Philophobie: Wenn die Angst vor der Liebe das Leben bestimmt
Angst vor Liebe und Beziehungen: Eine Expertin verrät, was hinter Philophobie steckt und was man gegen die Angst tun kann.
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- Was bedeutet Philophobie?
- Philophobie vs. Bindungsangst: Das ist der Unterschied
- Angst vor Liebe: Diese Symptome deuten auf Philophobie hin
- Intensive Freundschaft trotz Beziehungsangst: Diese Ausnahmen gibt es
- Angst vor Liebe: Das sind die Ursachen
- Tipps bei Philophobie: Wie du mit Angst vor der Liebe umgehen kannst
Liebe kann beängstigend sein. Wer sich auf einen Menschen einlässt und emotionale Nähe in Beziehungen zulässt, macht sich dadurch auch verletzlich. Wirklich lieben bedeutet, ein Risiko einzugehen. Diese Vorstellung kann vielen Menschen zunächst Angst machen.
Manchmal geht diese Furcht jedoch über das normale Maß hinaus: Sie hindert daran, Beziehungen einzugehen. Mashaal Omary, Paar- und Familientherapeutin aus München, erklärt was Philophobie, die Angst vor der Liebe, wirklich bedeutet.
Was bedeutet Philophobie?
Als soziale Wesen sehnen wir uns nach Liebe, Nähe und Zuneigung. Sich einer Person zu öffnen und sich dadurch verletzlich zu machen, kann aber auch herausfordernd sein. Das ist eine Angst, die sicherlich viele Menschen nachvollziehen können.
Wenn die Angst vor der Liebe jedoch größer wird als der Wunsch nach Nähe, dann kann sie die eigene Beziehungsfähigkeit stark einschränken.
Bei dieser Angst wird von Philophobie gesprochen. Wie lässt sie sich genau definieren?
Mashaal Omary: „Philophobie ist die Angst vor der Liebe – oder genauer gesagt, die Angst vor der emotionalen Nähe, die mit Liebe einhergeht. Menschen mit Philophobie haben oft große Schwierigkeiten, sich auf verbindliche Beziehungen einzulassen, weil sie Angst haben, verletzt zu werden oder die Kontrolle zu verlieren.
Es ist eine intensive Furcht, die weit über ein normales Zögern oder Unsicherheit in Beziehungen hinausgeht.“
Philophobie vs. Bindungsangst: Das ist der Unterschied
Wie unterscheidet sich Philophobie von Bindungsangst?
Mashaal Omary: „Philophobie ist eine extremere Form der Bindungsangst. Während Menschen mit klassischer Bindungsangst oft hin- und hergerissen sind – also Nähe suchen, aber auch wieder Abstand brauchen –, geht Philophobie oft mit einer radikalen Vermeidung einher.
Die Betroffenen scheuen nicht nur feste Beziehungen, sondern oft schon den Prozess des Verliebens selbst. Das kann sich in starken Abwehrmechanismen äußern, wie plötzliches Ghosting, das Überbetonen der eigenen Unabhängigkeit oder eine fast panische Reaktion auf emotionale Nähe.“
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Expertin: Mashaal Omary
Mashaal Omary ist Paar- und Familientherapeutin aus München. Neben Paar- und Familientherapie bietet sie unter anderem Coachings für Singles und Erziehungsberatung an. Mehr Information
Angst vor Liebe: Diese Symptome deuten auf Philophobie hin
Philophobie kann sich auf verschiedene Weise zeigen, wie Paar- und Familientherapeutin Mashaal Omary erklärt, zum Beispiel durch:
Starke Angst vor dem Verlieben: Betroffene spüren vielleicht Gefühle für jemanden, kämpfen aber aktiv dagegen an.
Sabotage von Beziehungen: Sobald es ernst wird, ziehen sie sich zurück oder zerstören unbewusst die Verbindung.
Extrem hohe Ansprüche: Kein*e potenzielle*r Partner*in ist „gut genug“, weil so verhindert wird, dass echte Nähe entsteht.
