst Lana Weber die FOMO Definition zusammen.
Am häufigsten bezieht sich die Angst etwas zu verpassen auf Ereignisse und Erfahrungen, die andere in der Freizeit, im Familienleben oder im Beruf erreichen: luxuriöse Urlaube, wilde Partys, (keine) Kinder haben, (keine) Beziehung haben, eine Beförderung im Job und und und.
Der Begriff FOMO kam in den frühen 2000ern auf und wurde laut Oxford English Dictionary 2004 das erste Mal im politischen News-Magazin "North Coast Journal Weekly" verwendet. 2013 erhielt FOMO einen offiziellen Eintrag im Oxford Dictionary. Die dort nachzulesende Definition lautet:
FOMO Symptome: Stress per Klick
Wer an FOMO leidet, kann sein eigenes Hier und Jetzt nur schwer genießen, weil die Highlights der anderen ihm ständig im Kopf herumschwirren. Anstatt im Moment zu leben und auszukosten, was gerade passiert, führt das Bewusstsein, zeitgleich etwas anderes zu verpassen, zu Anspannung.
Dieses psychologische Phänomen ist an sich nicht neu, wird durch Social Media aber befeuert. Denn dank Facebook, Instagram & Co. können wir permanent etwas erleben – rund um die Uhr, komfortabel per Klick. Zu sehen, was Freunde, Bekannte und Influencer alles unternehmen, kann faszinierend und spannend sein, aber auch zu einem erheblichen Erlebnisdruck führen. Überfordert von der Vielfalt an Storys und Events, wächst die Angst etwas zu verpassen und von den Erlebnissen der anderen ausgeschlossen zu sein.
Hinter FOMO steht das natürliche Bedürfnis des Menschen nach sozialer Interaktion und dem Gefühl von Zugehörigkeit: Wer dabei ist, erlebt nicht nur etwas, sondern gehört einer Gruppe an. Die Angst etwas zu verpassen ist also auch die Angst davor, ausgeschlossen zu werden.
Angst etwas zu verpassen: Eine Krankheit?
Im Gegensatz zu Depressionen, ist FOMO nicht als offizielle Krankheit anerkannt. Expert*innen sprechen zwar von FOMO als Social-Media-Krankheit, im medizinischen Kontext ist Fear of Missing Out aber ein psychologisches Phänomen und keine psychische Erkrankung.
Lana Weber erklärt allerdings: "Einige FOMO-Symptome kommen tatsächlich in gleicher Form bei psychischen Erkrankungen vor. Die ständige Angst etwas zu verpassen, kann beispielsweise zu Stress, innerer Unruhe und Unzufriedenheit führen. Neben einem Gefühl der Minderwertigkeit, kann es auch zu depressiven Verstimmungen kommen. Dementsprechend hat FOMO in manchen Fällen negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit."
Sex FOMO: Zu wenig los im Bett?
Während sich reguläres FOMO auf Partys, Urlaube, Freundschaften, berufliche Erfolge und andere Alltagssituationen bezieht, überschattet Sex FOMO das Liebesleben der Betroffenen. "In Bezug auf Sex beschreibt FOMO die Angst, sexuelle Erfahrungen oder Gelegenheiten zu verpassen. Das kann dazu führen, dass man unterschiedliche sexuelle Erfahrungen ausprobiert oder häufig die sexuellen Partner und Partnerinnen wechselt", verdeutlicht Beziehungscoach Lana Weber.
Das Phänomen Sex FOMO interessiert auch die Wissenschaft. Denn FOMO hat, je nach Ausprägung, Einfluss auf den Alltag und die Lebensentscheidungen, die Menschen treffen. Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2023 hat ergeben, dass Personen, die sexuelle FOMO verspüren, dazu neigen, sich im Bett risikobereiter zu verhalten und eher kurzweilige, sexuelle Beziehungen einzugehen. Dieses Verhalten dient dem Erhalt des sozialen Status. Den Studienautoren zufolge streben Menschen mit einem hohen FOMO-Level eher nach einem höheren sozialen Status und sehen sexuelle Abenteuer als Wettbewerb.