Flucht in unverbindliche Beziehungen: Zum Beispiel häufige One-Night-Stands oder Affären, aber keine emotionale Bindung.
Physische Reaktionen: Betroffene erleben regelrechte Panikattacken oder ein starkes Unwohlsein, wenn eine Beziehung ernster wird.
Intensive Freundschaft trotz Beziehungsangst: Diese Ausnahmen gibt es
Äußert sich die Philophobie auch in anderen Beziehungsformen, zum Beispiel mit Freund*innen? Oder können Freundschaften trotzt der Angst vor Liebe leichter geschlossen werden?
Mashaal Omary: „ Ja, das ist durchaus möglich. Manche Menschen mit Philophobie haben enge Freundschaften, weil Freundschaften oft weniger Verpflichtungen und weniger existenzielle Bedrohungen für das Selbstwertgefühl darstellen als romantische Beziehungen.
In Freundschaften gibt es selten eine ähnliche emotionale Verletzlichkeit wie in der Liebe, wo Themen wie Verlassenwerden, Exklusivität oder Abhängigkeit eine viel größere Rolle spielen. Trotzdem gibt es auch philophobe Menschen, die generell Nähe vermeiden und sich auch in Freundschaften emotional distanzieren.“
Angst vor Liebe: Das sind die Ursachen
Die Ursachen liegen oft in der Kindheit oder früheren Beziehungserfahrungen, erklärt die Expertin. Häufige Gründe sind:
Bindungstraumata: Wenn jemand in der Kindheit Vernachlässigung, übermäßige Kontrolle oder instabile Bindungen erlebt hat, kann sich das durch eine irrationale Angst und einem Unwohlsein vor emotionaler Nähe im Erwachsenenalter ausdrücken.
Vergangene Verletzungen: Wer einmal durch eine Trennung oder ein Vertrauensbruch stark verletzt wurde, kann unbewusst beschließen, sich nie wieder so verletzlich zu machen.
Erziehungsstil der Eltern: Sehr autoritäre oder distanzierte Eltern können dazu führen, dass Betroffene emotionale Nähe nicht als sicher erleben.
Gesellschaftlicher Einfluss: Gerade in einer Zeit, in der Unabhängigkeit und Selbstoptimierung oft im Vordergrund stehen, kann emotionale Nähe als etwas Bedrohliches oder Belastendes empfunden werden.
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Tipps bei Philophobie: Wie du mit Angst vor der Liebe umgehen kannst
Welche konkreten Tipps und Maßnahmen gibt es, um damit umzugehen?
Mashaal Omary: „Der erste Schritt ist die Selbsterkenntnis: Wer sich bewusst macht, dass er*sie unter Philophobie leidet, kann anfangen, gezielt daran zu arbeiten:
Reflexion: Welche Erfahrungen könnten zur Angst beigetragen haben? Ein Angst-Tagebuch oder auch regelmäßige Gespräche mit guten Freund*innen können dabei helfen, Muster zu erkennen.
Langsame Annäherung: Beziehungen müssen nicht von heute auf morgen zur Verpflichtung werden. Kleine Schritte in Richtung Nähe sind ein guter Anfang.
Sich der Angst stellen: Statt Nähe zu vermeiden, bewusst aushalten, wenn es unangenehm wird und beobachten, was passiert.
Therapie oder Coaching: Ein professioneller Blick von außen, eine Verhaltenstherapie oder auch eine Paartherapie können dabei helfen, alte Wunden zu heilen und neue Verhaltensweisen zu lernen.
Neue Erfahrungen sammeln: Wer positive Bindungserfahrungen macht, kann alte Ängste Stück für Stück abbauen.
Philophobie ist kein endgültiges Urteil. Mit Zeit, Geduld und der richtigen Unterstützung kann es gelingen, Liebe nicht mehr als Bedrohung, sondern als Bereicherung zu erleben.“
Artikelbild und Social Media: tomazl/iStock