"Soziale, wirtschaftliche und romantische Möglichkeiten sind nicht unendlich verfügbar. Menschen müssen – bis zu einem gewissen Grad – um diese wertvollen sozialen, wirtschaftlichen und Paarungsressourcen konkurrieren", erklärte Studienleiter Adam C. Davis dazu.
FOMO und Beziehung: Ein Frauenthema?
Wer sich näher mit Sex FOMO beschäftigt, bekommt schnell den Eindruck, dieses psychologische Phänomen beträfe nur Frauen in Langzeitbeziehungen. Häufig ist die Rede von Frauen, die um die 30 herum plötzlich das Gefühl haben, im Leben und in der Liebe etwas verpasst zu haben und sich nun in sexueller FOMO verlieren.
Völliger Blödsinn, betont unsere Expertin. Sie sieht hinter der oft einseitigen Berichterstattung ganz andere Gründe: "Artikel über Beziehungsthemen und Sexualität werden öfter von Frauen gelesen, deshalb kommen darin auch eher Frauen vor. Zudem spielt das Thema Empowerment eine große Rolle. Mit solchen Artikeln sollen besonders Frauen dazu ermutigt werden, ihren eigenen Weg zu gehen, weshalb der Eindruck entstehen könnte, dass das Thema vor allem Frauen betrifft."
In Wahrheit ist Sex FOMO kein weibliches Phänomen. "Sowohl Männer als auch Frauen können sexuelle FOMO erleben", unterstreicht Lana Weber.
Angst etwas zu verpassen? Kennen auch Singles
Sex FOMO trifft nicht nur Menschen in Beziehungen. Auch Alleinstehende kennen die Angst etwas zu verpassen. 2019 führte die Partnervermittlung Parship eine Online-Befragung unter rund 2.800 Singles durch. Das Ergebnis war eindeutig:
59 Prozent der Alleinstehenden gaben an, bereits FOMO erlebt zu haben. 14 Prozent davon spüren die Angst im Leben etwas zu verpassen regelmäßig.
Menschen ohne Beziehung fehlt am häufigsten das Gefühl von Liebe und Geborgenheit (86 %), gefolgt von der Angst, als Single nicht genug gereist (70 %) und nicht abenteuerlustig genug gewesen zu sein (65 %).
Was tun gegen sexuelle FOMO?
Da FOMO – ob nun regulär oder sexuell – vor allem durch Social Media getriggert wird, raten Expert*innen dazu, das Smartphone nicht einfach nur regelmäßig wegzulegen, sondern gezielte Einstellungen zu nutzen, um Stress durch das Handy zu reduzieren. Dazu gehören:
Flugmodus, der sich jeden Abend automatisch um eine bestimmte Uhrzeit aktiviert
Benachrichtigungen für Social Media, E-Mails & Co. ausschalten
Chats lautlos stellen
Digital Detox ist nicht nur für den Kopf wichtig, sondern lindert auch FOMO.
Geht es speziell um Sex FOMO, weiß unsere Expertin Rat: "Zunächst einmal ist es wichtig, sich mit seinen eigenen sexuellen Wünschen, Bedürfnissen und Grenzen intensiv auseinanderzusetzen. Genauso wichtig ist es, sich und seine eigenen Wünsche und Grenzen nicht mit denen anderer Menschen zu vergleichen. Nur so kann man für sich entscheiden, welche Erfahrungen man wirklich machen möchte und welche man nur aufgrund seiner Sex FOMO machen würde."
Unsere Expertin
Lana Weber arbeitet als Paartherapeutin und Beziehungscoach in Hamburg. Neben der Beratung in der Praxis bietet sie deutschlandweit Online-Sitzungen an und ermöglicht dadurch eine flexible Unterstützung. Unabhängig davon, ob sie mit Paaren oder Einzelpersonen arbeitet, liegt ihr Fokus darauf, die individuellen Bedürfnisse zu erkennen, Beziehungsprobleme zu lösen und die Kommunikation zu stärken.
Quellen
FOMO im Oxford English Dictionary; abgerufen am 15. Juli 2024
Current Research in Behavioral Sciences: The links between fear of missing out, status-seeking, intrasexual competition, sociosexuality, and social support; abgerufen am 15. Juli 2024
Parship-Studie: Fear of Missing Out – jeder Zweite hatte schon einmal Angst, etwas im Leben zu verpassen; abgerufen am 15. Juli 2024